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Das Atmen der Bestie
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 06:01

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Автор книги: Graham Masterton


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Триллеры


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»Sie sagten etwas über einen Park«, erinnerte ich ihn. »Als Sie das erste Mal in mein Büro kamen, erwähnten Sie den Park auch schon. Ich weiß gar nicht, was Sie damit meinten.«

»Den Park? Habe ich das?«

»Ja, es klang zumindest so.«

»Ich schätze, Sie haben recht. Seitdem ich an diesem verdammten Park gearbeitet habe, hat mich das Pech verfolgt.«

»War es der Park in Fremont? Wo Sie die Bärenfrau gefunden haben?«

Er nickte. »Es war eine ganz einfache Auslegerbrücke. Nur ein Überweg für Fußgänger, nichts Großartiges. Ich habe davon sicher 20, 30 in den verschiedensten Städten die ganze Küste entlang gebaut. Aber diese war verhext. Die Fundamente stürzten sechs-oder siebenmal zusammen. Drei der Wetbacks, Sie wissen, diese illegalen Mexikaner, wurden sehr schwer verletzt. Einer erblindete. Niemals war man sich einig, wie und wo die Brücke am besten aufgestellt werden sollte. Die Diskussionen mit dem Stadtrat trieben einen in den Wahnsinn. Ich habe vier Monate gebraucht, um diese Brücke aufzustellen, die normalerweise in vier Tagen hätte aufgesetzt werden können. Das schadete natürlich meinem Ruf. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, Mr. Hyatt, dass ich mich seit der Zeit in Fremont verfolgt fühlte.«

Ich hob das Whiskyglas und ließ den Inhalt kreisen, während ich mich umschaute. »Und das hier, dieses Atmen und all das, dachten Sie, es könnte mit dem Pech zusammenhängen?«

Er seufzte. »Ich weiß nicht. Es war nur so ein Gedanke. Manchmal frage ich mich, ob ich verrückt werde.«

In diesem Augenblick ertönte der Türklopfer zweimal.

»Ich mach schon auf«, sagte ich und ging in die schattige Halle, um die Haustür zu öffnen. Während ich die Riegel und Ketten löste, konnte ich nicht anders und blickte kurz hinüber zu der Bärenfrau. Im Dunkeln wirkte sie jetzt größer als bei Licht, struppiger, als ob die Schatten um sie herum zu Pelz gewachsen wären. An jeder Wand um mich herum hingen diese trüben und langweiligen Landschaftsbilder des Mount Taylor und des Cabezon Peak, Drucke, Stiche und Tuschezeichnungen, und sie waren alle bei schlechtestem Wetter gemalt. Da ich immerhin wusste, dass beide Berge im sonnigen New Mexico lagen, erschien es umso seltsamer, dass jede einzelne dieser Dutzend Ansichten an einem regnerischen Tag gemalt worden war.

Der Türklopfer knallte wieder aufs Holz. »Schon gut, schon gut!«, rief ich. »Ich hab euch doch gehört!«

Ich öffnete die Tür und Dr. Jarvis stand mit Jane auf der Schwelle. Es regnete und donnerte noch immer, aber nach der stickigen Enge in Seymour Wallis’ Büro war die Nachtluft kühl und erfrischend. Auf der anderen Straßenseite sah ich Bryan Corder, der mit hochgezogenen Schultern durch den Regen auf uns zukam.

»Ihr beide habt euch wohl getroffen«, sagte ich zu Jane und Dr. Jarvis, während ich sie ins Haus bat.

»Es war ganz zufällig, als wir beide in einem dunklen Türeingang Schutz suchten«, sagte Jane.

Bryan lief die Stufen hoch und schüttelte sich wie ein nasser Hund den Regen aus den Haaren. Er war ein untersetzter, kräftiger, etwa 40 Jahre alter Mann mit einem pausbäckigen, freundlichen Gesicht, das mich an einen lebenslustigen Mönch erinnerte, falls es so etwas gibt. Er griff nach meinem Arm. »Hi, John. Ich hätte es fast nicht geschafft. Und, wie läuft es?«

»Beängstigend«, antwortete ich. Ich meinte es auch so. Bevor ich die Tür schloss, konnte ich nicht widerstehen und schaute noch einmal kurz auf den Türklopfer, nur um zu sehen, ob er immer noch aus Bronze, immer noch leblos und immer noch so scheußlich war wie bisher.

Ich führte sie alle in Seymour Wallis’ Büro und stellte sie ihm vor. Wallis war freundlich, aber zerstreut, als wären wir Grundstücksmakler, die den Wert seines Eigentums beurteilen wollten. Er gab jedem die Hand, bot Whisky an und holte Stühle, aber dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch, starrte auf den schäbigen Teppich und sagte kaum noch etwas.

