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Текст книги "Froschzauber"
Автор книги: Cecilia Busby
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Ein Drache eilt zu Hilfe
Adolphus, der Schoßdrache, schnüffelte am Burgtor herum. Dass Max und Olivia in Gefahr schwebten, wusste er nicht. Er suchte nach Kellerasseln, die meist im klammen Halbdunkel unter dem schweren Holztor herumkrochen. Adolphus fand Kellerasseln faszinierend. Und wenn er genug davon hatte, ihnen beim Krabbeln zuzusehen, fand er sie auch ziemlich lecker.
Adolphus schlängelte seinen schuppigen blaugrünen Körper in die dunkelste Ecke, und als er ein paar Asseln über den Boden flitzen sah, wedelte er glücklich mit seinem gezackten Schwanz. Er wollte gerade ein bisschen Feuer spucken, damit die Asseln noch ein wenig schneller liefen, da hörte er ein komisches Geräusch.
Adolphus sah auf. Da war ein kleines, rotes Etwas am anderen Ende der Halle. Genau genommen waren es sogar zwei kleine Etwasse, eins rot und eins lila. Und beide rochen nach muffigen Algen. Adolphus erhob sich in die Luft und segelte durch die Halle, um sich das näher anzugucken.
Mit heillos ineinander verwickelten Flügeln und Beinen stürzte er genau vor den beiden seltsam bunten Fröschen ab. Voller Entsetzen starrten sie ihn an. Adolphus beschnüffelte den roten. Ob er lecker schmecken würde? Doch noch bevor Adolphus den Rachen aufsperren konnte, schrie ihn der zweite Frosch an.
»Adolphus! Hör sofort auf damit! Böser Drache! Du wirst diesen Frosch nichtfressen!«
Adolphus hielt inne. Er war ein wenig konfus. Die Stimme kam aus dem lila Frosch – doch sie klang wie die Stimme seines Frauchens Olivia Pendragon. Er sah auf den Frosch hinab.
»Äh, was? Bist du Olivia?«
»Ja, ja, bin ich!«, sagte der lila Frosch.
Olivia war unglaublich erleichtert. Sie war fest davon ausgegangen, dass Grimm fast als Drachenmahlzeit geendet hätte.
Aber wie es aussah, konnte Adolphus Frösche verstehen und hatte sie sogar erkannt. Das war nicht weniger als ein Wunder, denn Adolphus war nicht gerade ein Genie. Normalerweise fraß er, bevor er Fragen stellte.
»Adolphus«, sagte sie. »Eine von Max’ dämlichen Zaubereien hat uns in Frösche verwandelt. Und jetzt ist Max in die Küche verschwunden, um Pfefferkörner zu besorgen. Er ist schon eine Ewigkeit weg, und wir haben Angst, dass Miss Mudfoot ihn in die Suppe geworfen hat.«
»Wir sind so gut wie sicher, dass sie ihn in die Suppe geworfen hat«, verbesserte Grimm. »Und wahrscheinlich sind wir als Nächstes dran, wenn wir noch länger hier herumstehen.«
»Oh nein! Oh Gott! Max in der Suppe! Wie kann ich helfen?«, rief Adolphus besorgt, schlug aufgeregt mit den Flügeln und trat von einem Bein aufs andere.
»Fürs Erste könntest du uns nicht zertrampeln«, bemerkte Grimm und rettete sich mit einem eleganten Hüpfer vor Adolphus’ Klauen.
»Wir sind auf dem Weg in die Küche«, sagte Olivia. »Max muss da irgendwo stecken. Wahrscheinlich müssen wir ihn retten. Komm!«
Die drei durchquerten die Halle und schlichen durch den Gang zur Küche. An der Tür blieben sie stehen und schauten vorsichtig hinein. Miss Mudfoot rührte im großen Kessel auf dem Herd und warf immer mal wieder eine Handvoll von etwas verdächtig Grünem und Stinkendem hinein. Olivia nahm den Raum in Augenschein. Dann wandte sie sich den anderen zu.
