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Froschzauber
  • Текст добавлен: 6 октября 2016, 19:19

Текст книги "Froschzauber"


Автор книги: Cecilia Busby


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Entführt!

Sir Richard Hogsbottom rieb sich vor Freude seine dicken Hände. Lady Morgana le Fay, die mächtigste Zauberin des Landes und Halbschwester des Königs, war sein Gast. Sie trank seinen teuersten Wein und behandelte ihn wie ihresgleichen. Fast jedenfalls. Denn während sie in dem großen, mit Schnitzwerk verzierten Eichenstuhl saß, musste er stehen. Und während sie sagte, was er tun sollte, sagte er bloß: »Ja, Mylady« oder »Nein, Mylady«. Und doch – sie befanden sich in demselben Raum! Und er war bei dem Komplott dabei! Er war Lady Morganas vertrauter Mitverschwörer. Teil ihres Plans, König Artus zu stürzen!

Sir Richard lächelte in sich hinein. Es hatte ihn gewundert, wie sehr sie ihren Halbbruder hasste, wie innig sie sich wünschte, seinen Platz einzunehmen und Königin zu werden. Doch jetzt kannte er die Wahrheit. Und wenn sein Sohn Adrian erst seinen Teil getan hätte, würde er, Sir Richard, der Günstling der neuen Königin sein. Reich, berühmt. Und wenn er wollte, könnte er diesen schrecklichen Sir Bertram Pendragon an den Zehennägeln von der Burgmauer baumeln lassen, warum nicht? Und ganz bestimmt würde er größere und teurer möblierte Zimmer zugewiesen bekommen, wenn er in Camelot bliebe. Dies hier war winzig und irgendwie roch es auch ziemlich nach Froschtümpel hier drinnen …

»Sir Richard!« Lady Morganas Stimme weckte ihn aus seinen Tagträumen.

»Aber ja, Mylady, aber ja, unbedingt. Ganz meine Meinung«, stotterte er, ohne genau zu wissen, wovon die Rede war.

»Ich habe gefragt, wann Ihr Euren Sohn zurückerwartet«, sagte Lady Morgana kühl.

»Oh, äh, ja, Verzeihung, gewiss – nun, also, jeden Augenblick, Verehrteste. Er sollte gleich hier eintreffen. Adrian ist ein guter Junge, sehr schlau – und selbst schon ein kleiner Fachmann in Sachen Magie, wisst Ihr. Hat zweimal in Folge den Zauberer-Nachwuchs-Wettbewerb gewonnen!«

Max – versteckt unter dem Wandteppichsaum – schäumte vor Wut.

Adrian Hogsbottom! Es war nicht Adrians magisches Talent, es war dessen Talent zum Lügen und Betrügen gewesen, das ihm zum Sieg verholfen hatte. Noch einmal würde das bestimmt nicht passieren. Vorausgesetzt natürlich, dass es Max gelänge, rechtzeitig vor dem Wettbewerb zu türmen und Olivia aufzutreiben. Was durch Sir Richards und Lady Morganas Auftauchen arg erschwert worden war. Und was in diesem Augenblick noch ärger erschwert wurde.

Sir Richards Lobeshymnen auf seinen Sohn wurden durch ein lautes Klopfen unterbrochen. Beinahe im selben Augenblick flog die Tür auf. Auf der Schwelle erschien ein mit einer strampelnden, um sich tretenden Olivia kämpfender Adrian. Dahinter wurde Jakob sichtbar, der unter dem Gewicht eines leblosen, kleinen, blaugrünen Drachens stöhnte.

»Adrian!«, platzte Sir Richard heraus. »Was zur Hölle ist los? Was macht die hier?«

Olivia versuchte, etwas zu sagen, aber Adrian hatte sie mit einem Tuch geknebelt und mehr als »Mmmpff … Mmmpff!« brachte sie nicht heraus.

Adrian stieß sie brutal in den Raum und Olivia fiel der Länge nach hin, genau vor Lady Morganas Füße. Die Zauberin sah auf Olivia hinab wie auf eine besonders schleimige Schnecke.

