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Froschzauber
  • Текст добавлен: 6 октября 2016, 19:19

Текст книги "Froschzauber"


Автор книги: Cecilia Busby


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Der Gaga-Zauber

Olivia hatte Hunger, Langeweile und bloß ein kleines bisschen Angst. Das war keine gute Mischung. Es kam ihr vor, als säße sie seit Stunden in Sir Richards Zimmer fest. Bestimmt war die Mittagszeit vorbei. Wahrscheinlich war es schon lange Zeit für Kuchen.

Sie hatte aus dem Fenster gebrüllt und gegen die Tür gehämmert. Aber das Fenster lag zu hoch und draußen waren der Lärm und die Musik zu laut. Zwar hatten sie ein paar Leute am Fenster bemerkt, doch offensichtlich hatten sie geglaubt, Olivia würde der Menge zuwinken. Also hatten sie fröhlich zurückgewinkt. Und die Tür war dick und aus Eiche. Wenn Olivia mit den Fäusten oder sogar einem Stuhlbein auf sie einschlug, war nicht mehr als ein schwaches, dumpfes Pochen zu hören, das keiner bemerkte.

Olivia seufzte und fragte sich zum hundertsten Mal, was wohl gerade da draußen geschah. Wieso musste ausgerechnet sie hier festsitzen, wenn alle anderen ein Abenteuer erlebten? Wenn doch wenigstens Lady Morgana käme, um sich um sie zu kümmern, was immer das auch heißen mochte! Oh, warum konnte nicht sie der Frosch sein und Max der, der hier warten musste! Wo steckten bloß die anderen? Was taten sie wohl gerade?

Auf einmal hörte sie draußen auf dem Gang Schritte. Statt weiter mit dem Fuß aufzustampfen, wurde sie mucksmäuschenstill und lauschte. Wollte da jemand zu ihr? War es Sir Richard oder, schlimmer, Morgana? Es war sinnlos, sich zu verstecken. Sie wussten, dass sie hier war. Dennoch, Olivia wollte nicht einfach mitten im Zimmer herumstehen. Sie verkroch sich in der engen überwölbten Nische und drückte sich gegen die Wand. Vor der Tür machten die Schritte Halt. Ein Schlüssel kratzte im Schloss. Olivia hielt den Atem an. Die Tür ging auf und jemand kam herein.

»Olivia?«, rief eine unsichere Stimme am anderen Ende des Raums. Olivia seufzte erleichtert. Es war Sir Richard. Es gab Menschen, die sie lieber gesehen hätte, aber für Adrians Vater sprach, dass er nicht Lady Morgana war. Sie trat aus der Nische und Sir Richard machte einen Satz.

»Oh – ah! Da bist du … Äh, ich komme, um dich freizulassen.«

»Mich freilassen?« Olivia war überrascht. »Aber ich dachte … Lady Morgana …«

»Äh, also, nun ja. Sie hat gewisse Pläne – aber, also, sagen wir, dass ich persönlich nicht sonderlich scharf auf diese Pläne bin. Also dachte ich mir, ich komme auf dem Weg nach draußen noch einmal hier vorbei und, äh, vergesse, die Tür abzuschließen.«

Sir Richard schien ganz zufrieden mit sich zu sein. Es brauchte nur eine kleine Notlüge, damit es in seinem Zimmer nicht zu unschönen Szenen käme und er dennoch seine guten Beziehungen zu Lady Morgana nicht gefährdete.

»Großartig!«, rief Olivia. »Danke. Kann ich dann gehen?«

»Oh, also, äh – nicht so schnell, junge Lady«, beeilte sich Sir Richard. »Da wäre ja noch das kleine Problem, dass du all unsere Pläne kennst … Ich denke, bevor du zu Merlin rennst und ihm alles brühwarm erzählst, sollte ich dir einen Gaga-Zauber auferlegen, was meinst du?«

»Einen Gaga-Zauber?«, fragte Olivia. »Was ist das?«

»Ein hübscher kleiner Trick, den ich in der Knappen-Schule gelernt habe«, sagte Sir Richard stolz. »Ehrlich gesagt, war ich in Magie nie besonders gut. Aber diesenZauber habe ich mit den Jahren wahrlich vervollkommnet. Hat mir gute Dienste geleistet, als es darum ging, dass Leute meinem Vater erzählen wollten, wie … also, ein paar Sachen sollte er wirklichnicht erfahren.«

Beim Gedanken an die Streiche seiner Jugend verklärte sich Sir Richards Blick. Doch dann schüttelte er die Erinnerungen ab. Egal – es war Zeit, dass Olivia verzaubert wurde.