Dr. Jarvis sah in seiner marineblauen Sportjacke und Hose nun etwas weniger nach einem Mediziner aus. Er hatte ein elegant geschnittenes Gesicht, war klein und rotblond, und ich fing an, ihn zu mögen. Er trank einen Schluck Whisky, hustete und meinte: »Ihr Freund hat keine großen Fortschritte gemacht, muss ich leider gestehen. Er erlitt zwar keinen weiteren Anfall, aber er leidet immer noch unter Atembeschwerden und wir können ihn nicht aus seinem Koma wecken. Heute Abend werden wir noch ein EKG und ein EEG machen, um festzustellen, ob es irgendein Anzeichen einer Hirnschädigung gibt.«

»Hirnschädigung? Aber er ist doch bloß vom Stuhl gefallen.«

»Ich habe erlebt, dass Leute durch den Fall von einem Stuhl gestorben sind.«

»Glauben Sie immer noch an eine Gehirnerschütterung?«, fragte Jane. »Was ist mit seinen Augen?«

Dr. Jarvis drehte sich auf seinem Sitz herum. »Würde ich glauben, dass es nur eine Gehirnerschütterung ist und nichts anderes, wäre ich nicht hier. Es scheint so, als ob da noch etwas mit im Spiel ist, aber bis jetzt habe ich noch keine echte Idee, was es sein könnte.«

Bryan fragte: »Ist das hier der Raum, in dem es passierte? Das Atmen und auch das Übrige?«

»Ja.«

Bryan stand auf und ging an den Wänden des Zimmers entlang, tastete sie an einigen Stellen ab und schaute in den Kamin. Hier und da klopfte er mit seinen Knöcheln den Verputz ab, um nach Hohlräumen zu hören. Nach einer Weile blieb er mitten im Raum stehen und blickte sich verwundert um.

»Die Tür war geschlossen?«, fragte er mich.

»Die Tür und die Fenster.«

Er schüttelte langsam den Kopf. »Das ist wirklich seltsam.«

»Was ist seltsam?«

»Also, normalerweise, wenn sich aufgrund von Zugluft oder Luftströmungen ein Druck bildet, dann ist der Kamin frei und der Schornstein nicht blockiert. Aber Sie können Ihre Hand hier in den Kamin halten und es selbst spüren. Hier ist keine Luftströmung vorhanden. Der Schornstein ist komplett zu.«

Ich ging hinüber und kniete mich auf den fadenscheinigen verblichenen Indianerteppich vor der Feuerstelle. Es war einer dieser schmalen viktorianischen Zimmerkamine mit einer verzierten Stahlhaube und einem feuerfesten Gitter. Ich steckte meinen Kopf hinein und schaute hoch in die kalte, nach Ruß riechende Finsternis. Bryan hatte recht, es gab keinen Luftzug, keinen Windhauch. Normalerweise, wenn man unter einem Kaminschacht hockt, kann man die Geräusche der Nacht hören, die herabrauschen, aber in diesem Schornstein war es still.

»Mr. Wallis«, sagte Bryan, »sind Sie sicher, dass dieser Schornstein frei ist? Oder hat ihn jemand zugemauert?«

Wallis bedachte uns mit einem mürrischen Blick. »Der Kamin ist nicht zugemauert. Ich habe erst vor wenigen Tagen ein Feuer gemacht und einige alte überflüssige Unterlagen darin verbrannt.«

Bryan schaute noch einmal den Kaminschacht hinauf. »Also, Mr. Wallis, selbst wenn er zu dem Zeitpunkt noch frei war, jetzt ist er mit Sicherheit zu. Vielleicht hängt das mit den Geräuschen zusammen, die Sie gehört haben. Dürfte ich vielleicht in dem oberen Raum einen Blick in den Kamin werfen?«

»Nur zu«, antwortete Wallis. »Aber ich bleibe hier, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich habe für heute von alldem wirklich genug.«

Wir vier gingen in die Diele und schalteten das schwache Licht ein, das die Treppe beleuchtete. Es war so schwach, weil es von einem grün und gelb gemusterten Glas abgedeckt wurde, das in Staub und Spinnweben gehüllt war. Alles im Haus schien muffig, verblichen und mit Staub bedeckt zu sein, aber genau das nannte Wallis wahrscheinlich Charakter. Mich überkam geradezu eine Sehnsucht nach Plastik und billigen modernen Wohnblöcken.

Als Bryan die erste Stufe betrat, bemerkte Jane plötzlich die Bronzestatue der Bärenfrau.

