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Das Atmen der Bestie
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 06:01

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Автор книги: Graham Masterton


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Триллеры


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6

Wolken waren vom Ozean her aufgezogen und als wir die Mission Street erreichten, war der Tag, der so herrlich begonnen hatte, feucht und trüb geworden. Das Taxi setzte uns vor 1551 ab und mit einem Gefühl der Furcht standen wir auf dem abschüssigen Bürgersteig und blickten wieder auf das tote, marode Haus, das uns einfach nicht loslassen wollte.

George Thousand Names sagte: »Was gleich auch passieren wird, ich möchte, dass Sie meinem Wissen und meiner Erfahrung einfach vertrauen und tun, was ich Ihnen sage. Es könnte den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.«

Ich lachte nervös. »Sie haben ja eine Art, die Dinge auszusprechen, dass selbst die ängstlichen Herzen ermuntert werden.«

Er sah mich prüfend an: »Sie tun einfach, was ich sage, ja?«

»Sie sind der Boss!«

Wir öffneten das quietschende Tor und gingen die Stufen zur Eingangstür hoch. Die Bruchstücke des Türklopfers waren verschwunden, obwohl man auf der alten grauen Lackierung noch erkennen konnte, wo er befestigt gewesen war, bis George Thousand Names ihn zerstört hatte. Irgendwie spürte man ihn noch. Das Wort »Rückkehr« war verschwunden.

Ich drückte gegen die Tür, aber sie schien verschlossen zu sein.

»Vielleicht hat die Polizei abgeschlossen«, sagte ich. »Die SWAT-Leute könnten irgendwann hier gewesen sein.«

Ich trat einen Schritt zurück und starrte nach oben. Das Haus wirkte grimmig und unter den dichten Wolken wie eine starre Fotografie. Es lag ein Gefühl in der Luft, dass etwas Dunkles und Unangenehmes passieren würde, und ohne es verhindern zu können, erschauerte ich.

Eine Sekunde lang schien in einem der oberen Fenster etwas zu flackern. Es war bleich und zeigte sich nur einen kurzen Moment. Aber ich krallte mich in George Thousand Names’ Schulter: »Ich habe etwas gesehen. Sie sind da drin. Ich schwöre es.«

Der alte Indianer schaute hoch in den Himmel und man hörte das Dröhnen eines Flugzeuges aus der Richtung des SF-International-Flughafens. »Es war nur eine Spiegelung von dem Flugzeug. Sie müssen sich nicht selbst verrückt machen.«

»George, da ist etwas imHaus.«

Er starrte mich an. Uns trennten 40 Jahre und zwei unterschiedliche Kulturen, und ich vermutete, dass diese Lücke sich niemals wirklich überbrücken lässt. Aber irgendetwas arbeitete zwischen uns, eine Art Vertrauen, und dafür war ich dankbar.

Wir näherten uns wieder der Tür. George Thousand Names streckte die Hand nach dem Griff aus. Er murmelte schnell einige Worte beim Ausatmen und vollführte mit der linken Hand drei Bewegungen; die Tür klickte und sprang auf. Drinnen herrschte die bekannte staubige, abstoßende Dunkelheit und ich roch wieder diesen faden Geruch, der mich bis zu dem Moment meines Todes an 1551 Pilarcitos Street erinnern wird. Der Indianer sagte: »Los«, und wir traten ein.

Zuerst überprüften wir die unteren Räume. Seymour Wallis’ Büro, das Esszimmer, die verlassene Küche. Im Wohnzimmer, durch die vorgezogenen Vorhänge in Düsternis getaucht, sahen wir die gespenstisch wirkenden Tücher, die zum Staubfangen über die Möbel geworfen worden waren, eine kupferfarbene Uhr still unter ihrer Glasglocke und einige Ölgemälde mit seltsamen Hetzjagden durch albtraumartige Landschaften, die jedoch so dunkel waren, dass es nahezu unmöglich war, Einzelheiten zu erkennen. Das Haus um uns herum war dermaßen still, dass wir den Atem anhielten und uns so leise wie möglich bewegten.

Wieder zurück in der Diele, blieb George Thousand Names stehen und lauschte angestrengt. Er runzelte die Stirn: »Hören Sie was? Irgendetwas?«

Ich stand still und horchte angespannt. »Nein, ich glaube nicht.«

»Ich spüre, dass wir beobachtet werden«, sagte er. »Wer immer es ist, was immer es ist, es weiß, dass wir hier sind.«

Wir blieben noch einige Augenblicke still stehen, schauten auf die alte Tapete mit all den hellen Flecken, wo die Bilder vom Mount Taylor und Cabezon Peak bis vor Kurzem noch gehangen hatten, aber das Haus blieb so still, dass ich zu glauben begann, wir hätten uns geirrt. Vielleicht wares leer und was ich am Fenster gesehen hatte, war wirklich nur die Reflexion eines Flugzeuges gewesen. Ich musste ein paarmal wegen des Staubes niesen und putzte mir schließlich die Nase.