Sir Richard holte ein kleines Säckchen hervor und schüttete ein paar Körner eines violetten Pulvers in seine Hand. Dann murmelte er etwas vor sich hin und streute das Pulver über Olivia. Einen Augenblick lang kitzelte es in ihren Ohren und auf ihrer Zunge, doch weiter geschah nichts.

»Ist das alles?«, fragte sie unbeeindruckt.

»In der Tat, meine Liebe«, sagte Sir Richard aufgeräumt. »Plappere nur erst los, dann wirst du diesen hübschen kleinen Zauber schon noch kennenlernen.«

Olivia glaubte ihm kein Wort. Aber da er sie freilassen wollte, schien es ihr das Beste, ihn bei Laune zu halten.

»Okay«, sagte sie. »Ich spüre, wie er wirkt. Kann ich jetzt gehen?«

»Jaja«, sagte Sir Richard. »Lauf nur, meine Teure. Wie es aussieht, ist dein Drache ja auch schon getürmt. Durchs Fenster, richtig? Flattert vermutlich gerade im Burghof herum. Besser, du gehst ihn suchen. Ich muss jetzt sowieso aufbrechen. Ich habe einen langen Rittvor mir. In den Wald. Mit Mylady.« Er fasste sich an die Nase und zwinkerte Olivia zu.

Er glaubt wirklich, dass der Zauber wirkt, dachte Olivia. Er würde sein blaues Wunder erleben, wenn sie jetzt gleich zu Merlin rannte und ihm alles erzählte. Sie strahlte Sir Richard an, stahl sich aus der Tür und spazierte so unschuldig wie nur möglich über den Gang.

Merlin saß in seinem großen Eichenstuhl, das Kinn nachdenklich in die Hand gestützt. Er hatte alles versucht, um den Prinzen ausfindig zu machen, aber nichts hatte funktioniert. Der Junge war wie weggezaubert. Doch Merlin war sich sicher, dass der Schutzbann noch hielt. Wenn er seinen Geist aussandte, konnte er spüren, wie der Bann die Burgmauern umhüllte. Seufzend prüfte er ihn ein weiteres Mal. Diesmal tastete er die Mauern in Gedanken Schritt für Schritt ab. Nicht einmal ein haarfeiner Bruch würde ihm so entgehen …

Da! Genau da! Er hatte etwas gefunden. Er spürte eine winzige Unebenheit und wusste sofort: An dieser Stelle war der Bann durchbrochen und nachher wieder geschickt zusammengeflickt worden, so als wäre nichts gewesen.

Feuerstrahl und Donnergrollen! Was war nur mit ihm los, dass er das nicht vorher bemerkt hatte? Zu so etwas war nur ein einziger Mensch fähig – außer ihm selbst. Tatsächlich war er sogar ein bisschen überrascht, dass sie überhaupt dazu fähig war. Aber es war ihr gelungen, zweifellos. Merlin musste sofort zum König. Sie würden ihre Suche ausweiten müssen, über die Burgmauern hinaus. Kaum hatte er sich erhoben, wurde zaghaft an die Tür geklopft.

»Herein!«, rief er, während er sich das Schwert umschnallte und schon nach seinen Reitstiefeln Ausschau hielt.

Ein schmales, dunkelhaariges Mädchen in Knappenkleidung trat in den Raum. Sie kam ihm bekannt vor. Aber woher? Er zog die Augenbrauen hoch.

»Olivia Pendragon, Sir.« Sie machte einen Knicks.