»Oben im Gewürzschrank ist eine Schublade offen. Ich wette, das ist das Pfefferfach. Max muss es irgendwie da hoch geschafft und die Schublade geöffnet haben. Aber ich kann ihn nirgendwo entdecken.«
Grimm hüpfte zum Schrank und spähte zur Schublade hinauf. Dann sah er sich auf dem Fußboden um und entdeckte eine verirrte Haselnuss, die unter einen Stuhl gerollt war. Er packte sie, schätzte präzise die Entfernung ab und schleuderte die Nuss Richtung Schrank. Mit einem dumpfen Knall traf sie die Schublade.
Sie erstarrten, aber offenbar hatte Miss Mudfoot nichts gehört. Wenig später sahen sie zwei orangefarbene Füße auf dem Schubladenrand zum Vorschein kommen und hörten eine Stimme.
»Olivia! Grimm! Ich sitze in der Falle! Das Fach ist zu hoch, um rauszuklettern, und zu eng, um zu springen. Ich hab es versucht – aber ich stoße mir bloß den Kopf. Tut etwas, schnell – bevor Miss Mudfoot mich findet und Gehacktes aus mir macht!«
Olivia und die anderen zogen sich hinter die Tür zurück, um zu beraten.
»Das ist ein Notfall«, sagte Olivia. »Wir müssen ihn da rausholen, bevor sie ihn findet.«
»Und wir müssen an die Pfefferkörner kommen, sonst bleiben wir für immer Frösche«, fügte Grimm hinzu. »Was mich angeht, hat das unbedingt Vorrang. Sosehr ich den guten alten Max auch schätze.«
»Du musst das machen, Adolphus«, sagte Olivia bestimmt. »Du musst zur Schublade fliegen, Max mit einer Klaue packen und ihn dann zurück in den Keller bringen.«
»Die Pfefferkörner«, korrigierte Grimm. »Du musst mit deinen Klauen die Pfefferkörner packen. Max auch, sollte sich das irgendwie einrichten lassen. Aber nur Max wiederzuhaben, ohne die alles entscheidende Zutat, nützt uns nichts.«
»Beides«, sagte Olivia. »Die Pfefferkörner und Max – und sie müssen in den Keller gebracht werden. Hast du das verstanden, Adolphus?«
»Richtig. Ja. Okay«, sagte Adolphus schnell. »Zur Schublade fliegen, die Pfefferkörner fressen und dann Max in den Kessel werfen.«
»Nein!«, sagte Olivia. »Konzentrier dich, Adolphus! Max aus der Schublade in den Keller und die Pfefferkörner aus der Schublade in den Kessel.«
»Oh ja, richtig!«, sagte Adolphus entschuldigend. »Also, Max zu den Pfefferkörnern und die Schublade muss in den Keller.«
»Adolphus!«, stöhnte Olivia. »Max – und – die Pfefferkörner – in – den – Keller!«
»Es wird in einer Katastrophe enden«, sagte Grimm und schlug sich die Schwimmfüße vor das Gesicht.
Adolphus schlängelte sich zurück in die Küche und hielt nach Miss Mudfoot Ausschau. Die Köchin schien vollends damit beschäftigt, etwas verdächtig Braunes und Klebriges in die Suppe zu rühren. Mit ein paar Flügelschlägen flog Adolphus zum Schrank hinauf und schielte in die offene Schublade. Drinnen hockte ein grellorangefarbener Frosch zwischen einigen Pfeffersäckchen.
Adolphus dachte scharf nach. Pfeffer – er brauchte Pfeffer, das hatte Olivia gesagt. Und dann hatte sie noch etwas von Max gesagt. Aber in der Schublade war kein Max – bloß dieser seltsam orangefarbene Frosch. Adolphus kratzte sich am Ohr und überlegte. Vielleicht wollte Max, dass Adolphus ihm den Pfeffer brachte? So musste es sein. Genau! Jetzt wusste er es wieder! Max war im Keller.
Mit einer Klaue packte Adolphus ein Pfeffersäckchen, dann begutachtete er noch einmal den Frosch. Man wusste schließlich nie, vielleicht war er ja lecker. Aber er musste Max den Pfeffer bringen. Ob er den Frosch trotzdem mitnehmen sollte, um ihn später zu fressen? Vorsichtig nahm er den Frosch in den Mund, achtete nicht auf sein Quaken und breitete seine Flügel für den Abflug aus.