»Das ist die Schwester dieses Schwächlings Pendragon«, spuckte Adrian aus. »Hat uns mit ihrem strohköpfigen Hausdrachen nachspioniert. Sie hat mich und Jakob über den Prinzen reden hören. Dass wir ihn in den Wald bringen wollen … Wir müssen uns die beiden ein für alle Mal vom Hals schaffen.«

»Oh, äh, also, das ist vielleicht ein bisschen zu viel des Guten. Wenn wir stattdessen, also, äh – Mylady?«

Mit einem Ausdruck des Entsetzens in seinem Gesicht sah Sir Richard Lady Morgana an. Damit, dass jemand während dieser Unternehmung verletzt würde, hatte er eigentlich nicht gerechnet. Gedemütigt – das ja. An den Rand eines Krieges getrieben – in Ordnung. Entthront und in den Kerker geworfen, während alle anderen feierten und es sich gut gehen ließen – das war zu erwarten gewesen. Aber sich jemanden gleich vom Hals schaffen? Echte körperliche Gewalt? Für so etwas war er nun wirklich nicht geschaffen …

»Noch nicht«, sagte Lady Morgana bestimmt. »Als zusätzliche Geisel könnte sie uns nützen. Und wenn nicht, können wir uns später immer noch um sie kümmern. Wir bleiben bei unserem Plan. Lasst das Mädchen und den Drachen hier und schließt die Tür ab. Die gehen nirgendwohin.« Sie lachte, und Olivia lief, als sie dieses Lachen hörte, ein Schauer über den Rücken.

»Kommt, Sir Richard – es ist Zeit, den Jungen beim ›Packen‹ zu helfen.« Lady Morgana rauschte aus dem Raum. Adrian an ihrer Seite – mit Sir Richard, der plötzlich weiche Knie hatte, im Schlepptau. Jakob ließ Adolphus auf den Boden plumpsen und folgte ihnen.

Die Tür fiel zu und Max hörte, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde.

»Olivia!«, quakte er. »Olivia, hier bin ich, unter dem Wandteppich …«

Er hüpfte auf seine Schwester zu, die sich gerade aufrappelte.

»Mmmmpff! Mmmmpff!«, rief sie aufgeregt, als sie den orangefarbenen Frosch auf sich zuhüpfen sah. »Mmmmpff … Mmmmpff!«

Sie griff nach dem Knebel, machte sich unbeholfen an dem Knoten zu schaffen und zerrte sich das Tuch schließlich vom Mund.

»Puh! So ist es besser! Max! Wie kommst du hierher?«

»Also«, sagte Max und holte tief Luft.

Er wollte gerade zu einer langen und ausführlichen Schilderung seiner Ängste und Nöte in Burggraben und Burgmauer ansetzen, da lenkte ihn ein Rascheln ab, dem ein lautes Quieken und ein unterdrückter Fluch folgten. Eine große schwarze Ratte quetschte sich aus dem Spalt in der Wand und plumpste auf den Boden.

»Alles klar, alles klar. Nur keine Panik! Ich hab es geschafft, ich bin noch ganz, obwohl ich womöglich ein wenig Fell eingebüßt habe … und vielleicht hat der Hecht auch ein kleines Stück von meiner Schwanzspitze abgebissen. Aber was soll’s, ich will mich nicht beklagen. Das alles ist kaum der Rede wert.« Grimm sah sich um, entdeckte Olivia und den bewusstlos daliegenden Adolphus. »So, so, alle hier«, fügte er hinzu. »Ist das nicht schön?«

»Grimm!«, rief Max freudig. »Du bist mir gefolgt!«

»Na ja, ich hatte keine andere Wahl«, sagte Grimm leise. »Deine Schwester hat mich mehr oder weniger aus dem Fenster geworfen … Geh und rette Max, sagt sie. Oh, kein Problem, sage ich, meine leichteste Übung. Immer bloß dem Modergeruch nach. Auf den guten alten Grimm kann man bauen. Der nimmt es mit blutrünstigen Hechten auf und –«

Aber Max und Olivia hörten schon nicht mehr zu. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihre Neuigkeiten auszutauschen und alles zu einem Ganzen zusammenzusetzen, was jeder von ihnen mitgehört hatte.

»Ach ja«, seufzte Grimm. »So ist es jedes Mal. Keine Dankbarkeit.«

Und er begann, sich die Barthaare zu säubern und zu überprüfen, wie viel Fell er in der Burgmauer gelassen hatte.

»Also brechen sie jetzt auf, mit den Pferden?«, fragte Max nachdenklich.

»Ja«, sagte Olivia. »Adrian wird den Prinzen bei sich haben, versteckt in Laken. Lady Morgana hat Merlins Schutzbann durchbrochen, also werden sie ohne Probleme davonkommen. Und sie haben gesagt, dass sie den Prinzen in den Wald bringen wollen. Damit müssen sie den Düsterwald meinen – flussabwärts, etwa zehn Kilometer entfernt. Aber der Wald ist riesig. Wenn sie da irgendwo ein Versteck haben, findet sie kein Mensch.«

»Dann müssen wir sie aufhalten, bevor sie die Burg verlassen«, sagte Max.