»Ah ja, natürlich! Entschuldige, dass ich dich nicht gleich erkannt habe. Was kann ich für dich tun?«

»Also, es geht um die Möhre, Sir«, sagte Olivia, hielt inne und guckte verwirrt.

»Die Möhre?«, fragte Merlin sanft.

»Ja!«, sagte Olivia und schüttelte dazu heftig den Kopf. »Sie müssen wissen, dass die Möhre nicht mit der Pastinake zu verwechseln ist.«

Sie holte tief Luft und fing von vorne an. »Es ist wirklichwichtig! Es tut mir leid, aber ich glaube, ich habe ein Vanilletörtchen im Ohr. Deshalb fällt es mir schwer, Kuchen zu backen. Oh!!«

Am liebsten hätte sie vor Wut gebrüllt und mit dem Fuß aufgestampft. »Ihr müsst mir helfen! Es ist dringend! Die Möhre wird gleich gekocht und der Salat und die Bohnen sind in die Küche gegangen – und, oh, verdammter Mist!« Sie brach ab und wäre vor lauter Wut beinahe in Tränen ausgebrochen, hätte Merlin sich nicht zu ihr hinabgebeugt und ihre Hand genommen.

»Schon gut«, sagte er beruhigend. »Am besten versuchst du gar nicht zu sprechen. Du bist ganz offensichtlich das Opfer eines Gaga-Zaubers geworden. Ich erkenne die Symptome. Äußerst frustrierend, ich weiß. Ist mir auch schon mal passiert.«

Er richtete sich auf und überlegte.

»Warte mal. Ich kann mir nur einen Grund denken, weshalb du zu mir gekommen und mit einem Gaga-Zauber verhext worden bist, der alles, was du sagen willst, in Kauderwelsch verwandelt. Und der ist, dass du etwas über den Prinzen weißt. Richtig?«

Olivia versuchte mit aller Macht zu nicken, aber der Zauber ließ sie den Kopf schütteln. Am Ende verdrehte sie den Hals wie einen Korkenzieher, sodass ihr schwindlig wurde und sie beinahe hingefallen wäre.

»Ich werte das mal als Ja«, sagte Merlin grimmig. »Also, was sollen wir machen? Ich könnte den Zauber austreiben, aber das ist kompliziert und könnte Stunden dauern … Hm. Wenn sie dich nicht total gaga gemacht haben – vielleicht kannst du schreiben?«

Olivia nickte. Genial! Warum war sie nicht von selbst darauf gekommen? Voller Eifer griff sie nach dem Stück Pergament, das Merlin ihr hinhielt, und fing gleich an zu kritzeln.

Nach ein paar Sätzen, warf sie einen Blick auf das, was sie geschrieben hatte, und brach beinahe in Tränen aus: Der Koch muss den Eintopf nachsalzen, denn die Pastinaken schmecken sonst wie alte Stiefel und die Möhren sind so voller Erde wie ein altes Paar …

»Oh!!«, rief Olivia und warf die Feder, die sie in der Hand gehalten hatte, an die Wand. Gerade, als die Tinte auf den Boden tropfte, ertönte ein gewaltiges Krachen.

Ein kleiner Drache brauste durch die Tür, knallte gegen die Wand und fiel taumelnd direkt vor ihren Füßen zu Boden. Sofort rappelte er sich auf und schlug wild mit den Flügeln.

»Sir! Sir!«, keuchte Adolphus und streckte seine Klaue aus, an die ein zusammengeknülltes Stück Pergament geknotet war. »Schnell! Ihr müsst Olivia retten! Und Max! Und den Prinzen! Schnell!«

»Adolphus!«, kreischte Olivia und schlang ihre Arme um seinen Hals. Dabei schubste sie eine große schwarze Ratte von seinem Rücken.

»Oh, schon in Ordnung«, sagte Grimm ruppig und kämpfte sich zurück auf die Füße. »Macht euch um mich keine Sorgen. Ich komme klar. Hat zwar nicht viel gefehlt, und der Flugwind hätte mir jedes Barthaar einzeln ausgerissen, und ja, mein Fell zeigt jetzt in die falsche Richtung, aber was soll’s? Hau mich ruhig um, egal, das passt prima zu unserer ganzen Reise.«

»Grimm, sei nicht so ein Stinkstiefel«, sagte Olivia liebevoll und strich ihm das Fell zurück in Form. Dann wandte sie sich an Merlin, der das Stück Pergament schon in der Hand hielt und las.

