Текст книги "Froschzauber"
Автор книги: Cecilia Busby
Жанр:
Сказки
сообщить о нарушении
Текущая страница: 3 (всего у книги 6 страниц)
Ein mächtiger Zauberer
Der Burgraben war unheimlich tief und dunkel. Max tauchte kopfüber ein. Oben und unten konnte er allerdings nicht mehr unterscheiden, nachdem er mit fuchtelnden Armen und Beinen aus dem Fenster gestürzt war. Erst bekam er Panik. Aber dann fiel ihm ein, dass er ein Frosch war und eine halbe Ewigkeit lang den Atem anhalten konnte. Also entspannte er sich.
Er sank jetzt nicht mehr tiefer, sondern trieb langsam wieder Richtung Oberfläche. Er hatte nicht nur den Sturz überlebt, stellte er fest, es war sogar ganz nett hier unten.
Weit sehen konnte er im grünlichen Dämmerlicht des Wassers zwar nicht, ein paar kleine silbrige Fische aber konnte er immerhin ausmachen. Und wenn er sich anstrengte, ließ sich sogar die Burgmauer erkennen.
Max schwamm zu ihr hinüber und überlegte. Die Mauer ragte steil auf und war sehr glatt. Er suchte nach einem Halt für seine Füße, aber die rutschten bloß ab. Er schwamm weiter, bis er schließlich einen Mauerspalt entdeckte, der ziemlich tief und vielversprechend aussah. Er steckte ein Vorderbein in den Spalt und hoffte, genug Halt zu finden, um sich hochziehen zu können.
Aua!
Etwas in dem Spalt hatte ihn gebissen! Max schielte hinein und entdeckte etwas, das gefährlich nach einem erbosten, Scheren schwingenden Flusskrebs aussah. Eilig schwamm Max weiter. Die Lage wurde langsam ernst. Er könnte es auf der anderen Seite versuchen, aber da würde es auch nicht anders aussehen, und an der Oberfläche fände er sich bloß außerhalb der Burgmauern wieder, ohne Aussicht, zurück durch das Fenster zu klettern – zu Olivia und dem Gegenmittel.
Plötzlich hörte Max ein sonderbares Rauschen und ein Schwarm kleiner Fische schoss an ihm vorbei. So schnell, als schwämmen die Fische um ihr Leben. Dann wurde Max bewusst, dass sie womöglich wirklich um ihr Leben schwammen. Es folgte eine Woge und dann wurden im trüben Wasser die schwarzen Umrisse von etwas Großem, Gefährlichem sichtbar. Was hatte Adrian gesagt, als er Max aus dem Fenster gehalten hatte? Auf einmal kehrten die Worte mit aller Deutlichkeit zu Max zurück: Da drin lebt ein zwei Meter langer Hecht… Hechte sind, wie Max sehr wohl wusste, brutale Jäger – große, gemeine Süßwasser-Räuber und für einen Fluss das, was der weiße Hai fürs Meer ist. Für ein großes Exemplar wie dieses wäre ein Frosch bloß ein Happs.
Max tauchte ab – in der verzweifelten Hoffnung, dass der Hecht zu sehr auf den Fischschwarm fixiert wäre, um einen einsamen kleinen Frosch zu bemerken. Unglücklicherweise erregte eben diese Bewegung die Aufmerksamkeit des Hechts. Der Räuber warf sich herum, nahm Witterung auf und jagte Max nach.
Olivia kochte vor Wut, aber gewissermaßen waren ihr die Hände gebunden. Sie konnte nicht einmal einen Finger rühren. Aber sprechen konnte sie noch.
»Grimm!«, fluchte sie. »Wo steckst du, du nutzloser Feigling? Warum hast du dich nicht in ihren Knöcheln verbissen oder so?! Adolphus! Nie zuvor hat ein derart schwachköpfiger Drache auf Erden gelebt! Los, versenge ihnen die Augenbrauen!«
Adolphus kehrte hoppelnd von der Asseljagd zurück.
»Oh, tut mir leid«, sagte er. »Hast du mich gebraucht?«
Grimm tauchte gähnend hinter dem Wandteppich auf.
»Hat mich wer gerufen?«
»Ja!«, sagte Olivia frustriert. »Adrian Hogsbottom hat Max in den Burggraben geworfen und ich kann nicht einen Finger rühren. Adrian hat mich beim Rausgehen verzaubert.«
»Aha«, sagte Grimm hochmütig. »Läuft nicht so gut, was?«
»Grimm! Du musst in den Burggraben springen und Max suchen. Adolphus kann das nicht. Er passt nicht durch diese schmalen Fenster.«
»Und außerdem habe ich Höhenangst«, fügte Adolphus fröhlich hinzu.