» Dieist aber ungewöhnlich«, sagte sie. »Gehörte sie schon immer zum Haus?«

»Nein. Seymour Wallis hat sie in Fremont ausgegraben, irgendwo, als er an einer Brücke gearbeitet hat. Er baut nämlich Brücken, zumindest hat er das getan.«

Jane berührte das feierliche Gesicht der Statue, als erwartete sie, dass sie jeden Moment die Augen öffnete.

»Sie erinnert mich an etwas«, sagte sie gedankenvoll. »Sie verursacht mir ein ganz seltsames Gefühl. Es ist fast so, als hätte ich sie schon früher einmal gesehen, aber das kann nicht sein.«

Sie schwieg einige Momente, ihre Hand auf den Kopf der Statue gelegt, dann schaute sie auf. »Ich kann mich nicht erinnern. Vielleicht denke ich später darüber nach. Sollen wir weitergehen?«

Bryan ging voran. Wir folgten ihm so leise wie möglich die alten, quietschenden Treppen hinauf. Es waren zwei Treppen mit jeweils etwa zehn Stufen, dann standen wir auf einem langen Flur, der ebenfalls von einer trüben Glaslampe erleuchtet wurde und mit einem staubigen roten Teppich ausgelegt war. Es sah aus, als wäre das Haus seit 20 oder 30 Jahren nicht mehr renoviert worden, und überall hingen diese tiefgründige Stille und dieser klamme Mief.

»Der Bürokamin muss durch diesen Raum führen«, sagte Bryan. Er führte uns zu einer Tür, die am Ende des Flurs lag. Er drückte den Messinggriff herunter und öffnete sie.

Es war ein kleines, kaltes Schlafzimmer. Es hatte ein Fenster zum Garten hin, in dem sich dunkle, nasse Bäume im Wind und Regen hin und her bewegten. Die Wände waren blassblau tapeziert und wiesen überall Wasserflecke auf. Das wenige Mobiliar bestand aus einem mit Klarlack behandelten Kleiderschrank und einem schäbigen Eisenbett. Auf dem Boden lag altmodisches Linoleum, das vor vielen Jahren einmal grün gewesen sein musste.

Bryan ging zum Kamin, der dem in Seymour Wallis’ Büro glich, nur dass ihn jemand cremefarben gestrichen hatte. Er kniete nieder und lauschte, während wir Übrigen um ihn herumstanden und ihn beobachteten.

»Kannst du etwas hören?«, fragte ich. »Ist er noch blockiert?«

»Ich schätze schon«, antwortete er und strengte dabei seine Augen an, um in der Dunkelheit etwas zu sehen. »Ich muss nur um die Kante herumschauen, dann könnte ich vielleicht …«

Er rückte etwas näher heran und schob seinen Kopf vorsichtig unter der Feuerhaube hindurch.

Dr. Jarvis lachte, aber es war ein nervöses Lachen. »Können Sie etwas erkennen?«

»Ich bin nicht sicher«, antwortete Bryan mit dumpfer Stimme. »Hier ist die Resonanz ganz anders. Eine Art dumpfes Geräusch. Ich bin mir nicht sicher, ob es durch den Schornstein hereinkommt oder ob es durchs ganze Haus vibriert.«

»Wir können hier draußen nichts hören«, sagte ich.

»Dann kommt her«, erwiderte Bryan und kroch weiter, sodass sein ganzer Kopf im Kamin verschwand.

»Ich schätze, dass Sie sich Ihr Haar waschen müssen, bevor Sie wieder in die Zivilisation zurückkehren«, sagte Jane.

»Ach, ich habe schon Schlimmeres getan als das hier«, meinte Bryan. »Abwasserkanäle sind schlimmer als eine ganze Woche Schornsteine.«

»Kannst du jetzt etwas hören?«, fragte ich und kniete mich neben den Kamin.

»Sssshht!«, forderte Bryan. »Jetzt baut sich hier irgendein Geräusch auf. Wieder dieses dumpfe Schlagen.«

»Ich kann immer noch nichts hören«, sagte ich.

»Hier drinnen höre ich es ganz deutlich. Da ist es wieder. Bum-bum-bum-bum-bum-bum-bum.Es ist fast wie ein Herzschlag. Bum-bum-bum– warum messt ihr es nicht? Hast du einen Sekundenzeiger an deiner Uhr?«

»Ich werde es messen«, sagte Dr. Jarvis. »Wenn es ein Puls ist, dann fällt es in mein Fachgebiet.«

»Okay.« Bryan hustete. »Ich beginne jetzt.«

Er hielt seinen Kopf in der Kaminhaube und suchte blind mit seiner Hand umher, bis er Dr. Jarvis’ Knie ertastete. Dann begann er, das, was in seinen Ohren dröhnte, als Takt zu schlagen, und Dr. Jarvis prüfte es mit seiner Uhr.