»Das hier ist Adolphus, mein Drache«, erklärte sie und war froh, dass der Gaga-Zauber nur das durcheinanderbrachte, was sie über den Prinzen sagen wollte. »Und das ist Grimm, Max’ Ratte. Die beiden haben zusammen mit Max …« Sie verstummte. »Ach, das ergibt ja überhaupt keinen Sinn. Am Ende erzähle ich Euch doch bloß, dass sie zum Misthaufen geflogen sind, um Glockenblumen zu pflücken!«

»Hier steht, dass du aus ›Hogsbottoms Zimmer‹ gerettet werden musst. Bist du da gewesen?«

Olivia nickte.

Merlin dachte nach. »Und der Drache kommt von Max und dem Prinzen?«

»Ja«, sagte sie.

»Dann sollten wir so schnell wie möglich dorthin aufbrechen, denke ich. Genaueres kann mir Grimm auf dem Weg berichten.«

»Ihr könnt ihn verstehen?«, fragte Olivia verdattert.

Merlin lächelte. »Wer einmal ein Tier gewesen ist, kann das, wie du selbst erfahren hast. Und Max ist nicht der einzige junge Zauberer, der herausgefunden hat, wie das geht. Aber die Zeit drängt. Wie es aussieht, werden wir gebraucht. Und am besten gehen wir alle zusammen. Im Moment bist du bei mir besser aufgehoben als in der Burg.«

»Ja! Ja!« Adolphus flatterte schon durch den Raum. »Wir müssen los! Schnell! Oder sie sind schneller bei Max als wir. Schnell! Schnell! Schnell!«



Ein wahrer Ritter

Allmählich wurde es kalt in der Hütte im Wald. Die Abendsonne drang kaum noch durch das dichte Blätterdach. Das Feuer, das Adolphus entfacht hatte, wurde langsam kleiner. Es gab kein Holz mehr in der Hütte, und Max wollte den Prinzen nicht allein lassen, um welches zu holen. Er fröstelte.

»Was meinst du, wie lange sind sie jetzt weg?«, fragte er den Prinzen.

»Kommt mir wie Jahre vor«, sagte Carl, warf sich rücklings aufs Bett und versuchte, seine Beine zu bewegen. »Ich wünschte, ich könnte laufen! Dann könnten wir uns wenigstens irgendwo da draußen verstecken!«

»Ich weiß nicht, ob das so gut wäre«, sagte Max düster. »Lady Morgana ist eine Hexe. Sie würde uns im Handumdrehen finden.«

»Aber du bist doch ein Zauberer, oder etwa nicht? Kannst du uns nicht unsichtbar machen? Oder uns in Drachen verwandeln? Das wäre noch besser!«

»Ich bin kein richtiger Zauberer«, sagte Max und seufzte. »Ich lerne noch.«

Aus der Ecke drang ein erstickter Laut. Adrian wand sich auf dem Fußboden und versuchte, etwas zu sagen. Er war erst ein paar Minuten zuvor wieder zu sich gekommen und bisher hatte Max bloß seine Fesseln überprüft und ihn sonst ignoriert. Jetzt schielte er zu Adrian hinüber und erwog, ihm einen Sack über den Kopf zu stülpen. Was Adrian sagen wollte, klang nämlich verdächtig nach: »Mach mich los, du schwachköpfiger Haufen Drachenmist.«

Max sah ihn an und zog eine Augenbraue hoch.

»Nur die Ruhe!«, sagte er, während Adrian sich auf dem Boden wälzte und wütend gegen die Hüttenwand trat. »Sei ruhig oder ich verwandele dich in einen Frosch.«

Adrian guckte misstrauisch.