Doch Miss Mudfoot war mit ihrer Suppe fertig und auf dem Weg zu ihrer morgendlichen Nascherei – eingelegte Schlangenfüße aus dem Gewürzschrank.
»Oh nein!« Olivia schnappte nach Luft. »Ich kann gar nicht hinsehen!«
Grimm bedeckte sein Gesicht mit einem Schwimmfuß. »Wir sind erledigt«, sagte er. »Erledigt!«
Miss Mudfoot warf einen einzigen Blick auf Adolphus, und bevor jemand »eingelegte Schlangenfüße« hätte sagen können, hatte sie ihn mit ihren fleischigen Fingern im Nacken gepackt.
»Hab ich dich, du stinkende, verzwergte Ausgeburt eines Wurms«, grollte sie. »In meiner Küche! Mit meinen Pfefferkörnern! Und was hast du da in deinem nutzlosen Maul?«
Oje, dachte Adolphus. In den Fängen der schrecklichen Miss Mudfoot! So würde er Max die Pfefferkörner nicht bringen können. Am besten lenkte er sie mit dem Frosch ab. Adolphus warf den Kopf hin und her und wedelte mit dem Frosch – genau vor Miss Mudfoots Augen. Der Frosch quiekte und strampelte verzweifelt mit den Hinterbeinen.
»Du dreckiges Biest«, schimpfte Miss Mudfoot und packte Adolphus noch fester.
Adolphus spuckte den Frosch aus, der schwach zuckend auf dem Fußboden liegen blieb. Dann stieß er einen Feuerstrahl auf die Köchin aus. Fürchterlich fluchend ließ sie ihn los. Und während sie wild auf ihre verbrannten Finger pustete, sauste Adolphus wie ein geölter Blitz aus der Küche.
Miss Mudfoot beugte sich über den zuckenden Frosch.
»Oh, oh, meine kleine Schönheit. Was hat der böse Drache dir getan?«
Max öffnete ein Auge. Das riesige rote Gesicht der Köchin stierte auf ihn herab. Schweißglänzend. Ihr Vielfachkinn glibberte, während sie sprach. Gleich darauf lag er auf einer ihrer schaufelartigen Hände und ihr Gesicht kam noch näher. Max konnte die langen schwarzen Haare sehen, die aus ihren gewaltigen Warzen sprossen. Es schauderte ihn.
»Ja, was bist du denn für ein süßer Fratz?«, gurrte die Köchin. »Was für ein hübsches kleines Fröschlein! Hat dir der garstige Drache wehgetan? Ach, Mami gibt dir einen Schmatz, wie wäre das?«
Max’ Froschaugen weiteten sich vor Entsetzen. Was?! Wollte sie ihn etwa küssen? Miss Mudfoot?!
»Nein, nein, bitte nicht …«, wimmerte er, aber es gab kein Entrinnen. Das sackartig herabhängende Vielfachkinn der Köchin wabbelte heran, ihre Warzen wippten, ihre Lippen spitzten sich …
»Aaaaarrrggghhh!«, kreischte Max.
»Aaaaarrrggghhh!«, kreischte Miss Mudfoot.
Auf einmal fand sich Max auf dem Fußboden wieder, alle viere von sich gestreckt. Miss Mudfoot wich mit hoch erhobenen Händen bis zum Küchentisch zurück. In dem Moment, als ihre Lippen den klebrigen orangefarbenen Frosch berührt hatten, war er in einem Funkenregen explodiert und stattdessen …
… dieser verflixte Junge, Max Pendragon! Miss Mudfoot bleckte die Zähne. Schnell schnappte sie sich das große Knochenbeil und rückte wieder vor. Max rappelte sich sofort auf und rannte um sein Leben. Kaum war er durch die Tür gestürmt, fiel sie krachend ins Schloss. Max sah, wie Adolphus die Schulter gegen die Tür presste, und erblickte dann die beiden Frösche.