»Sieh zu, dass du ihn findest, bevor der Hecht ihn sich schnappt. Dann sucht ihr euch einen Weg zurück nach hier oben und Max kriegt das Gegenmittel.«
»Ach! Und das ist schon alles?«, sagte Grimm und zog die Nase kraus. »Bloß mal eben in die hechtverseuchten Fluten springen, einen kleinen orangefarbenen Frosch auftreiben und ihn vier Stockwerke hoch in Sicherheit bringen, ohne dabei zertrampelt zu werden. So läuft es jedes Mal, nicht wahr? Der gute alte Grimm eilt zu Hilfe. Schon ist er wieder unterwegs und riskiert Leib und Leben. Ist klar.«
Dennoch krabbelte Grimm zum Fenster hinauf und stürzte sich ins Nichts, um ein paar Sekunden später mit einem lauten Platsch im Burggraben zu landen.
»Gut«, sagte Olivia. »Hoffen wir, dass er Max findet und keiner von beiden vom Hecht gefressen wird. Jetzt müssen wir bloß noch dafür sorgen, dass ich mich wieder bewegen kann. Kommst du an die kleine grüne Flasche mit dem Umkehrzauber, Adolphus?«
Adolphus sprang fröhlich herum und suchte nach der Flasche.
»Grüne Flasche? Ja, ja, hol ich. Adolphus eilt zu Hilfe – jippie! Umkehr … mmh – Flasche, Zauber – äh – sehe ich nicht … Was für eine Farbe noch mal?«
Doch in diesem Moment knarrte die schwere Eichentür. Ein großer, grimmig schauender Mann in einem langen grauen Mantel trat ein und blieb überrascht stehen.
»Beim Zahn des Drachen! Was machst du in meinem Zimmer, junge Lady?«
»Äh, tut mir leid«, sagte Olivia und versuchte, sich irgendwie gerade hinzusetzen. »Ich wusste nicht, dass es Euer Zimmer ist, gnädiger Herr.«
»Genau! Tut uns leid, tut uns leid, tut uns leid«, sagte Adolphus, dem der gebieterisch wirkende Mann ebenso Furcht einflößte.
Der Mann sah sie beide scharf an und nahm dann in einem großen Eichenstuhl an der Tür Platz. Sein kastanienbraunes Haar hatte graue Strähnen und um seine Augen lagen Falten. Doch sein Blick war hart und klar, wie der eines Vogels. Unter dem Mantel trug er dunkle Beinlinge und eine graue Tunika. Von seinem schlichten breiten Ledergürtel baumelte ein Schwert.
»Nun«, sagte er schließlich. »Wie es aussieht, hat man dich verzaubert, junge Lady. Zuallererst sollte ich dich also wohl befreien.«
Mit den langen eleganten Fingern seiner rechten Hand machte er eine Geste und auf einmal konnte sich Olivia wieder rühren. Sie stand auf, machte zum Dank einen Knicks und der Mann nickte zurück.
»Vielleicht sollte ich mich vorstellen. Ich bin Merlin und das ist mein Zimmer. Normalerweise schließe ich es ab. Ich bin etwas überrascht, dass du dennoch hier bist. Bist du allein gekommen?«
»Nein, Euer Lordschaft«, sagte Olivia. Merlin sah überhaupt nicht so aus, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Wenn sie darüber nachdachte, hatte sie diesen großen, grimmigen Mann sogar schon mal gesehen, ihn aber für einen der vielen Ritter des Königs gehalten. »Mein Bruder Max war auch dabei. Wir wussten nicht, dass es Euer Zimmer ist. Wir wollten in Ruhe für den Wettkampf morgen üben.«
»Aha. Also ist dein Bruder ein Zauberschüler«, sagte Merlin nachdenklich. »Und wer bist du?«
»Lady Olivia Pendragon. Und das ist Adolphus.«
»Erfreut, euch kennenzulernen«, sagte Merlin. »Nun, wenn du schon durch einen Zauber bewegungsunfähig gemacht wurdest, gehe ich dann richtig in der Annahme, dass deinem Bruder etwas noch Unangenehmeres zugestoßen ist?«
»Ähm, also, er ist jetzt ein Frosch«, sagte Olivia unsicher.