Als ich mein Taschentuch in die Hose stecken wollte, schaute ich die Treppenstufen hinauf und erstarrte förmlich. Ein schmales Gesicht beobachtete mich von der obersten Stufe aus.Ein böses, haariges Gesicht mit rot leuchtenden Augen und einem Grinsen, so wölfisch und unheilvoll, dass ich mich nicht bewegen, nicht sprechen, nicht nach Georges Arm greifen konnte, um ihn zu warnen.

Es war der Türklopfer. Der lebendige Türklopfer. Er bestand wieder aus einem Stück und er war noch widerlicher und schrecklicher als zuvor.

George Thousand Names bemerkte plötzlich, dass ich die Treppe hochstarrte, und er schaute auch hin. Bevor er irgendetwas tun konnte, knallte es laut und der Türklopfer zersprang in matte Bronzestücke, die die Stufen herunterrollten, hopsten und klapperten.

Die Teile blieben auf dem Boden der Diele liegen. Der Medizinmann schaute sie mit nüchternem Gesichtsausdruck an. »Das ist Coyotes Art, eine Warnung zu erteilen. Er zeigt mir, dass er alles, was ich tue, einfach wieder rückgängig machen kann.«

»Wir werden doch nach dieser Show nicht nach oben gehen?« Meine Kehle war völlig ausgetrocknet.

»Ich weiß nicht, was wir sonst tun könnten.« Er schnüffelte. »Riechen Sie etwas?«

Ich roch nichts Besonderes, aber ich sagte: »Hunde?«

»Kommt mir auch so vor. Es ist noch schwach, aber es scheint von dort oben zu kommen.«

Der Indianer setzte einen Fuß auf die erste Stufe, aber ich hielt seinen Arm fest und sah ihm direkt ins Gesicht. »George, ich muss es Ihnen sagen: Ich habe eine Scheißangst.«

Einen Moment schwieg er, dann nickte er und gestand: »So geht’s mir auch.«

Langsam, ruhig, stiegen wir die Stufen hinauf, bis zur ersten Etage. Vor uns lag das Zimmer, in dem Bryan Corder das Fleisch vom Kopf gerissen worden war. Am Ende des Ganges lag ein Fenster, aber es war so verdreckt und fleckig und draußen der Himmel so bewölkt, dass nur ganz schwach etwas Licht hereindrang. Nun, Coyote liebte einfach die Finsternis.

Wir sahen uns an. »Sollen wir die Räume überprüfen?«, fragte ich.

»Es wäre besser.«

Wir gingen zum ersten Schlafzimmer, zögerten und stießen dann die Tür auf. Es war ein stilles, trübes Zimmer mit einem baufälligen Messingbett und einem dieser schweren Walnussschränke, die immer wirken, als seien sie mit seltsamen Tiergesichtern bedeckt. Ich sah mich selbst im Spiegel der Frisierkommode und stellte plötzlich fest, wie kaputt und blass ich aussah. Zwei Tage voller Schrecken und Anspannung sind fürs gute Aussehen nicht gerade förderlich.

»Hier ist nichts«, flüsterte George. »Es sei denn, jemand versteckt sich unter dem Bett.«

»Werden Sie nachsehen?«

Er brachte ein spitzbübisches Grinsen zustande. »Sie denn?«

»Vergessen Sie das. Wir werden beidenachsehen.«

Wir knieten uns hin, hoben die Bettdecke hoch und spähten in die schattige Finsternis unter dem Bett. Außer Staub war da nichts.

»Okay«, sagte er. »Versuchen wir es in den übrigen Zimmern.«

Eine nach der anderen stießen wir die Türen auf und schauten nervös hinein. In allen Schlafzimmern war es still, kalt, alles unberührt, doch wir spürten die Bedrückung und sahen die Schmuddeligkeit. Hier konnten niemals glückliche Leute gewohnt haben – nicht mit der bösen Präsenz von Coyote in den Wänden und Zimmerdecken und Kaminen; nicht mit dem gespenstischen Atem des Dämons, der in den Nächten unter jeder Tür hindurchhechelte … Das Unglück dieser Menschen zeigte sich in der spartanischen Möblierung und den unpassenden, farbenfrohen Bildern. An einer Wand hing die Fotografie einer Mimose. An einer anderen ein Gemälde, auf dem Kinder um einen Maibaum tanzten. Irgendwie unterstrichen alle diese Bilder nur die eisige Atmosphäre der Angst, die aus jeder Wand zu tropfen schien, die dunkle Bedrohung, die jede Nacht unter diesem Dach zu einem Karneval der Albträume gemacht haben muss.