»Es ist kein Puls«, kommentierte Dr. Jarvis nach einigen Minuten. »Zumindest kein menschlicher Puls.«

»Reicht das?«, hustete Bryan. »Ich bekomme hier nämlich Klaustrophobie.«

»Sie sind der Santa Claustrophobius«, scherzte Jane. »Bringen Sie uns einen Sack voll mit Spielsachen mit?«

»Ach, Blödsinn«, brummte Bryan und fing an, sich wieder herauszuwinden.

Unvermittelt schrie er entsetzlich auf. Ich habe noch nie einen Menschen so schreien hören … Eine Sekunde lang konnte ich mir nicht vorstellen, was passierte. Dann brüllte er: »Holt mich raus! Holt mich raus! Um Himmels willen, holt mich raus!«,und ich wusste, dass etwas Schreckliches mit ihm geschah.

Dr. Jarvis packte eines von Bryans Beinen und schrie: »Zieh! Zieh ihn da raus!«

Vor Furcht erstarrt, packte ich Bryans zweites Bein, und gemeinsam versuchten wir, ihn herauszuziehen. Aber, obwohl nur sein Kopf in dem Kamin hing, schien er darin festzustecken. Er kreischte und schrie und seinen gesamten Körper durchzuckten Todeskrämpfe.

»Holt mich raus! Holt mich raus! Oh Gott, oh Gott, holt mich raus!«

Dr. Jarvis ließ Bryans Bein los und versuchte zu erspähen, was dort in der Kaminhaube vor sich ging. Aber Bryan zappelte und kreischte so grauenhaft, dass es unmöglich war zu erkennen, was vor sich ging.

Dr. Jarvis brüllte: »Bryan! Bryan, hören Sie! Keine Panik! Halten Sie still oder Sie werden sich verletzen!«

Er drehte sich um zu mir. »Irgendwie muss sein Kopf feststecken. Um Gottes willen, versuchen Sie, ihn ruhig zu halten.«

Wir beide rissen an der Kaminhaube, um sie aus der Befestigung der Fliesen zu lösen, aber sie saß durch den Staub und den Ruß der Jahre so fest, dass es uns nicht gelang. Bryan schrie die ganze Zeit, aber dann verstummte er plötzlich und sein Körper sackte auf den Boden des Kamins.

»Oh Gott«, sagte Dr. Jarvis. »Sehen Sie.«

Unter der Haube floss langsam feucht glänzendes Blut hervor, das Bryans Kragen und Krawatte durchtränkte. Jane, die hinter uns stand, würgte. Das war viel zu viel Blut für einen kleinen Schnitt oder einen Kratzer. Es tropfte von Bryans Hemd herab und über unsere Hände, bis es in die Fugen zwischen die Platten des Kaminbodens floss.

»Jetzt vorsichtig«, befahl Dr. Jarvis. »Ziehen Sie ihn vorsichtig herunter.«

Stück für Stück zogen wir Bryans Körper abwärts. Zunächst schien es, als würde sein Kopf immer noch festgehalten, aber dann stieg uns der eklige Geruch von rohem Fleisch in die Nase und er rutschte vollständig aus dem Kamin, fiel auf das Feuergitter.

Ich starrte mit wachsendem Grauen auf seinen Kopf. Ich konnte es kaum ertragen hinzusehen, aber wegsehen konnte ich auch nicht. Von seinem gesamten Kopf war die Haut abgeschält. Nur der nackte Schädel war noch übrig, an dem einige wenige Fetzen Fleisch und Haarbüschel hingen. Sogar die Augen waren aus ihren Höhlen herausgerissen worden, sodass nur noch klebrige Knochen zurückgeblieben waren.

Jane, deren Stimme vor Übelkeit zitterte, sagte: »Oh John, oh mein Gott, was ist passiert?«

Dr. Jarvis legte Bryans Körper vorsichtig nieder. Der Schädel machte auf den Fliesen ein grausiges, knöchernes Geräusch. Dr. Jarvis’ Gesicht war so weiß und geschockt, wie meines wohl auch aussehen musste.

»Ich habe noch nie so etwas gesehen«, flüsterte er. »Noch nie.«

Ich schaute auf den dunklen Schlund des alten viktorianischen Kamins. »Ich will nur wissen, washat das getan. Um Himmels willen, Doktor, was hängt da oben drin?«

Dr. Jarvis schüttelte stumm den Kopf. Keiner von uns traute sich, in den Kaminschacht zu blicken. Was auch immer Bryan das Fleisch vom Kopf gerissen hatte, ob es ein launenhafter Unfall oder ein bösartiges Tier war, niemand von uns wollte sich dem stellen.