»Er wurde in einen Frosch verwandelt?«, fragte Merlin. Seine Augenbrauen schossen in die Höhe.
»Also, nicht ganz«, sagte Olivia und rang die Hände. Wie viel sollte sie dem Zauberer erzählen? Sie sah zu seinen stechend grauen Augen auf und entschied, es am besten mit der Wahrheit zu versuchen. »Er hat einen Zauber erfunden, mit dem man Menschen in Frösche verwandeln kann«, sagte sie schnell. »Den haben wir geübt. Dann ist Adrian Hogsbottom gekommen und hat den Frosch in den Burggraben geworfen, ohne zu wissen, dass der Frosch Max ist. Und mich hat er verzaubert, damit ich es niemandem erzählen konnte. Und, bitte, wir müssen Max unbedingt finden. Wenn der Hecht ihn nicht schon gefressen hat. Und jetzt ist auch noch Grimm da unten – das ist Max’ Ratte. Hoffentlich ist ihnen nichts passiert!«
Zu ihrem Ärger war Olivia kurz davor, loszuheulen. Ihre Stimme bebte. Adolphus leckte tröstend ihre Hand. Olivia seufzte tief und schaute Merlin an. Er sah sehr nachdenklich aus in seinem großen Stuhl, das Kinn in die Hände gestützt.
»Interessant«, murmelte er, eigentlich mehr zu sich selbst. »Natürlich sind die Pendragons alles in allem eine sehr magische Familie. So, so. Ich sollte den jungen Max kennenlernen. Ich sollte ihn unbedingt kennenlernen. Aber zuerst einmal müssen wir ihn finden.«
Er erhob sich, ging zum Fenster und sah auf das graue Wasser des Burggrabens hinab. »Wohlan –«
Ein lautes Klopfen unterbrach ihn und beinahe sofort wurde die Tür aufgerissen. Olivia verschlug es den Atem, als sie begriff, dass es der König war, der ins Zimmer gestürmt kam.
Artus war groß, hatte glattes, dunkles Haar und eine sorgenvolle, unglückliche Miene. Er warf ihr einen zerstreuten Blick zu und wandte sich dann gleich an Merlin.
»Merlin!«, platzte er heraus. »Der Prinz ist verschwunden! Wir haben sein ganzes Quartier durchsucht – Sir Gareth sucht jetzt in den restlichen Teilen der Burg – aber er ist einfach verschwunden! Wir dachten, er wäre bei seiner Mutter, seine Mutter dachte, er wäre bei seiner Amme – wie es scheint, hat ihn seit heute Morgen niemand gesehen!«
Merlin legte die Stirn in Falten. »Wer weiß davon?«
»Ich selbst, Sir Gareth und Ihr … Seine Mutter glaubt, er spielt mit den Jungs von Sir Gareth – und dabei muss es auch bleiben. Wenn herauskommt, dass er verschwunden ist …«
»… gibt es Krieg«, sagte Merlin düster. »Wir müssen es für uns behalten. Wir dürfen keinen Alarm auslösen. Nicht mal die Wachen können wir in Bereitschaft versetzen. Aber wir werden ihn finden – er muss in der Burg sein. Ich habe die Burgmauern mit einem Bann belegt. Niemand könnte diesen Zauber durchbrechen, es sei denn –«, er hielt inne und zuckte mit den Schultern, »Eure Schwester, Lady Morgana le Fay – wann wird sie erwartet?«
Artus zog die Augenbrauen hoch. »Heute Abend, soweit ich weiß. Warum? Glaubt Ihr, wir brauchen ihre Hilfe?«
Merlin lachte kurz auf. »Ich hoffe nicht. Besser, ich finde den Prinzen, bevor sie eintrifft, mein König. Aber wir müssen uns beeilen.«
Artus nickte und verließ den Raum. Merlin wandte sich wieder Olivia zu. »Ich fürchte, du musst deinen Bruder allein suchen, kleine Lady. Viel Glück. Aber ich warne dich – du darfst niemandem erzählen, was du hier gehört hast. Diese Nachricht darf nicht an die falschen Ohren dringen. Also kein Wort!«
Er warf ihr einen strengen Blick zu, dann rauschte er davon, dem König hinterher. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Einen Moment lang verharrte Olivia in Gedanken.
»Adolphus?«, sagte sie schließlich. »Weißt du noch? Hat Adrian nicht irgendwas über ein Balg gesagt, das sie aus der Burg schaffen müssten?«
Vorsicht, Verschwörung!