»Schnell!«, sagte der lilafarbene. »Heb uns hoch und dann nichts wie ab in den Keller!«
Max packte die Frösche und flitzte durch den Gang. Er sauste um die Ecke, polterte die Kellertreppe hinab und machte noch einmal kehrt, um die Tür zuzuschlagen. Miss Mudfoot war ihnen auf den Fersen. Ihre großen, schweren Füße klatschten auf die Steinfliesen. Max fummelte wie wild in seiner Gürteltasche – ah, da war er! Er zog den großen eisernen Schlüssel hervor und schloss die schwere Kellertür ab. Die letzten paar Stufen rutschte er nur noch. Dann brach er auf einem Haufen alter Gobelins, die am Fuß der Treppe lagen, zusammen. Miss Mudfoot bearbeitete die Kellertür mit Faustschlägen, aber das Holz war dick und mit Eisenbändern verstärkt. Sie wusste, wann sie besiegt war. Max hörte ihre schweren Schritte auf der Treppe, und erst danach traute er sich wieder, Luft zu holen.
»Nun ja«, sagte Grimm, nachdem sie ein wenig verschnauft hatten. »Das war knapp. Aber wenigstens wissen wir jetzt, wie wir diesen Zauber rückgängig machen können. Tut mir leid, das zu sagen, Max, aber ich denke, jetzt ist eine Runde Küssen angesagt.«
»Es tut mirleid«, sagte Max, dem die Erinnerung an Miss Mudfoots Kuss noch immer einen Schauer über den Rücken jagte. »Aber es wird ein wenig Erholung, eine ordentliche Belohnung und euer flehentliches Bitten brauchen, bis ich auch nur in Erwägung ziehen kann, zwei klebrige Frösche zu küssen.«
»He, Max!«, sagte Olivia. »Du kannst uns immer noch verstehen!«
»Stimmt«, sagte Max interessiert. »Das muss davon kommen, dass ich selbst ein Frosch gewesen bin. Aber zurück zu der Belohung …«
Grimm hüpfte auf Max’ Schulter und zischte ihm ins Ohr. »Max! Küss mich, damit ich auf der Stelle wieder eine Ratte werde! Sonst stecke ich dir meine lange schleimige Froschzunge ins Ohr und popele dir das Hirn aus der Nase.«
»Mmmh, na ja … also, wenn du meinst«, sagte Max schnell und küsste Grimm auf die Nase.
WUUUSCH!Ein Sternenregen rieselte durch die Luft. Grimm war wieder eine langschwänzige schwarze Ratte, die auf Max’ Schulter saß und sich seelenruhig die Schnurrhaare putzte.
»Danke«, sagte er. »Vielen Dank, wirklich.«
»Wow!«, rief Adolphus. »Das war cool! Mach das noch mal, Max! Bitte! Ich will Olivia wuuuuschen sehen! Mit Sternchen!«
Max sah Olivia an. Ihre Froschaugen sahen gefasst zurück. »Ich schätze, es muss sein«, sagte Max.
»Ich schätze, ich muss mich damit abfinden«, sagte Olivia. Max holte tief Luft und bückte sich, um sie auf ihren froschigen Kopf zu küssen. Olivia kniff die Augen zu.
WUUUSCH!
Sie war von einem Schleier funkelnder Sterne umgeben und wieder ein Mädchen – mit langen schwarzen Zöpfen und einem fröhlichen Gesicht, ohne das kleinste bisschen Lila. Adolphus jubelte und flatterte durch den Raum.
»Das hätten wir also«, sagte Grimm zufrieden und verkroch sich in Max’ Tunika, um ein Nickerchen zu halten.
Max sah Olivia an und grinste erleichtert. Sie waren der schrecklichen Miss Mudfoot entkommen. Sie waren wieder sie selber. Und er kannte jetzt einen großartigen Zauber, um es Adrian Hogsbottom in drei Tagen so richtig zu zeigen.