»Jane«, sagte Dr. Jarvis und nahm eine Karte aus seiner Brusttasche, »das ist die Nummer des Elmwood Foundation Hospital, in dem ich arbeite. Rufen Sie Dr. Speedwell an und sagen Sie ihm, was passiert ist. Sagen Sie ihm, dass ich hier bin. Und bitten Sie ihn, uns so schnell wie möglich einen Krankenwagen herzuschicken.«

»Was ist mit der Polizei?«, fragte ich. »Wir können nicht einfach …«

Dr. Jarvis sah skeptisch zum Kamin hinüber. »Ich weiß nicht. Meinen Sie, dass die uns glauben werden?«

»Um Gottes willen, wenn da irgendetwas in dem Kamin steckt, das Leute auseinanderreißt, dann werde ich da nicht hochsteigen und nachsehen. Und Sie werden das auch nicht tun.«

Dr. Jarvis nickte. »Okay«, sagte er zu Jane. »Rufen Sie die Polizei auch an.«

Jane wollte den Raum gerade verlassen, als es zaghaft an die Tür klopfte. Seymour Wallis’ Stimme sagte: »Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Ich dachte, ich hätte Schreie gehört.«

Ich ging zur Tür und öffnete. Wallis stand blass und besorgt da und er musste an meinem Gesichtsausdruck gemerkt haben, dass irgendetwas schiefgelaufen war. »Wir hatten einen Unfall«, sagte ich. »Es ist vielleicht besser, Sie kommen nicht herein.«

»Ist jemand verletzt?«, fragte er und versuchte über meine Schulter zu schauen.

»Ja. Bryan ist schwer verletzt. Aber bitte, ich rate Ihnen, nicht hinzuschauen. Es ist ziemlich schlimm.«

Wallis schubste mich zur Seite. »Es ist mein Haus, Mr. Hyatt. Ich will wissen, was hier vor sich geht.«

Ich schätze, er hatte durchaus recht. Doch als er in das Schlafzimmer trat und Bryans Körper daliegen sah, den Schädel grinsend zur Decke gerichtet, erstarrte er. Er vermochte weder zu reden noch sich zu bewegen.

Dr. Jarvis schaute auf. »Rufen Sie doch den Krankenwagen«, sagte er schroff zu Jane. »Je eher wir herausfinden, was hier passiert ist, desto besser.«

Wallis setzte sich schwerfällig auf das schmale Bett, seine Hände in den Schoß gelegt. Er starrte Bryan mit unverhohlenem Grauen an.

»Tut mir leid, Mr. Wallis«, sagte Dr. Jarvis. »Er dachte, er höre irgendein Geräusch im Kamin und steckte seinen Kopf hinein, um nachzusehen, wodurch es verursacht wurde.«

Wallis öffnete seinen Mund, sagte nichts, dann schloss er ihn wieder.

»Wir hatten den Eindruck, dass ihn irgendetwas oder irgendjemand angriff«, erklärte ich. »Als sein Kopf in dem Kamin steckte und wir versuchten, ihn herauszuziehen, schien es, als ob ihn jemand mit gleicher Kraft zurückziehe.«

Geradezu verstohlen schaute Wallis zu dem dunklen, leeren Kamin. »Ich verstehe nicht«, sagte er heiser. »Was versuchen Sie mir zu sagen?«

Dr. Jarvis stand auf. Er konnte für Bryan nichts mehr tun, außer herauszufinden, was ihn getötet hatte. Er sagte ernst: »Entweder hatte er einen fatalen Unfall, Mr. Wallis, oder aber da oben hockt eine Kreatur drin, oder ein Mensch, der Bryan Corder in einem psychopathischen Anfall das Fleisch vom Schädel gerissen hat.«

»Oben im Schornstein? Oben im Schornstein meines Hauses?«

»Ich fürchte, dass es ganz so aussieht.«

»Aber das ist doch Irrsinn. Was zum Teufel lebt in einem Schornstein und zerfleischt Leute derart?«

Dr. Jarvis blickte auf Bryans Körper, dann zurück zu Seymour Wallis. »Das, Mr. Wallis, ist genau das, was wir herausfinden müssen.«

Wallis dachte eine Weile darüber nach, dann rieb er sich durch sein Gesicht. »Das Ganze ergibt doch keinen Sinn. Erst das Atmen und jetzt das hier. Sie müssen mir wohl beipflichten, dass ich das Haus verkaufen muss.«

»Dabei würden Sie bestimmt kein Geld verlieren«, sagte ich gefällig. »Diese alten Villen stehen heutzutage hoch im Kurs.«

Er schüttelte müde den Kopf. »Es geht nicht ums Geld, das kümmert mich wenig. Ich will nur an einem Ort leben, wo solche Dinge sich nicht zutragen. Ich möchte nur etwas Ruhe haben … Der arme Kerl.«

»Na ja, solange der Geist Ihnen nicht folgt, ist ein Umzug bestimmt die beste Lösung für Sie«, meinte ich.