Max schwamm schneller, als er es einem kleinen Frosch zugetraut hätte. Leider schwamm der Hecht noch schneller. Nach nur ein paar Sekunden konnte Max die Nasenspitze des Hechts fast schon an seinen Hinterbeinen spüren. Das furchterregende Maul öffnete sich weit. Gleich würde es zuschnappen …
Sekunden, bevor ein leckerer Hecht-Snack aus ihm wurde, entdeckte Max zu seiner Linken einen tiefen Spalt in der Mauer. Er schwenkte ab, hinein in die dunkle Enge, und strampelte wie verrückt mit den Beinen, um so tief wie möglich in den Spalt zu dringen. Sollte auch hier ein Flusskrebs wohnen, dachte Max, würde der entweder Platz machen oder Max würde ihm die Augen auskratzen.
Kaum waren seine Hinterbeine im Spalt verschwunden, krachte der Hecht mit dem Kopf gegen die Mauer. Knirschend kratzten seine Zähne über die Ziegel – der Hecht wollte den Spalt aufbrechen. Max schluckte und presste sich so tief in den Spalt, wie er konnte. Eine Zeit lang schwamm der Hecht vor der Mauer auf und ab, witterte und wunderte sich, wohin dieses lästige kleine Wesen verschwunden war. Doch schließlich wurde ihm langweilig und er glitt auf der Suche nach leichterer Beute davon.
Puh!
Max sah sich um. Dieser Spalt war wirklich sehr tief. Er schien sich in der Mauer fortzusetzen. Max schwamm tiefer hinein, bis ihm ein großer eckiger Stein den Weg versperrte. Über den würde er klettern müssen. An einer Kante zog Max sich hoch und sah eine Lücke, die noch tiefer in die dicke Mauer hineinführte. Wie es aussah, würde er von hier bis in die Burg kriechen können.
Langsam und vorsichtig arbeitete Max sich durch die Mauerspalten. Mancherorts waren die Ziegel so eng gesetzt, dass ihm beinahe die Augen aus dem Schädel sprangen, wenn er sich hindurchquetschte. Dann wieder schienen die dunklen Spalten sagenhaft tief zu sein und rochen, als würde etwas Grauenhaftes in ihnen leben. In diesem Fall hüpfte Max, so schnell er konnte, weiter.
Nach und nach gewann er an Höhe. Bald war er deutlich über dem Burggraben und hatte das Gefühl, schon seit einer Ewigkeit zu klettern. Er hatte mal jemanden sagen hören, die Burgmauern seien dick genug, um ganze Räume in ihnen zu verstecken. Jetzt wollte er das glauben.
Es war heiß zwischen den Steinen und das Atmen fiel ihm schwer. Max spürte das Gewicht Hunderter Ziegel über sich. Unwillkürlich stellte er sich vor, was für ein platter Frosch er wohl wäre, sollte einer dieser Ziegel ins Rutschen geraten.
Schließlich war die Dunkelheit, die ihn umgab, nicht mehr ganz so undurchdringlich. Dann färbte sich die Umgebung grau, und bald darauf entdeckte Max helle Flecken zwischen den Ritzen. Max zwängte sich durch einen besonders engen Spalt, und ihm wurde klar, dass er sich jetzt hinter der letzten Ziegelreihe befand. Die Mauersteine waren hier eckiger als die übrigen. Bestürzt erkannte Max, dass sie auch viel sorgfältiger gemauert waren – es würde schwer werden, in den Raum dahinter zu gelangen.
Max suchte die Wand nach einem breiteren Spalt ab, oben, unten, links und rechts. Zu seiner großen Erleichterung entdeckte er einen Streifen Licht. Die Ecke eines Ziegels war abgebrochen! Max kletterte hindurch und schielte vorsichtig in das dahinterliegende Zimmer.
Es war ein mittelgroßer Raum, quadratisch und recht großzügig möbliert – das Quartier eines Ritters vermutlich. An den Wänden hingen Gobelins und auf dem Fußboden lag ein reich verzierter, kostbarer Teppich. Durch zwei große Fenster fiel Licht. Es schien niemand da zu sein. Ein paar Minuten lang wartete Max auf Geräusche, dann zwängte er sich vorsichtig aus der Mauer und fiel – plumps – auf den Teppich. Er seufzte erleichtert. Er hatte es geschafft! Er war dem Burggraben und dem Hecht entkommen. Er war wieder in der Burg – jetzt musste er bloß noch Olivia finden und sich in einen Jungen zurückverwandeln.