»Weißt du«, sagte er glücklich, »ich könnte beim Zauberer-Nachwuchs-Wettbewerb eine Assistentin gebrauchen. Um die unglaubliche Wirkung meines noch nie dagewesenen Zaubers zu demonstrieren. Und natürlich würde so eine Assistentin auch einen Anteil von den zwanzig Goldstücken Preisgeld kriegen. Vom ewigen Ruhm gar nicht zu reden!«
Olivia grinste. »Ja, ja, okay«, sagte sie. »Ich lasse mich von dir in einen Frosch verwandeln. Und das Preisgeld teile ich sogar mit dir. Halbe, halbe. Ich kann Adrian Hogsbottom nämlich auch nicht leiden. Letztes Jahr ist er mir auf dem Ball nach der Preisverleihung drei Mal auf die Zehen gelatscht. Und er hat Adolphus ein Erbsenhirn genannt.«
»Adolphus istein Erbsenhirn.« Für einen Moment steckte Grimm den Kopf aus Max’ Tunika, dann ging er wieder schlafen.
»Das tut überhaupt nichts zur Sache«, sagte Olivia bestimmt. »Adrian Hogsbottom ist ein hochnäsiger Lackaffe und wir müssen ihm eins auswischen. Außerdem: Wenn Papa keinen Ritter mehr aus dir machen kann, macht er ja vielleicht aus mir einen. Ich bin dabei!«
»Abgemacht«, sagte Max. »Wir müssen nur noch diesen Umkehrzauber mixen. Dich bloß zurückküssen, das ist viel zu simpel. Alles muss so bombastisch und magisch wie möglich wirken. Diesmal lasse ich Adrian Hogsbottom ganz bestimmt nicht gewinnen!«
Hogsbottoms Geheimnis
Burg Camelot war vom Turm bis zum Burggraben mit silbernen Bannern und bunten Ballons geschmückt. Die Sonne schien und über die Wiese vor der Burg wehte die Musik zahlreicher Spielmänner und Troubadoure, die die Menge mit Geschichten von tapferen Rittern und deren Heldentaten zu erfreuen hofften. Leuchtend bunte Buden waren rings um die Wiese aufgebaut, und es gab eine Menge Zeug zu kaufen: Narrenkappen, Kupferkessel, Tränke im Glas, kostbar verzierte Schwertscheiden, gebratene Rattenschwänze und Spielzeugbesen.
Ritter und Hofdamen schlenderten umher. Und überall wuselten Kinder, Drachen, Hunde und andere kleine Tiere durch die Menge und liefen jedem vor die Füße.
Über dem Burgtor verkündete ein riesiges Banner: Jährliches Festival der Magie.
»Mmmmh, Spanferkel«, sagte Max und sog den Duft von Gebratenem ein, der von zahlreichen Grillfeuern aufstieg. Er, Olivia und ihre Eltern schoben sich auf das Burgtor zu, mit Adolphus an der kurzen Leine. Weil Sir Bertram ein entfernter Vetter von König Artus war, hatten sie Zimmer in der Burg. Insgeheim aber beneidete Max die Familien, die ihre bunten Zelte außerhalb der Burg aufgebaut hatten und den Sonnenschein genossen.
Als sie das Burgtor erreichten, versperrten ihnen zwei ziemlich mürrisch aussehende Wachmänner den Weg.
»Passierschein, bitte«, sagte einer von ihnen gelangweilt und streckte die Hand aus.
»Passierschein?«, grollte Sir Bertram. »Passierschein?! Seht ihr denn nicht, wer ich bin, ihr nichtsnutzigen, schändlichen Söhne einer Küchenmagd? Was soll das heißen – Passierschein?«
Der Wächter sah auf und blinzelte.
»Oh – äh – Sir Bertram – guten Tag«, sagte er verdattert. »So lauten die Befehle, fürchte ich. Alle Besucher müssen ihren Passierschein zeigen. Keinerlei Ausnahmen. Wir haben doch den jungen Prinzen hier, wisst Ihr – den Sohn des Kornischen Königs.« Er senkte die Stimme. »Es ist von einer Verschwörung die Rede. Man wolle ihn entführen, während er hier ist. Das würde natürlich Krieg bedeuten – wo dem Kornischen König doch jeder Anlass recht ist, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Und wenn dem jungen Prinzen etwas zustieße, während er unter dem Schutz des Königs steht, na ja, das wäre dann besagter Anlass …«
»Wenn es Euch also nichts ausmacht«, sagte der andere Wächter und streckte die Hand aus. »Passierschein, bitte.«
Er wich einen Schritt zurück, als Sir Bertram sichtlich anschwoll. Doch bevor Sir Bertram Gelegenheit hatte, auch noch die Farbe einer reifen Tomate anzunehmen (der kritische Moment, wie Max wusste), zog Lady Griselda ein cremefarbenes Stück Pergament aus ihrem Kleid und überreichte es dem Wächter.