Wallis starrte mich geschockt und ärgerlich an. »Es steckt da in dem verdammten Kamin!«, schnauzte er. »Es hat soeben Ihren Kollegen umgebracht und Sie tun so, als wäre das nicht weiter tragisch. Es ist da oben drin, es versteckt sich, und wer sind Sie, dass Sie mir versichern können, dass es nicht in der Nacht, wenn ich im Bett liege, herauskommt und mich erwürgt?«

»Mr. Wallis«, sagte ich. »Ich bin kein Rod Serling.«

»Ich vermute, dass Sie die Polizei benachrichtigt haben«, erwiderte Wallis, ohne mich weiter zu beachten.

Dr. Jarvis nickte. »Sie müsste bald hier sein.«

In diesem Augenblick kam Jane zurück und erklärte: »Zwei, drei Minuten … Sie hatten einen Wagen in der Nachbarschaft. Ich habe auch das Krankenhaus angerufen, sie schicken sofort einen Krankenwagen her.«

»Danke, Jane«, sagte ich.

»Ich habe eine Waffe, hören Sie«, sagte Wallis. »Es ist zwar nur mein alter Kriegscolt, aber wir könnten in den Schornstein schießen, und was immer es ist, es hätte keine Chance.«

Dr. Jarvis kam zu uns herüber. »Könnten Sie mir bitte einen Kopfkissenbezug geben?«, fragte er. »Ich möchte Mr. Corders Kopf bedecken.«

»Sicher. Nehmen Sie ihn einfach hier von dem Kissen ab. Es ist ein sehr grausamer Anblick. Können Sie sich vorstellen, welches verdammte Tier so etwas tut? Gibt es einen Vogel, der so etwas macht? Vielleicht ist ein Rabe im Kamin gefangen oder ein Schimpanse.«

»Ein Schimpanse?«, fragte ich zweifelnd.

Dr. Jarvis meinte: »Das ist gar nicht so weit hergeholt. Es gibt eine Geschichte von Edgar Allan Poe über einen Affen, der ein Mädchen ermordet und es in einen Schornstein hineinzwängt.«

»Gut, aber wer immer das hier getan hat, muss wirklich sehr wild sein. Es sieht mir eher nach einer Katze oder einer Ratte aus. Vielleicht ist das Tier völlig ausgehungert, weil es schon eine Weile dort gefangen ist.«

Wallis stand von dem Bett auf. »Ich hole meinen Revolver«, sagte er. »Wenn das Vieh da rauskommt, werde ich nicht schutzlos hier herumstehen.«

Draußen auf der Straße näherte sich eine Sirene. Jane drückte meinen Arm. »Sie sind da. Gott sei Dank dafür.«

Ein lautes Klopfen ertönte an der Haustür. Wallis ging hinunter, um zu öffnen. Wir hörten Schritte die Treppe heraufkommen und zwei Polizisten mit regennassen Hemden und Mützen betraten das kleine Schlafzimmer. Sie knieten neben Bryans Körper nieder, ohne uns andere auch nur anzuschauen, als wäre Bryan ihr ständig betrunkener Bruder, den sie heimholen wollten.

»Was soll das Kopfkissen über seinem Kopf?«, fragte einer von ihnen, ein Kaugummi kauender Italiener mit herabhängendem Schnurrbart. Er machte keinen Versuch, das Kopfkissen zu berühren oder den Körper zu bewegen. Wie die meisten der Polizisten an der Westküste hatte er ein gut ausgeprägtes Misstrauen, und eine der ersten Regeln, die er hatte lernen müssen, lautete: Berühre nichts, bevor du nicht weißt, was es ist.

Ich antwortete: »Wir haben das Haus untersucht. Es gab hier einige Geräusche, die Mr. Wallis sehr gestört haben. Mein Name ist John Hyatt und ich arbeite für das Gesundheitsamt. Das hier ist Jane Torresino und hier steht Dr. Jarvis vom Elmwood.«

Der Cop schielte rüber zu seinem Kollegen, einem jungen Iren mit blassgrauen Augen und einem über und über mit Sommersprossen bedeckten Gesicht. »Wie kommt es, dass das Gesundheitsamt noch so spät arbeitet?«

»Tja, also …«, erwiderte ich, »… das gehörte hier nicht zu den üblichen Erkundungen des Gesundheitsamtes. Sie können es eher eine private Arbeit nennen.«