Schnell sah sich Max nach einem Ausgang um. In der einen Zimmerecke entdeckte er eine kleine überwölbte Nische, hinter der sich vermutlich die Toilette befand. Die würde ihn nirgendwohin führen, außer ein stinkendes Rohr hinab und zurück in den Burggraben …
Der Torbogen auf der anderen Seite sah vielversprechender aus. Doch als Max darauf zuhüpfte, hörte er Stimmen draußen auf dem Gang, und auf einmal öffnete sich eine Tür. Mit einem Satz war Max zurück an der Wand und verbarg sich im Schatten eines Wandteppichs.
Sir Richard Hogsbottom versuchte sich beliebt zu machen, so gut er konnte. Und das konnte er wirklich gut, galt er in Camelot doch als der übelste Speichellecker aller Zeiten. Sein pausbäckiges rotes Gesicht glänzte regelrecht vor Anstrengung, so sehr war er bemüht, der Lady an seiner Seite zu schmeicheln. Sogar seine Kleider hingen kriecherisch von seinem massigen Körper.
»Mylady!«, sagte er, während er die Dame mit einem, wie er hoffte, gewinnenden und Vertrauen erweckenden Lächeln in den Raum schob (wobei er in Wirklichkeit aussah, als hätte er gerade einen Stiefel verschluckt). »Gestattet mir, Euch in meinem nichtswürdigen Kämmerlein willkommen zu heißen. Vergebt mir, dass ich es nicht vermag, Euch Speis und Trank anzubieten, die Eurer würdig wären, aber vielleicht wäre ein wenig –«
Seine Begleiterin gebot ihm mit einer knappen Geste zu schweigen. Sie war eine große, schlanke Frau mit langem schwarzem Haar und blasser Haut. Sie war schön, doch sah sie wie eine Marmorstatue aus, ohne echtes Leben oder Wärme in ihrem Ausdruck. Ihre Augen waren so blassblau, dass sie beinahe farblos wirkten. Reglos verharrte sie in der Mitte des Raums und wandte den Kopf hin und her. Die Stirn in konzentrierte Falten gelegt, schien sie die Luft im Raum beinahe zu schmecken.
»Magie«, sagte sie, während ihre blassblauen Blicke über die kostbaren Gobelins und den reich verzierten Teppich zu ihren Füßen schweiften. »Es ist etwas Magisches in diesem Zimmer.« Ihre Stimme war so weich wie Honig, tief und seidig, und doch ließ sie Max erschaudern. Er presste sich enger an die Wand, als ihr Blick über sein Versteck streifte. »Irgendetwas … War die Tür verschlossen, während Ihr weg wart, Sir Richard?«
»Wieso, ja, natürlich, Mylady, völlig verschlossen«, protestierte Sir Richard mit ängstlichem Blick. »Aber vielleicht … Ihr wisst, Merlin arbeitet Tag und Nacht, damit dem Prinzen nichts zustößt … Womöglich hat sich ein kleiner Prüfzauber durch den Türspalt geschlichen?«
»Hmmh …«, machte die Lady nachdenklich. Dann lachte sie, und ihr Lachen klang wie das Klirren von Eiszapfen, die auf hart gefrorenem Boden zerbrechen. »Natürlich – Merlin schnüffelt in der Burg herum, um herauszufinden, was vor sich geht. Er wird einen Schock kriegen, wenn er erfährt, dass der Schutzbann durchbrochen und der Prinz verschwunden ist! Ha! Er wird im Staube vor mir kriechen müssen und um Hilfe betteln und dann …« Sie dämpfte ihre Stimme, doch Max, der gleich neben ihr unter dem Wandteppich kauerte, konnte hören, was sie mit einem kalten, grausamen Flüstern nur noch zu sich selbst sagte: » Dannwerden wir erleben, wie König Artusam Boden liegt!«
Adolphus segelte durch den dunklen Gang. An dessen Ende landete er so geräuschlos wie möglich auf einem Dachbalken. Unter ihm zankten sich zwei Jungen.