»Das, denke ich, wird genügen«, säuselte sie. »Stell dich nicht so an«, fügte sie, an ihren Mann gewandt, hinzu. »Du weißt, dass sie besonders vorsichtig sein müssen.«
»Völliger Unfug«, murmelte Sir Bertram. »Eine verdammte Unverschämtheit ist das, sage ich. Quatsch und Kokolores!« Dennoch ließ er die Wachmänner den Passierschein überprüfen, bevor er Frau und Kinder in die Burg und die Treppen hinauf zu ihren Gemächern im Nordturm scheuchte.
Lady Griselda wurde gleich geschäftig, packte Kessel, Zauberzeug und ihre schönsten Kleider aus. Sir Bertram hingegen dampfte ab, um mit ein paar Freunden Stürz-den-Becher zu üben, einen Trinkwettbewerb, den Sir Bertram üblicherweise gewann. Max zwinkerte Olivia zu und die beiden halfen auf möglichst ungeschickte Weise beim Auspacken. Dabei stellten sie so viele nervige Fragen wie möglich. Derweil segelte Adolphus durch den Raum, wobei er sich immer wieder in den Wandteppichen verhedderte. Nach fünf Minuten hatte Lady Griselda genug.
»Oh, du meine Güte! Könnt ihr wohl verschwinden? Geht meinetwegen euren Zauber üben, aber lasst mich in Frieden! Allein werde ich schneller fertig! Und nehmt bloß diesen verflixten Drachen mit!«
»Danke, Mama«, sagte Max, ließ erleichtert einen Stapel Kleider fallen, und schon waren sie auf der Wendeltreppe, einen von Stufe zu Stufe rutschenden Adolphus im Schlepptau.
Sie machten sich gleich zum Westflügel auf, wo, wie sie wussten, immer ein paar Zimmer leer standen. Merlin lebte in diesem Teil der Burg. Die meisten Gäste wollten jeglichen Kontakt mit dem mächtigen Zauberer vermeiden. Max jedoch fand alles, was ihm je über Merlin zu Ohren gekommen war, genial. Jedes Mal, wenn er hier war, hoffte er, dem Zauberer zu begegnen und ihn kennenzulernen. Leider war es nie dazu gekommen.
»Okay«, sagte Max, nachdem sie sich in einem kleinen, im vierten Stock gelegenen Raum mit schmalen Fenstern breit gemacht hatten. Bis auf ein paar alte Gobelins und Möbelstücke war der Raum leer. »Zeit, das Gegenmittel auszuprobieren.«
Am Tag zuvor hatten sie sowohl den Umkehrzauber als auch den Froschzauber gemixt. Sie hatten jedoch keine Zeit mehr gehabt, die Tränke vor ihrer Abreise nach Camelot noch auszuprobieren. Der Zauberer-Nachwuchs-Wettbewerb sollte am nächsten Tag stattfinden, am Ende des Festivals. Es blieben ihnen also noch anderthalb Tage, um ihren Auftritt zu proben.
»So«, sagte Max und streifte sich einen seiner Jagdhandschuhe über die rechte Hand. »Du stellst dich da vorn hin, in die Mitte des Raums …«
»Bitte, was?« Olivia tat überrascht. »Du willst das an mirausprobieren?«
»An dir, natürlich«, sagte Max betont gelassen. »Schließlich bist du meine Assistentin und schließlich probieren nicht die Zauberer, sondern ihre Assistentinnen die Zaubertränke aus.«
»Ach ja?« Olivia verschränkte entschlossen die Arme. »Aber da du gar kein richtiger Zauberer bist, Max, und ich dir ohnehin schon einen großen Gefallen tue, morgendeine Assistentin zu spielen, solltest heute du an der Reihe sein, den Trank auszuprobieren. Ich werde mich jedenfalls nicht in einen rosa Elefanten mit grünen Punkten verwandeln lassen, nur weil du wieder die Zutaten durcheinandergebracht hast. Nein, danke!«
Max seufzte. Das war das Dumme an kleinen Schwestern. Eine Zeit lang waren sie ganz in Ordnung und fast bekam man den Eindruck, man könnte ihnen vertrauen. Und dann ließen sie einen im entscheidenden Moment im Stich. Zum Teufel! Dann würde er den stinkenden Trank eben selbst schlucken müssen.