»Was ist mit Ihnen, Doktor?«

Dr. Jarvis lächelte kurz und verkrampft. »Dasselbe gilt für mich. Ich bin hier nebenberuflich tätig.«

»Was ist denn hier eigentlich passiert?«

Ich räusperte mich und erklärte. »Also, meine Herren, das ist Bryan Corder. Er ist Ingenieur bei derselben Abteilung wie ich. Er ist Spezialist für Hausbau und arbeitet normalerweise an der Sanierung von städtischen Gebäuden und solchen Sachen. Wir haben ihn hierhergebeten, weil er sich auskennt mit eigenartigen Geräuschen und Luftströmungen und allem, was mit Trockenfäule zu tun hat.«

Der Polizist sah mich immer noch freundlich an, machte aber keine Anstalten, um den Kopfkissenbezug von Bryans Kopf zu ziehen.

»Er meinte, er hätte ein dumpfes Klopfen im Schornstein gehört«, flüsterte ich fast. »Er steckte seinen Kopf in den Kamin hinein, um es besser zu hören, und, nun ja … das hier ist das Ergebnis. Irgendetwas schien ihn anzugreifen. Wir haben nicht gesehen, was es war.«

Der Polizist blickte seinen Kollegen an, zuckte die Achseln und zog den Kissenbezug herunter.

Ein weiß-gold lackierter Cadillac-Krankenwagen raste durch den leichten Regen, um Bryan Corders Körper ins Elmwood Foundation Hospital zu bringen. Ich stand auf den Stufen des Hauses Nummer 1551 und sah ihn davonfahren. Neben mir zündete sich der Polizei-Lieutenant, der inzwischen eingetroffen war, um den Fall zu übernehmen, eine Zigarette an. Er war ein großer, grüblerischer Mann mit einem nassen Hut und einer schmalen Nase, und wenn er Fragen stellte, klang das höflich und ruhig. Er hatte sich als Lieutenant Stroud vorgestellt und dabei seine Dienstmarke hervorgeholt, wie ein Magier, der eine Papierblume aus dem Nichts der Luft zaubert.

»Tja«, meinte er sanft und blies Rauch aus: »Das war nicht gerade Ihr Abend, Mr. Hyatt.«

Ich knurrte: »Das können Sie laut sagen.«

Lieutenant Stroud rauchte eine Weile. »Kannten Sie Mr. Corder gut?«

»Wir haben in derselben Abteilung gearbeitet. Ich habe bei ihm einmal zu Abend gegessen. Moira ist Spezialistin für Nussplätzchen.«

»Nussplätzchen, hmm, das ist auch meine Schwäche. Ich nehme an, Mrs. Corder wird es hart treffen.«

»Ganz bestimmt. Sie ist eine sehr nette Frau.«

Oben wurde klappernd ein Fenster geöffnet und einer der Polizisten steckte den Kopf heraus. »Lieutenant?«

Stroud trat einen Schritt zurück und schaute hinauf. »Was ist los? Haben Sie etwas gefunden?«

»Wir haben den halben verdammten Kamin aufgerissen, Sir, und da ist absolut nichts. Nur getrocknetes Blut.«

»Keine Spuren von Ratten oder Vögeln? Kein Geheimgang?«

»Nichts, Sir. Sollen wir noch weitersuchen?«

»Noch ein wenig, Kollege.«

Das Fenster schloss sich geräuschvoll und Lieutenant Stroud wandte sich erneut der Straße zu. Die Wolken waren fast alle fortgezogen und am klaren Nachthimmel begannen die Sterne zu funkeln. Unten auf der Mission Street sauste und rauschte der Verkehr vorbei und aus dem oberen Fenster des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite ertönten die Klänge eines Halleluja-Chors.

»Sind Sie ein religiöser Mann, Mr. Hyatt?«, fragte Lieutenant Stroud.

»Mehr oder weniger«, antwortete ich vorsichtig. »Eher weniger als mehr, ich glaube, dass ich eher abergläubisch als gläubig bin.«

»Dann glauben Sie das wirklich alles … was Sie mir über das Atmen und die Herzschläge im Haus erzählt haben?«

Ich sah ihn aufmerksam an. Seine Augen glänzten und waren hellwach. Ich schüttelte den Kopf: »Tja.«

»Ich muss eine Reihe Alternativen in Betracht ziehen. Entweder starb Mr. Corder durch einen besonders bizarren und unwahrscheinlichen Unfall oder er wurde von einem Tier angegriffen, das im Kamin gefangen saß, oder aber er wurde von einem unbekannten Mann oder einer Frau angegriffen, die irgendwie in den Kamin gelangt waren. Vielleicht wurde er aber auch von Ihnen und Ihren Freunden getötet.«