»Wir gehen besser weiter nach oben«, sagte der Indianer. »Es gibt noch ein Stockwerk und dann den Dachboden.«

Ich atmete tief durch. »Okay, wenn Sie darauf bestehen. Aber wenn wir zum Dachboden kommen, dann werfen wir eine Münze, wer von uns zuerst reingehen darf.«

Wir gingen den Gang wieder zurück und wollten gerade in den dritten Stock hochgehen, als wir plötzlich Stimmen hörten. Sie kamen von unten aus dem Eingangsbereich. Eine Frau und ein Mann. Einen Augenblick erstarrte ich, lehnte mich dann aber über das Treppengeländer und sah Jim und Jane in der Diele stehen.

Jim sagte gerade: »Sie müssen schon hier gewesen sein. Die Tür steht weit offen.«

»Vielleicht waren sie es«, sagte Jane. »Aber das macht nichts. Viel wichtiger ist, dass du hier bist.«

Ich drehte mich zu George Thousand Names um. » Sieist es«, zischte ich. »Sie hat Dr. Jarvis mitgebracht.«

Er drückte mich vorsichtig in eines der Schlafzimmer zurück. Er schloss die Tür und sah mich lange und nachdenklich an. »Das bedeutet, Coyote muss hier sein, in diesem Haus. Sie hat Jim wahrscheinlich als Opfer mitgebracht. Ein kleines Hochzeitsgeschenk von der Bärenfrau für Coyote. Ein ziemlich üppiges Mal für einen Dämon, der Hunderte von Jahren tot war.«

Ich presste mein Ohr gegen die Tür. Ich konnte hören, wie Jane und Jim die Treppe hochkamen. Sie sprachen mit gedämpften Stimmen. »Was können wir tun?«, flüsterte ich.

George Thousand Names legte den Finger an seine Lippen und sagte: »Warten Sie.«

Jane und Jim erreichten die erste Etage und gingen die nächsten Stufen hinauf. Jim fragte: »Bist du sicher, dass John gesagt hat, er will uns hier oben treffen? Das ist doch irgendwie seltsam.«

»Aber ja«, erklärte Jane. »Ist die ganze Geschichte denn nicht seltsam?«

Als sie an unserer Tür vorbeigingen, öffnete George Thousand Names die Tür und trat auf den Gang. Ich folgte ihm, mein Herz pochte und meine Kehle war vor Angst zugeschnürt.

»John! Du bist hier?«, sagte Jane lächelnd. »Was geht hier vor? Versteckenspielen?«

George Thousand Names grollte: »Nicht bewegen!«

»Was?«

»Nicht bewegen, Jim. Bleiben Sie stehen, wo Sie sind! Die Frau ist gefährlich!«

Jane sah mich und dann George Thousand Names an, als begreife sie wirklich nicht, was wir meinten.

Ich sagte: »Jane?«Ihr Gesicht schimmerte ungewöhnlich bleich und ihre Augen waren so blank wie zwei Hälften einer Venusmuschel. Es war kein Kratzer von dem Schnitt zu sehen, den ich ihr auf der Stirn zugefügt hatte – aber nach allem, was ich in den letzten beiden Tagen erlebt hatte, hielt ich Coyote für fähig, alles zu heilen und zusammenzuflicken, was er nur wollte.

»John …«, sagte Jane mit schleppender Stimme. »Wie schön, dich zu sehen …«

George Thousand Names fiel ihr ins Wort: »Antworten Sie nicht. Jim, sagen Sie nichts. Sie ist jetzt nicht menschlich, und alles, was Sie sagen, kann ihr helfen, Sie zu töten.«

Jim krauste die Stirn. »Nicht menschlich?Was zum Teufel wollt ihr …?«

»Den Mund halten!«, schrie der Medizinmann. Dann ruhiger: »Bitte seid still, ich muss nachdenken.«

Jane blieb in der Düsternis des Flurs stehen, aufrecht und sehr angespannt. Als ich sie ansah, schien sich ihr Gesicht langsam zu wandeln und zu verflüssigen wie ein weißes Gesicht unter fließendem Wasser. Ich wusste, dass sie nicht Jane war – nicht die Jane, die ich kannte. Aber sie war ihr so ähnlich, dass ich nichts anderes als Zuneigung für sie empfinden konnte. Fast ungewollt machte ich einen Schritt vorwärts, aber George Thousand Names war schnell und hielt mich am Ärmel fest.