»Nun denn«, sagte er, zog den Handschuh wieder aus und reichte ihn Olivia zusammen mit einer durchsichtigen grünen Glasflasche an einer Kette. »Hier sind das Gegenmittel, um mich zurückzuverwandeln, und ein Handschuh. Den trägst du, wenn du den Froschzaubertrank anfasst. Wir wollen ja nicht, dass du dich versehentlichin einen Frosch verwandelst, oder?«
Vorsichtig zog er eine kleine blaue Flasche aus seiner Gürteltasche und schüttelte dabei zugleich Grimm aus seiner Tunika.
»Oh!«, rief Grimm, als er auf den Fußboden plumpste. »Sag bloß nicht, dass du dich freiwillig in einen Frosch verwandeln willst! Als hättest du beim letzten Mal nicht genug Chaos gestiftet. Manche Leute lernen es nie.«
»Weißt du, manchmal sehne ich mich nach der Zeit zurück, als ich dich noch nicht verstehen konnte, Grimm«, seufzte Max. »Das hier ist wichtig. Es wird mir für alle Zeit den Schwertkampf ersparen und vielleicht sogar einen Arm retten, den mir Papa in einem seiner verrückten Momente sonst abschlagen würde. Außerdem wird Adrian Hogsbottom Dreck fressen, wenn er es sieht.«
»Und es wird Spaß machen!«, rief Adolphus aufgeregt. »Wuuusch wird Max machen! Mit Sternchen!«
»Oh, ja, natürlich. Weckt mich, wenn das Gegenmittel nicht wirkt. Ich werde dann in Erwägung ziehen, Max einen dicken feuchten Rattenschmatz zu verpassen.«
Grimm rollte sich hinter einem Wandteppich zusammen und schlief wieder ein.
»Also«, sagte Max und holte tief Luft. »Zieh dir den Handschuh über und streck die Hand aus.« Er schüttete etwas blaue Schmiere in Olivias behandschuhte Handfläche und verstaute die Flasche wieder in seiner Gürteltasche.
Olivia warf Max die blaue Schmiere ins Gesicht.
BÄNG!
Er verschwand und auf dem Boden saß nun ein kleiner orangefarbener Frosch mit blauen Punkten.
»Uuuumpfff«, machte er. »Ich hatte vergessen, was für ein komisches Gefühl das ist.«
»Okay«, sagte Olivia. »Das hat schon mal funktioniert. Und jetzt das Gegenmittel.«
Sie entkorkte die grüne Flasche und wollte gerade ein paar Tropfen auf Max schütten, als die Tür aufging und eine laute, schnarrende Stimme sie unterbrach.
»Na, wenn das nicht die kleine Olivia Pendragon ist! Und ganz allein! Wie schön, dich wiederzusehen. Und wo steckt dein nichtsnutziger Bruder?«
Der Junge war groß und blass. Er hatte stachelige schwarze Haare und einen höhnischen Ausdruck. Hinter ihm stand ein kleiner, stämmiger Junge mit rotem Haar und einem Mopsgesicht. Er schielte ein bisschen und sah gemein aus.
»Oh … hallo, Adrian«, sagte Olivia nervös, korkte die grüne Flasche wieder zu und hängte sie sich schnell um den Hals. »Was machst du denn hier?«
In der Hoffnung, Max würde die Gelegenheit nutzen und unter ihr Kleid hüpfen, schob sie sich vor ihn. Aber die Bewegung ließ Adrian Hogsbottom aufmerksam werden. Er stürzte sich auf den Fußboden.