Ich starrte auf den nassen Bürgersteig und nickte. »Das ist mir klar.«

»Natürlich gibt es auch noch die Möglichkeit, dass irgendein übernatürliches Ereignis stattfand, das irgendwie mit Ihren okkulten Nachforschungen im Hause zu tun hat.«

Ich schaute auf. »Sie ziehen das als eine Möglichkeit in Betracht?«

Lieutenant Stroud lächelte: »Nur weil ich Polizeibeamter bin, heißt das doch nicht, dass ich den Dingen dieser Welt völlig unaufgeschlossen gegenüberstehe. Und auch denen außerhalbdieser Welt. Eines meiner Hobbys ist Science-Fiction.«

Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich erwidern sollte. Vielleicht versuchte dieser große, höfliche Mann, mein Vertrauen zu gewinnen und mich zu der Aussage zu bringen, dass Dr. Jarvis, Jane und ich Bryan in einer verbotenen Zeremonie der Schwarzen Magie geopfert hätten. Aber sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Er wirkte intelligent, aber kühl. Er war der erste kultivierte Polizist, dem ich begegnete, und ich wusste nicht ganz, ob ich diese Erfahrung gern machte.

Ich drehte mich wieder zur Tür um und nickte in Richtung des wölfischen Türklopfers. »Was halten Sie denn davon?«

Er hob eine Augenbraue. »Ich habe ihn bemerkt, als ich eben ankam. Er sieht etwas unheimlich aus, nicht?«

»Mein Freund meinte, dass er wie ein Werwolf aussehe.«

Lieutenant Stroud trat etwas zurück. »Nun, damit kenne ich mich nicht aus, Mr. Hyatt. Ich interessiere mich zwar für Science-Fiction, bin aber kein Experte für Vampire und Dämonen und all diese Sachen. Im Übrigen bevorzugen meine Vorgesetzten Mörder aus Fleisch und Blut, die sie einbuchten können. Ich suche immer erst nach einer natürlichen Antwort, bevor ich an eine übernatürliche denke.«

»Natürlich, Sie sind Polizist.«

Die Haustür öffnete sich und Dr. Jarvis kam heraus. Er war blass und sah aus, als ob er den ganzen Abend Blut gespendet hätte. »John, kann ich Sie mal kurz allein sprechen?«

Lieutenant Stroud gab nickend seine Genehmigung. Dr. Jarvis führte mich in die Diele. Neben der Statue der Bärenfrau drehte er sich um und sah mich mit einem Gesichtsausdruck an, der noch geschockter und ernster war als zuvor.

»Was ist denn los? Sie sehen erschreckend aus.«

Er nahm ein Taschentuch heraus und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich konnte dem Lieutenant davon nichts sagen. Er wird es früher oder später aber doch herausfinden. Aber ich hätte lieber, dass er es von jemand anderem hört, von jemandem, der gerade dort ist.«

In diesem Moment kam Jane die Treppe herunter. Sie sagte: »Sie haben fast das ganze Schlafzimmer auseinandergenommen, aber nicht das Geringste gefunden. John, können wir jetzt gehen? Ich würde meine besten Klamotten für einen Gin-Orangensaft geben.«

»Jane«, sagte Dr. Jarvis. »Sie können ruhig zuhören. Sie waren dabei, als es passiert ist. Sie werden es zumindest glauben.«

Jane fragte stirnrunzelnd: »Was ist denn? Ist etwas passiert?«

Ich nutzte die Gelegenheit, um meinen Arm um sie zu legen und sie männlich beschützend zu drücken. Es ist seltsam, wie die sexuellen Instinkte eines Mannes weiterarbeiten, selbst in Augenblicken der Krise und des Grauens. Aber meine Glut war nicht gerade auf dem Siedepunkt. Und als Dr. Jarvis uns seine Neuigkeiten berichtete, fielen meine Hände zur Seite und ich stand da, erschrocken, erstarrt und erschauernd, überzeugt davon, dass das, was in Seymour Wallis’ Haus vor sich ging, mit jeder vergehenden Stunde düsterer, mächtiger und bedrohlicher wurde.

»Gerade hat das Elmwood angerufen. Sie haben Ihren Freund Bryan Corder sofort ins Leichenhaus gebracht und mit der Leichenöffnung begonnen.«

»Haben sie herausgefunden, woran er gestorben ist?«, fragte Jane.

Dr. Jarvis schluckte verlegen. »Nein, sie konnten es nicht herausfinden. Trotz der Verletzung seines Kopfes ist er klinisch noch nicht tot.«

Mein Unterkiefer klappte dumm herunter. »Er lebt noch?Das kann doch nicht sein!«


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