»Ich mach das nicht, Adrian. Auf gar keinen Fall, es ist zu gefährlich! Merlin ist jetzt auf der Hut und er kommt uns ganz bestimmt auf die Schliche. Ganz bestimmt!«
»Sei nicht so ein Feigling, Jakob!«, zischte der andere Junge. »Es hat keinen Alarm gegeben, die Wachen wissen von nichts. In der ganzen Aufregung um das Festival wird sich kein Mensch um zwei junge Knappen scheren, die ein bisschen ausreiten wollen.«
»Und was, wenn das Balg aufwacht und zu schreien anfängt?«
»Ich hab’s dir doch schon erklärt«, sagte Adrian genervt. »Ich habe ihn verzaubert. Er kann sich nicht mehr rühren, geschweige denn schreien. Komm schon, Jakob! Beim Zehennagel des Druiden! Wir wickeln ihn in ein Laken, binden ihn aufs Pferd und dann reiten wir aus der Burg. Wenn einer fragt, sagen wir einfach, dass wir Proviant in eines der Lager bringen. Los jetzt, mach schon!« Adrian wollte Jakob mit sich ziehen, aber dessen Pausbacken sahen immer noch ziemlich blass aus, und er weigerte sich, weiterzugehen.
»Und was ist mit dem Schutzbann?«, fragte er starrsinnig.
»Das habe ich dir auch schon erklärt!«, sagte Adrian verzweifelt. »Sie hat sich darum gekümmert. Das ist kein Problem.«
»Du meinst Lady –«
»Schhh! Denk nicht einmal daran, ihren Namen auszusprechen! Was sie mit Verrätern macht, willst du gar nicht wissen!«
Jakob sah aus, als wollte er protestieren, aber ein paar Augenblicke später zuckte er mit den Schultern. »Okay. Wenn du meinst. Aber ich habe gehört, dass Merlin Leute in Mistkäfer verwandeln kann, und ich habe keine Lust, für den Rest meines Lebens mit sechs Beinen in einem Haufen Pferdemist herumzukrabbeln.«
Die beiden Jungen liefen durch den Gang in Richtung der Pferdeställe. Kaum waren sie verschwunden, winkte Adolphus mit einer seiner Klauen. Olivia schlich an der Wand entlang, bis sie den Drachen erreichte. Sie trug ein Paar von Max’ Beinlingen und eine dunkle Tunika. Mit ihrem dunklen Haar und dem Dreck, den sie sich ins Gesicht gerieben hatte, war sie im Halbdunkel des Korridors kaum zu erkennen.
»Hab ich’s dir doch gesagt, Adolphus«, wisperte sie aufgeregt. »Ich wusste, dass die beiden etwas damit zu tun haben!«
»Sollen wir ihnen weiter folgen?« Adolphus hüpfte auf dem Balken auf und ab. »Ich kann wieder ganz, ganz leise sein. Ich kann herausfinden, wohin sie gehen.«
»Ich weiß nicht …«, sagte Olivia nachdenklich – aber da war es schon zu spät. Adolphus hatte seine Schwingen ausgebreitet und war mit einem blaugrünen Schimmern verschwunden. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Als sie den Gang erreichten, war niemand mehr zu sehen. Adolphus flog aufgeregt im Kreis. »Wo stecken sie? Wir müssen sie einholen! Wo sind sie hin?« Er war ganz aufgelöst.
»Adolphus!«, zischte Olivia. »Warte! Komm zurück! Ich glaube, es ist besser, wir suchen Merlin!«
»Ja, das wäre wahrscheinlich besser«, knurrte eine nur allzu vertraute Stimme und Adrian trat aus dem Dunkel eines Türrahmens hinter ihr. »Aber ich schätze, dazu kommt es jetzt nicht mehr. Für uns wäre das nämlich nicht gut, wisst ihr?«
»Adrian!«, stöhnte Olivia. »Oh, Mistkugel!«
»Mistkugel, in der Tat, allerliebste Olivia«, sagte Adrian und drehte ihr einen Arm auf den Rücken. Jakob tauchte aus dem Halbdunkel auf und packte den anderen. »Mir kommt es so vor, als hätte ich dich heute schon einmal aus dem Weg geschafft … Weißt du, wenn du hier rumschnüffeln willst und deine Nase in Dinge steckst, die dich nichts angehen, solltest du das nicht mit einem schwachköpfigen Drachen tun, der lauter als eine ganze Herde Greife ist. Wir hätten euch auch noch drei Länder weiter gehört.«
Er drehte sich um und warf eine Handvoll von etwas auf Adolphus, der mit angsterfüllten Flügelschlägen über ihren Köpfen herumflatterte.
Der Drache fiel zu Boden wie ein Stein.