»Aha!«, sagte er, als er wieder auftauchte, den orangefarbenen Frosch fest im Griff. »Was für eine herrliche Kreatur. Dein Haustier, Olivia?«
»Äh, ja«, sagte Olivia. »Gib ihn mir wieder, bitte! Ich muss – äh – aufs Zimmer zurück! Meiner Mutter helfen.«
»Oh, sicher, natürlich«, quäkte Adrian gelangweilt. »Aber weißt du, erst habe ich ein paar Fragen an dich. Und wie es aussieht, gebe ich dir den Frosch nur zurück, wenn du sie auch beantwortest. Stimmt’s, Jakob?«
Der kleinere Junge nickte und kam näher. Olivia war plötzlich umzingelt. Adolphus, der nicht recht wusste, wie er die Situation einordnen sollte, und erst mal zwischen den Füßen der beiden Jungen herumgeschnüffelt hatte, beschloss nun, dass sie nett waren, und ging fröhlich mit dem Schwanz wedelnd ein paar Kellerasseln suchen.
»Okay«, sagte Olivia und versuchte, nicht allzu besorgt zu klingen. »Was willst du wissen?«
»Ich will wissen, wo dein verflixter Bruder steckt und was für einen Zauber er ausbrütet. Ich will alles über diesen Zauber wissen, weil ich nämlich dafür sorgen werde, dass er morgen nicht gewinnt. Für den passenden Gegenzauber muss ich alles wissen, kapiert?« Adrians gemeines Gesicht kam Olivias ganz nah. Er winkte mit dem Frosch.
Trotz Adrians Zangengriff strampelte Max wütend mit den Hinterbeinen. Kein Wunder, dass sein Eimerzauber im letzten Jahr nicht funktioniert hatte! Adrian hatte einen Gegenzauber verwendet. Dieser miese, dreckige, schummelnde Schleimbeutel!
»Das sage ich nicht!«, rief Olivia zornig. »Du gemeiner Betrüger! Warum sollte ich meinen eigenen Bruder verraten?«
»Weil«, sagte Adrian genüsslich, »ich sonst gezwungen bin, deinen Frosch in den Burggraben zu werfen. Da drin lebt ein zwei Meter langer Hecht, habe ich gehört.«
Er ging zum Fenster und streckte seinen Arm hinaus. Tief unten lag der Burggraben. Olivia sah, dass Max wie irre seinen Froschkopf schüttelte. Aber hieß das: Sag ihm nichts! Lieber sterbe ich!Oder hieß das: Nein, ich will nicht in den Burggraben. Sag ihm alles! Ich habe keinen Stolz!
Olivia seufzte.
»Okay, du hast gewonnen. Er will …«
Der Frosch quakte laut und strampelte wild mit den Beinen.
»… mir ein lila Gesicht zaubern«, beendete Olivia den Satz. Max seufzte vor Erleichterung. Leider währte die nicht lange.
»Lila?«, spottete Adrian. »Was für ein Schwachkopf! Das ist der einfachste Zauber im ganzen Buch. Ehrgeiz hat er wohl gar keinen, was? Na, danke jedenfalls«, fügte er wie nebenbei hinzu und ließ den Frosch los, der wie ein Stein fünfzehn Meter tief aufs graue Wasser zustürzte.
»Du verlogener Schleimbeutel!«, kreischte Olivia und wollte sich schon auf Adrian werfen, aber Jakob hatte sie schneller gegen die Wand gedrückt, als man »abgesoffener Frosch« hätte sagen können. Kichernd ging Adrian an ihr vorbei.
»Oh, er ist mir aus der Hand gerutscht. Aber warum Theater machen um einen alten Frosch? Im Ententeich der Burg gibt es noch jede Menge.«
Im Vorbeigehen bespritzte Adrian sie mit ein paar Tropfen aus einem Flakon, der an seinem Gürtel hing. Plötzlich konnte Olivia weder ihre Arme noch ihre Beine bewegen. Sie rutschte die Wand hinab, bis ihr Hintern mit einem Plumps auf dem Boden landete. Mit einem schallenden Lachen verließen die Jungen den Raum.
»Los, Jakob«, hörte sie Adrian noch sagen, bevor die Tür zuschlug. »Jetzt üben wir noch ein bisschen Schwertkampf, und dann wird es Zeit, dieses Balg aus der Burg zu schaffen. Für Vater.«