»Ich weiß, was Sie empfinden«, sagte er sanft. »Aber Sie müssen Geduld haben.«

Plötzlich lachte und schnaubte Jane zur selben Zeit. Es war ein so erschreckender Klang, dass Jim trotz der Ermahnung von George Thousand Names zur Seite sprang. Vor unseren Augen zerschmolz und veränderte sich Jane wie eine Fotografie, auf die man eine andere legt, eine nach der anderen, bis ich sehen konnte, dass schwarze Haare ihre Hände bedeckten und ihre Nägel zu Krallen wurden.

Jim sagte: »Oh mein Gott …«

Aber George Thousand Names hatte diesen schwächeren Dämon unter Kontrolle. Er hob eines seiner Amulette und die Bärenfrau wurde gegen die Wand des Ganges geworfen. Sie schnaubte und brummte, ihre Augen schimmerten auf und waren rot.

»Ich befehle dir, mir zu gehorchen«, sagte George Thousand Names. »Bärenjungfrau aus dem Südwesten, Schwester derer, die dich liebten, ehrenwert, bis Coyote dich verführt hat. Ich befehle dir, mir zu gehorchen.«

Die Bärenfrau stand auf ihren zottigen Hinterpfoten und brüllte, ihre Augen funkelten teuflisch. Zur vollen Größe aufgerichtet, berührte sie fast die Decke, und ich war mir nicht mehr so sicher, ob George Thousand Names sie unter Kontrolle zu halten vermochte.

Der Medizinmann hob beide Hände und brüllte: »Dein Geist und dein Wille sind mein. Ich befehle dir, mir zu gehorchen!«

Jim schüttelte vor lauter Angst den Kopf. »Ich kann es nicht glauben«, flüsterte er. »Diese Frau war in meiner Wohnung. Ich habe diese Frau geküsst.Wir haben zusammen Drinks gehabt.«

Einen Augenblick lang schwankte George Thousand Names. Ich spürte seine schwindende Kontrolle. Ich vermute, unsere gemeinsame Nervosität und unsere nachlassende Hoffnung waren keine große Hilfe für ihn; und die Anstrengung, ein Monstrum wie die Bärenfrau zu bändigen, musste riesenhaft sein.

»Sagt nichts«, zischte er. »Sagt nichts, sagt nichts.«

»Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Jim mit hohler, ängstlicher Stimme.

Die Kontrolle zerriss. Ich spürte es förmlich. Wie ein Damm aufbricht, wie eine Flut heranrollt. Mit einem schauderhaften Knurren sprang die Bärenfrau vorwärts, ihr massiger Körper traf Jim. Ihre Kiefer gruben sich mit einem Geräusch, das mich immer noch eiskalt durchfährt, in seinen Nacken. Jim kreischte in Todesangst auf; sie riss ihm mit einer einzigen Bewegung ihres massigen Kopfes die blutige Haut von Nacken und Brust. Jim fiel auf den Boden, zuckte, während sie sich mit funkelnden Augen George und mir zuwandte.

»Stopp!«,rief George Thousand Names und hob wieder seine Arme. »Bei den Mächten des Großen Geistes, bei den Mächten der Wiesen und Wälder, stopp!«

Die Bärenfrau schnaubte und stieß mit dem Kopf hin und her. Dann brummte sie wieder, aber etwas sanfter, drehte sich um und ließ sich auf alle viere nieder. Der Medizinmann ging auf sie zu und hielt dabei sein Amulett vor sich.

»Ich befehle dir, mir für eine Nacht und einen Tag durch den unzerbrechlichen Bann des Größten all derer, die in Sa-nos-tee gelebt haben, zu gehorchen. Ich befehle dir, mir zu gehorchen. Bis die Sonne zum zweiten Mal sinkt, wirst du mich nicht angreifen. Dies befehle ich dir im Namen der Navahos der alten und der Hualapai der uralten Zeiten. Jetzt sei ruhig und schlafe.«

Die Bärenfrau schnaubte noch einmal, sank dann aber auf ihren Hintern. Kurz darauf schlossen sich die roten Augen. Sie schlief ein.