»Ich kann das«, sagte Max. »Warte nur den Wettbewerb ab, dann siehst du’s!«

Außer, dass es morgen vermutlich gar keinen Wettbewerb gäbe, dachte Max düster. Und falls doch, dann ohne ihn, weil Lady Morgana ihn bis dahin in kleine Portionen gehackt und den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hätte … Wie schade um den Froschzauber! Was für eine Verschwendung!

Moment! Der Froschzauber! Das Fläschchen steckte in seinem Gürtel! Die ganze Zeit hatte es da gesteckt – seit sie in Merlins Zimmer gewesen waren und er Olivia einen Tropfen auf die Hand geträufelt und dann die Flasche zurück in den Gürtel gesteckt hatte. Was für ein Dummkopf er doch war, dass er nicht vorher daran gedacht hatte! Schnell griff er in die Tasche und zog die kleine blaue Flasche hervor. Er lächelte ein Siegerlächeln. Die Flasche war heil – und noch drei Viertel voll!

»Ha! Pech, Adrian! Die nächste Gemeinheit brauchst du nur zu denken, und das hier verwandelt dich schneller in einen Frosch, als du ›Max ist ein Genie‹ sagen kannst!«

Adrian zog eine Grimasse, hörte aber zu zappeln auf und hielt den Mund. Max grinste. Adrian hatte er schon mal zum Schweigen gebracht.

Aber es war noch viel besser. Er hatte jetzt etwas in der Hand, wenn Sir Richard und Lady Morgana auftauchten. Die Frage war: Sollte er den Zauber einsetzen, um sich selbst und den Prinzen in Frösche zu verwandeln? Oder sollte er ihn gegen die anderen richten?

Max hockte sich vor das fast heruntergebrannte Feuer. Er wog die kleine blaue Flasche mit dem Froschzauber in der Hand und dachte angestrengt nach. Wenn er sich und Carl in Frösche verwandelte, standen ihre Chancen zu entkommen nicht schlecht. Und sobald Merlin hier wäre, konnte der sie sofort zurückverwandeln. FallsMerlin käme. Aber es bestand auch die Möglichkeit, dass Lady Morgana sie erwischen würde. In diesem Fall wollte Max lieber kein Frosch sein.

Die Alternative war, Sir Richard und Lady Morgana in Frösche zu verwandeln, sobald sie hier wären. Aber Max war bloß ein elf Jahre alter Zauberlehrling und Lady Morgana die mächtigste Zauberin im ganzen Land. Es konnte gut sein, dass der Froschzauber bei ihr gar nicht wirkte. Vielleicht würde sie ihn auch einfach in der Luft abfangen und zurückschleudern.

Max sah wieder ihre blassblauen Augen vor sich, hörte ihre honigweiche Stimme, ihr eisiges, klirrendes Lachen und erschauderte. Dann allerdings fiel ihm ein, wie er beim letzten Mal zu seinem Vater gegangen war und ihn gebeten hatte, kein Ritter werden zu müssen, weil er beim Schwertspiel so eine Niete war.

»Ein Ritter zu sein, bedeutet nicht, gut mit dem Schwert umgehen zu können«, hatte Sir Bertram gesagt, ihn an den Schultern gefasst und ihm tief in die Augen geschaut. »Ein Ritter zu sein, bedeutet, sich seinen Ängsten zu stellen, für andere einzustehen, selbst wenn man Angst hat, und sein Bestes zu geben, selbst wenn man glaubt, dass es nicht reicht. Auch Zauberer müssen zuerst und vor allem Ritter sein. Und ich weiß, dass du ein guter Ritter sein kannst, Max. Ich weiß, dass es in dir steckt.«

Dann hatte er ihm so fest auf die Schulter geklopft, dass Max beinahe umgefallen wäre, und ihn aufgefordert, »da raus« zu gehen und »ihnen die Hölle heiß« zu machen. Also war Max mit den allerbesten Vorsätzen wieder auf sein Pferd geklettert und hätte der Strohpuppe mit einem einzigen gewaltigen Hieb bestimmt den Kopf abgeschlagen, hätte sein Pferd nicht in der letzten Sekunde gescheut und Max in den Dreck geworfen.

Max lächelte, als er sich an dieses Gespräch erinnerte. Er wusste, was sein Vater jetzt sagen würde. Max seufzte und suchte sich ein Versteck ganz in der Nähe der Hüttentür.

»Es ist mir ein Rätsel, wo Adrian steckt«, entschuldigte sich Sir Richard. Unter seinem schweren Reitmantel war er schweißgebadet. Dieser verflixte Junge! Wo war er bloß? Und wo waren die Pferde? Hatten sie es überhaupt durch den Wald geschafft?

»Der Plan erscheint mir nicht gerade – ausgeklügelt, Sir Richard«, sagte Lady Morgana mit ihrer leisen, weichen Stimme. »Aber wie auch immer, ich bin sicher, sie treffen in Kürze ein. Wollen wir vielleicht in der Hütte warten?«

»Selbstverständlich, Mylady, eine ausgezeichnete Idee. Erlauben Sie, dass ich Ihren Arm nehme?«

Ihren Arm!, dachte Sir Richard, hin und weg. Er! Er hakte die mächtigste Frau im ganzen Königreich unter! Weiß Gott, er war auf dem Weg nach oben! Er gluckste vor Wonne, und Arm in Arm traten die beiden über die Schwelle.

Kaum hatte Sir Richard Adrian gefesselt und geknebelt auf dem Steinfußboden der Hütte entdeckt, traf ihn ein schmieriger blauer Spritzer mitten im Gesicht. Ihm kam es vor, als finge der Raum plötzlich an zu beben. Und dann war er selbst auf einmal viel kleiner als sonst. Und gleich neben ihm hockte ein ungewöhnlich großer, giftgrüner, dunkelbraun gesprenkelter Frosch, der wütender guckte, als Sir Richard je einen Frosch hatte gucken sehen. Eine Sekunde später machte es Plopp! – und der Frosch war verschwunden.

»Puh!«, sagte Max und setzte sich auf den Hüttenboden. »Ich bin froh, dass das vorbei ist.«

Der übrig gebliebene Frosch, schmutzig braun mit orangefarbenen Punkten, quakte vorwurfsvoll.

»Max Pendragon«, sagte er mit tiefer Froschstimme. »Du enttäuschst mich zutiefst. Ehrbare Leute einfach so in Frösche zu verwandeln! Ich glaube, ich muss ein Wörtchen mit deinem Vater reden. Verwandele mich augenblicklich zurück!«

»Wohl kaum«, murmelte Max. Er hob den Frosch hoch und steckte ihn in die Gürteltasche, wo er ihn nicht mehr quaken hörte. Dann wandte er sich dem Prinzen zu.

»Sieht so aus, als wären wir in Sicherheit, Hoheit. Jetzt müssen wir nur noch auf Merlin warten.«

»Das war genial«, sagte Carl mit großen Augen.

Max grinste. »Ja, das war ziemlich cool, oder?«, sagte er glücklich. Als Merlin und die anderen die Hütte im Wald erreichten, hatte Max bereits Brennholz gesammelt. Das Feuer loderte und im Kessel köchelte gewürzter Apfelsaft. Max und Carl saßen davor, vertilgten die Reste von Adrians Proviant und erzählten sich dumme Witze.

»So, so«, sagte Merlin, als er hereinkam. »Wie es aussieht, kommen wir zu spät. Ihr habt euch ganz offensichtlich selbst gerettet.«

»Max war toll!«, rief Carl, sprang auf und wankte zu Merlin hinüber, um ihn zu umarmen. Er war immer noch ziemlich wacklig auf den Beinen. Doch der Zauber ließ jetzt stetig nach. »Er hat dem großen Jungen eine verpasst und dann hat er die Erwachsenen in Frösche verwandelt! Er ist ein richtig guter Zauberer, Merlin! Noch besser als du!«

Max musste schlucken und lief rosarot an. Doch es blieb keine Zeit, Carl zu widersprechen.

Olivia stürzte sich auf ihn und drückte ihn fest und Grimm knabberte liebevoll an seinem Knöchel. Unterdessen flatterte Adolphus über ihren Köpfen herum und brachte vor lauter Aufregung Flügel und Füße durcheinander.