Ich sah George Thousand Names an, beeindruckt, aber ich sah auch, welchen Tribut diese Magie von ihm gefordert hatte. Sein Gesicht war in Schweiß gebadet und er zitterte.

Ich kniete mich neben Jim nieder. Seine Augen waren noch geöffnet, doch sein Körper war völlig versteift in Schockstarre. Aber er lebte noch.

»Jim«, sagte ich sanft. »Wie geht es dir?«

Er flüsterte: »Ich glaube, mein Nacken ist gebrochen. Bring mich nur nach Elmwood … Ich glaube, da kriegen wir es wieder hin.«

Der Indianer sagte: »Im Schlafzimmer steht ein Telefon. Machen Sie schnell, John, Coyote ist da oben, und er wird all das beobachten.«

Während George Thousand Names ungeduldig und ängstlich auf dem Treppenabsatz wartete, wählte ich die Nummer vom Elmwood und ließ mich mit Dr. Weston verbinden. Ich erzählte ihr, dass Jim Jarvis einen schweren Unfall hatte und bat sie, sofort einen Krankenwagen herzuschicken.

»Das hat doch nicht irgendetwas mit dem zu tun, was vergangene Nacht hier im Elmwood passiert ist, oder?«, fragte sie.

Ich sah, dass der Medizinmann abwinkte. »Ich werde das später alles erklären. Ich hab jetzt keine Zeit. Aber, bitte, schicken Sie den Krankenwagen schnell her.«

»Machen Sie schon!«,drängte George Thousand Names. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«

»Ich muss auflegen. Hier geht es drunter und drüber.« Dann legte ich den Hörer auf die Gabel und folgte George Thousand Names auf den Gang. »Was soll ich tun?«

»Halten Sie sich dicht bei mir. Und was immer Sie tun, geraten Sie nicht in Panik. Wenn Coyote noch da oben ist, dann werden Sie gleich glauben, Ihr Hirn wird Ihnen aus dem Kopf gerissen. Aber halten Sie durch. Wenn Sie sich zusammenreißen, dann werden Sie das überleben.«

Ich schaute ein letztes Mal voller Sorge nach Jim, der blutüberströmt auf dem Fußboden lag, und auf die dunkle, pelzige Masse der schlafenden Bärenfrau – dann folgte ich dem Indianer die Treppe hinauf in die zweite Etage. Dort oben war es noch dunkler als in der ersten und von irgendwo drang Zugluft herab, eine Luft, die ich sogar riechen konnte. Eine Zugluft, die nach Hund stank.

George Thousand Names ging langsam vor mir her. Ab und zu blieb er stehen, um zu lauschen. Es wurde so düster, dass wir kaum sehen konnten, wohin wir eigentlich gingen. Alles, was mir als Wegweiser diente, war das alte Treppengeländer auf der einen und die feuchte Tapete auf der anderen Seite. Der Hundegestank wurde stärker, je höher wir kamen, und auf dem zweiten Treppenabsatz war er fast unerträglich.

»Ja, Coyote ist ganz sicher hier«, flüsterte George. »Er muss sich auf dem Dachboden versteckt haben, um den Einbruch der Nacht abzuwarten. Aber er ist hier.«

Wir betraten den letzten Treppenabsatz und starrten nach oben, um die Dachluke zu finden. George Thousand Names sagte leise: »Er weiß, dass wir hier sind. Hören Sie, wie ruhig es ist? Er wartet darauf, was wir als Nächstes tun.«

Ich fühlte mich elend und voller Angst. »Wenn es nach mir ginge, sollten wir fortlaufen.«

»Ssschht! Horchen Sie!«

Ich erstarrte und lauschte. Erst konnte ich nichts hören, aber dann drang ein kratzendesGeräusch an meine Ohren. Es schien von überall zu kommen, aber George Thousand Names hob einen Finger und deutete hoch zur Decke.

»Und was tun wir jetzt?« Meine Stimme klang heiser.

George Thousand Names winkte, dass ich ihm folgen sollte. Wir gingen noch einige Schritte den Treppenabsatz entlang, bis wir unter der Falltür des Dachbodens standen. Eine ausgefranste Schnur hing an der Wand herunter. Ich vermutete, dass man damit eine von diesen zusammenschiebbaren Leitern herabziehen konnte.

»So«, sagte der alte Indianer ruhig, »jetzt haben wir den Dämon in seiner Höhle.«

Ich hustete und schaute angespannt auf die Falltür. Das Kratzen ging weiter, leise und beständig und gruselig, wie der Fingernagel von jemandem, der lebendig begraben ist und hoffnungslos am Deckel seines Sarges kratzt. »George, ich glaube wirklich nicht, dass ich da rauf möchte.«

Er schaute mich missbilligend an. »Wir müssen. Verstehen Sie nicht, wer das ist? Das ist Coyote! Dieser Dämon ist der Moby Dick eines jeden Medizinmannes! Ich könnte seinen Skalp an das Geländer meiner Veranda hängen, zusammen mit den Fellen und den Schneeschuhen! Den Skalp von Coyote, dem Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte.«

»George«, sagte ich ängstlich, »ich bin hier nicht auf der Jagd nach einem Skalp. Ich mache hier mit, weil unschuldige Menschen sterben müssen, falls wir nicht etwas unternehmen!«

»Sie sind kein Heiliger, und es ist nicht gut, so zu tun als wäre man einer«, erwiderte er, und in seiner Stimme lag mehr als nur eine Prise Schärfe.

»Das bin ich sicher nicht … Aber ich bin auch kein Kopfjäger.«

»Wir wussten, dass sich dies ereignen würde. Beim letzten Großen Rat der Medizinmänner in Towaoc im Reservat der Ute Mountains haben viele der weisen Männer gesagt, dass sie Warnungen und Vorzeichen gesehen hätten. Die grauen Vögel sind gesichtet worden, und die alten Stimmen wurden auf dem Superstition Mountain gehört, was seit der Bestattung von Red Cloud nicht mehr vorgekommen war. Außerdem waren die Kojoten und die Hunde so ruhelos, als ob sich ein Sturm zusammenbrauen würde.«

»Sie wussten,dass Coyote kommen würde? Warum haben Sie das denn nicht früher gesagt?«

»Wir wussten es nicht. Wir haben es vermutet. Aber für mich wird es eine große Ehre sein, Coyote zu besiegen. Ich werde als einer der größten Magier aller Zeitalter gelten, der vergangenen und der gegenwärtigen. Und dann werde ich etwas tun, was ich mir schon seit Jahren inständig wünsche. Ich werde die Medizinmänner in einem starken und mächtigen Rat wieder vereinigen und der indianischen Magie wieder den Ruhm zukommen lassen, den sie einst besaß, in den lang vergangenen Tagen, als das Gras frei wuchs und die Stämme noch Würde und Stärke besaßen. Die Zeichen sagten, dass Coyote in dem Monat kommen wird, in dem die Gänse ihre Federn abwerfen, und er kam.«

Ich starrte in dem trüben Licht des Treppenabsatzes in George Thousand Names’ Gesicht und ich begriff jetzt, was er meinte. In der heutigen Zeit gab es keine Möglichkeit für einen Medizinmann, seine Macht zu beweisen, keine Prüfung, die seiner Magie würdig gewesen wäre. Was nützte die alte Kunst, Büffel zu hypnotisieren, wenn Büffel nur noch im Zoo existierten? Was nützte die Macht, einen Speer ungewöhnlich gerade fliegen zu lassen in einer Welt voller Gewehre und Tränengas? Deshalb genoss George Thousand Names seinen Kampf mit Coyote so sehr. Es spielte keine Rolle, wie gemein und grausam Coyote war, er war die Herausforderung für Georges eingeschnürte Talente.

»In Ordnung«, sagte ich. »Wir bringen es besser hinter uns.«

Er griff mit seiner alten, dürren Hand nach meiner Schulter. »Falls es der Große Geist für angebracht hält, uns zu sich zu nehmen, mein Freund, dann lassen Sie uns an die guten und nicht an die bösen Worte zurückdenken.«

»Okay, es ist Ihr Auftritt.«

Ich zog an der Schnur, die von der Falltür herabhing. Sie schien zu klemmen, aber als ich fester zog, kam die Tür mit einem rostigen Knarren herab und die unteren Stufen sanken uns automatisch entgegen. Aus der dunklen Leere über uns strömte ein heißer, stinkender Lufthauch, und wir hörten deutlich das ruhelose Kratzen und Scharren, als ob etwas oder jemand ungeduldig auf uns wartete.

»Lassen Sie mich zuerst gehen«, sagte George Thousand Names. »Ich habe die Macht, das Schlimmste von uns abzuhalten.«

»Glauben Sie bloß nicht, dass ich mich vordrängeln wollte.«

Der Medizinmann griff nach der Leiter, die wackelte und knarrte, bis sie schließlich auf dem Boden des Treppenabsatzes zur Ruhe kam. Dann, Stufe für Stufe, stieg er langsam hinauf, doch ab und zu blieb er stehen, lauschte und spähte. Sein Kopf und seine Schultern verschwanden im Dunkeln.