»Du bist heil, Max, du bist heil! Ich bin ja so froh! Wir hatten ja überhaupt keine Ahnung!«, platzte Olivia atemlos heraus. »Nicht zu fassen, dass du Sir Richard und sie erledigt hast. Du musst dich schrecklich gefürchtet haben!«

»Och, das war doch gar nichts«, sagte Max lässig. Aber dann traf ihn Merlins grauer, stechender Blick, und er beschloss, lieber doch bei der Wahrheit zu bleiben. »Aber ehrlich gesagt, ich hatte schon ziemlich Angst.«

»Und das war auch besser so«, sagte Merlin. »Morgana le Fay ist eine außerordentlich mächtige und gefährliche Zauberin. Du hast großes Geschick bewiesen. Ich vermute, sie ist – äh – verschwunden, nachdem du sie verwandelt hast?«

»Ja, es gab so eine Art Plopp! Und dann war sie weg. Aber Sir Richard habe ich in der Gürteltasche.«

Merlin klopfte Max auf die Schulter und lachte ein so warmes, ansteckendes Lachen, dass sie alle mitlachen mussten.

»Gut gemacht, Max, ehrlich! Ein ganz besonderer Zauber. Du hast echten Mut bewiesen. Es braucht eine ganz besondere Art von Magie, einen Froschzaubertrank zu brauen. Sehr selten und höchst ungewöhnlich. Und ich bin froh, dass dieses Talent mit einem großen Herzen und jeder Menge Mut einhergeht. Aus dir wird einmal ein ordentlicher Zauberer werden, Junge. Ein sehr ordentlicher sogar.«

Max wurde von so viel Lob ganz warm ums Herz. Doch als er zu diesem großen, ehrfurchtsvollen Ritter aufsah, der so ganz anders war als der Merlin, den er sich vorgestellt hatte, war ihm klar, dass er ehrlich sein musste.

»Also eigentlich«, sagte er, »habe ich den Froschzauber nicht richtig erfunden. Es war eher ein Unfall … Und Adrian habe ich auch eher zufällig umgehauen. Und als ich den Trank auf Lady Morgana geschüttet habe, hatte ich die Augen zu. Wenn ich sie offen gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich nicht getroffen.«

Merlin sah Max ernst an.

Dann lächelte er.

»Max – du bist sehr ehrlich. Aber es sind nicht nur die Zutaten, die einen Froschzauber ausmachen. Es mag mit einem Unfall angefangen haben, doch nur eine mächtige Magie lässt ihn wirken. Und auch wenn du den jungen Herrn oder Mylady mithilfe von etwas Glück geschlagen hast, so hast du dich ihnen dennoch entgegengestellt. Dazu braucht es eine gehörige Portion Mut. Ich glaube, dass du über eine ganz besondere Art Magie verfügst und ein großes Herz hast, Max Pendragon. Deinen nächsten ›Unfall‹ werde ich mit großem Interesse verfolgen.«

Max sah zu Merlins Falkengesicht und seinen leuchtenden Augen auf. Plötzlich kam er sich ziemlich groß vor. Er wusste: Wenn er könnte, würde er Merlin bis ans Ende der Welt folgen. Er grinste und Merlin klopfte ihm noch einmal auf die Schulter.

»Trotzdem«, seufzte er, »seid gewiss, dass Mylady nicht lange weg sein wird. Und ganz bestimmt wird sie ein sehr gutes Alibi für das hier haben. Eines, mit dem sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch davonkommt. Leider. Der König hat, wenn es um diese Lady geht, ein weiches Herz. Zu weich, fürchte ich«, setzte er grimmig hinzu. Doch dann lächelte er wieder. »Gut«, sagte er. »Genug herumgestanden. Ich denke, es ist Zeit, dass wir zur Burg zurückkehren. Wir müssen den Prinzen zu seiner Mutter bringen. Und wenn wir schon dabei sind, sollten wir diesen gut verschnürten jungen Mann und seinen quakenden Vater auch gleich zum König schaffen!«


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