»Himmel, kommen Sie nicht so zurück wie Bryan Corder.«

»Er ist hier. Er ist auf dem Dachboden. Gibt es da unten einen Lichtschalter? Ich spüre ihn. Ich kann ihn riechen. Machen Sie Licht!«

Ich sah mich um; an der entgegengesetzten Wand gab es einen alten Bakelitschalter. Ich drückte ihn herunter und eine schwache, staubige Glühbirne flammte oben im Dachboden auf.

George Thousand Names schrie. Er fiel von der Leiter. Sein alter Körper schlug schwerfällig auf den Boden.

Für einen Augenblick dachte ich, er sei tot, aber dann brüllte er: »Schließ die Tür! Schließ die Tür! Schließen Sie die Tür, bevor es zu spät ist.«

Ich packte das untere Ende der Leiter und schob sie nach oben, aber an einer Seite blieb sie an der Deckenöffnung stecken. Ich kletterte schnell vier oder fünf Stufen rauf und zerrte, so kräftig ich konnte, um sie freizubekommen.

In dem Augenblick sah ich Coyote. Ich sah nicht viel. Er befand sich am äußersten Ende des Speichers, wo das Licht kaum hindrang, aber der gesamte Boden wimmelte von Tausenden und Tausenden kränklicher grauer Vögel, die herumhüpften und flatterten und mit ihren Krallen über den Boden kratzten. Es war fast unmöglich, irgendeinen Umriss, irgendeine Form zu erkennen, aber durch die flatternden Vogelmassen der Grauen Traurigkeit konnte ich etwas Schwarzes und Enormes ausmachen. Dämonische Augen glühten in einem borstigen Gesicht und eine schreckliche, bestienähnliche Präsenz kam mir entgegen, die böser und hässlicher war als alles, was ich mir überhaupt jemals hätte vorstellen können.

Auf dem Boden des Speichers, nicht weit von mir entfernt, stand die Statue der Bärenfrau, aber jetzt war es keine Statue mehr, sondern eine winzige lebende Nachbildung der riesigen Bärenfrau, die hier unten im Haus schlief. Die Figur drehte sich um und grinste mich mit blanken Zähnen an, dann eilte sie wie eine Ratte in den schattigen Schutz ihres Meisters zurück, zu dem Dämon Coyote.

Ich erkannte, warum George Thousand Names geschrien hatte. Coyote, dessen schräge Augen vor Hass glimmten, war dabei, dort in der düsteren Ecke des Dachbodens seinen Körper zu öffnen, und in der halben Sekunde, die ich in der Falltür stand, sah ich, dass sich etwas aus seiner Seite entrollte, fettig und blass und zappelnd wie Millionen von Maden.

Ich kam 50-mal schneller die Leiter herunter, als ich sie hochgestiegen war. Mein Kreislauf war so mit Adrenalin vollgepumpt, dass ich die unterste Sprosse packte und die Falltür mit einem heftigen Knall nach oben schwang. Dann hob ich George Thousand Names vom Boden auf und zog ihn auf dem Treppenabsatz rückwärts fort.

Als wir an die Treppenstufen gelangten, keuchte der Medizinmann: »Warte, warten Sie, er wird uns jetzt noch nicht folgen.«

» Warten?Ich werde so schnell ich kann aus diesem verfluchten Haus verschwinden. Haben Sie das Vieh gesehen? Haben Sie’s gesehen?«

George Thousand Names widersetzte sich meinem Ziehen. »John«, sagte er, »John, Sie dürfen das Haar nicht vergessen. Sie dürfen Big Monsters Haar nicht vergessen.«

»Weshalb denn?«

»John, es ist die einzige Möglichkeit, ihn zu bekämpfen. Wenn wir das Haar zuerst finden, dann haben wir zumindest noch eine Chance.«

Ich ließ ihn los und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand. Oben auf dem Dachboden konnte ich durch die dünne Decke Geräusche hören, von denen ich mir nicht vorzustellen wagte, was sie verursachte. Schleimige, leise, kratzende, behäbige Geräusche.

»George, ich bitte Sie. Lassen Sie uns jetzt verschwinden. Ich kann ja Bärenmenschen ertragen, aber das Vieh da oben nicht.«

»Warten Sie. Denken Sie daran, was das Symbol sagte. Schau nordwärts von der Zeltstange aus. Dort ist Big Monsters Haar versteckt.«

Ich hob meine Hände in Ergebenheit. »Okay. Und wo ist jetzt Norden?«

Er fummelte in seiner Tasche herum und holte eine kleine, runde Dose heraus.

»Was ist das? Noch ein Zaubertrick?«

Er öffnete ein Auge. »So was in der Art. Es ist ein Kompass.«

Es kostete uns einige Momente, um zu lokalisieren, wo Norden lag, denn sobald sich Coyote oben auf dem Dachboden bewegte, zitterte und schwankte die Kompassnadel. Aber wir schafften es.

George Thousand Names wies auf eines der schmutzigen Fenster am anderen Ende. »Da ist es. Das ist das Nordfenster.«

Wir liefen zum anderen Ende des Treppenabsatzes und schauten hinaus. Zunächst war da der graue Ausblick auf die Hinterhöfe der Häuser in der Mission Street, aber hinter ihnen ragte ein Wahrzeichen hervor. Es stand hoch und fest da, eingehüllt in niedrigem Nebel. Seine Pfeiler und Drahtseile glänzten in dem grauen Licht des Morgens. Die Golden Gate Bridge.

George Thousand Names atmete tief aus: »Das ist es. Dort ist das Haar versteckt.«

»Die Brücke? Wie kann man denn Haare auf einer Brücke verstecken?«

Er lächelte mich triumphierend an. »In den Legenden heißt es, dass Big Monsters Haar so grau wie Eisen ist und so stark wie eine Peitsche.«

Ich lauschte beunruhigt den Geräuschen Coyotes, der sich über uns auf dem Dachboden bewegte. »Was beweist das denn? Das bedeutet für mich überhaupt nichts.«

George Thousand Names packte meinen Arm fest, um meine Aufmerksamkeit zu wecken. Er sagte eindringlich: »Wo würden Sie etwas verstecken, das so grau wie Eisen und so stark wie eine Peitsche ist?«

»Hören Sie, George. Ich weiß es wirklich nicht. Ich meine, wir sollten besser …«

»John, denken Sie nach!«

Ich befreite meinen Arm. »Verdammt, ich kann nicht mehr denken! Ich will nur noch raus aus diesem Haus, bevor die Falltür runterkommt und dieser Dämon runterspringt, um das zu tun, was Dämonen gewöhnlich so tun. Ich habe kein Interesse an Skalps, George. Das war’s. Ich will hier raus!«

In diesem Augenblick schwebte eine Wolke Mörtelstaub von der Decke herab. Ich hörte, wie die Balken unter dem Gewicht von etwas Unaussprechlichem krachten. Die Luft wurde erfüllt von dem trockenen Klang schlagender Flügel, als die Graue Traurigkeit um ihren abscheulichen Herrn herumschwirrte.

»Denken Sie nach!«, fuhr er mich an. »Denken Sie nach!«

»Treiben Sie keine Spielchen mit mir!«, schrie ich ihn an. »Sagen Sie es doch!«

George Thousand Names deutete auf die Golden Gate Bridge. Seine Augen waren kalt und fiebrig. »Draht!«, sagte er. »Das Haar von Big Monster muss wie Draht aussehen!«

»Draht? Aber der einzige Draht an der Brücke sind die Drahtseile. Glauben Sie, dass es in die Aufhängungen eingeflochten ist? In die Golden Gate Bridge? George, Sie müssen verrückt sein!«

Er schüttelte heftig den Kopf. »Das ist die Art von Scherz, den die Alten so liebten. Vielleicht taten sie es, um Coyote zu erniedrigen. Oder, damit er nicht entdeckt, wohin das Haar verschwunden ist. Sie konnten Scherze in der Zukunft wie auch in der Vergangenheit machen. Ich vermute, dass sie beim Bau der Brücke das Haar von Big Monster mit eingeflochten haben. Vielleicht hat ein Indianer in der Drahtseilfabrik gearbeitet. Möglicherweise hatte er diesen Auftrag, der von Generation zu Generation überliefert wurde und den er dann ausführte. Vielleicht ist es auch durch einen mächtigen Zauber geschehen. Ich weiß es nicht. Aber ich weiß genug über die alten Götter und was sie zu tun pflegten, John. Und glauben Sie mir, dort ist Big Monsters Haar versteckt.«

»Ach, hören Sie auf damit, George«, erwiderte ich nervös. »Sie vermuten es ja nur.«

»Nein, keine Vermutungen. Schauen Sie!«

Was ich bisher nicht gesehen hatte, war ein winziges Symbol, das in das Fensterglas eingraviert war. Es war dasselbe Symbol, das ich gezeichnet hatte, als ich die Blickwinkel vom Mount Taylor und Cabezon Peak zusammenstellte.


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