»Aber wir können niemanden benachrichtigen«, wandte Olivia ein. »Der einzige Weg nach draußen führt durch die Toilette. Oder aus dem Fenster.«

»Mmmh«, machte Max. »Auf die Toilette bin ich nicht scharf. Aber das Fenster …«

»Du bist ein Frosch, Max«, sagte Olivia. »Du kannst nicht fliegen.«

»Ich nicht«, sagte Max. »Aber er …« Mit einem Schwimmfuß zeigte er auf Adolphus auf dem Teppich. Dann rief er: »Grimm!«

»Oh, gibt es mich etwa doch noch? Nimmst du meine Existenz zur Kenntnis?«, fragte Grimm fröhlich. »Bestimmt willst du was von mir, deshalb.«

»Ja«, sagte Max. »Beiß Adolphus. Was für ein Zauber auch immer auf ihm liegen mag, vielleicht kriegst du ihn wach.«

»Mit Vergnügen«, sagt Grimm, entblößte die Zähne zu einem bösartigen Grinsen und huschte zum Drachen hinüber.

»Oh, tu ihm nicht zu sehr weh«, bettelte Olivia. Doch Grimm war ganz sanft, knabberte an Adolphus’ Ohren und stupste gegen seinen Kopf, während Max den Drachen schüttelte und ihm die Lider aufzusperren versuchte.

Es schien zu funktionieren. Adolphus schniefte und bewegte ein Bein, dann öffnete er ein trübes Auge.

»W-w-w-was? Wassislos? Was soll das?«, sagte er, schüttelte den Kopf und stieß einen kleinen Feuerstrahl aus, der Grimms Schwanz nur knapp verfehlte.

»W-wer? W-was? Nein, nicht zum Frühstück. Danke. Was? Nein. Kellerasseln!«

»Hoffnungslos«, sagte Grimm betroffen. »Besonders viel los war in seinem Oberstübchen ja nie, aber der Zauber muss sein Hirn endgültig aufgeweicht haben.«

Adolphus kämpfte sich auf die Beine, taumelte, schüttelte sich und sperrte beide Augen auf.

»Brrr!«, machte er, spuckte Feuer und sah sich um. »Olivia! Max! Grimm! Jippie, alle beieinander! Toll! Was wollen wir spielen?«

»Aha«, sagte Grimm. »So hohlköpfig wie sonst auch. Das ist immerhin ein Anfang.«

»Adolphus!«, rief Olivia voller Freude und nahm den Drachen fest in den Arm. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Adrians Zauber hat dich außer Gefecht gesetzt. Wir wussten nicht einmal, ob wir dich überhaupt wieder wach kriegen würden. Wir sind hier in Sir Richard Hogsbottoms Zimmer eingesperrt und du musst uns helfen. Du musst aus dem Fenster fliegen und Hilfe holen!«

»Oh, okay, alles klar. Einverstanden! Ich rette euch! Das macht Spaß!«, rief Adolphus. Er sprang zum Fenster hinauf und schielte nach unten.»Oh. Äh. Das ist aber ganz schön hoch, oder?«, sagte er kleinlaut.

»Aber Adolphus!«, stöhnte Olivia. »Du bist ein hoffnungsloser Fall. Wie kann ein Drache Höhenangst haben? Wir sind bloß im zweiten Stockwerk!«

Max hüpfte zum Fenster.

»Heb mich hoch«, quakte er Olivia zu. »Ich will sehen, wo wir sind.«

Olivia nahm ihn vorsichtig auf und setzte ihn neben Adolphus auf das Fensterbrett. Max sah hinaus.

»Ich kann die Zugbrücke sehen!«, sagte er. »Wir sind an der Vorderseite der Burg. Und nicht so hoch. Komm schon, Adolphus! So schlimm ist es nicht.«

»Oh, also … äh …«, sagte Adolphus argwöhnisch, streckte eine Klaue aus dem Fenster und zog sie dann eilig zurück. »Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich nicht richtig wohl …«

»Oh nein! Olivia! Ich kann Adrian sehen!«, kreischte Max plötzlich und hüpfte auf der Stelle. »Er hat sein Pferd dabei – und Jakob. Sie reden mit den Wachmännern am Burgtor! Er entkommt!«

»Wo?«, rief Olivia.

Auf Zehenspitzen lugte sie durchs Fenster. Dann sah sie es auch. »Oh nein!«, stöhnte sie. »Das schaffen wir nie! So schnell können wir niemanden benachrichtigen!«

»Was machen wir jetzt bloß?«, jammerte Max. Ihre Tatenlosigkeit quälte ihn. »Wir können sie nicht aufhalten, wir können ihnen nicht folgen. Wir wissen nicht, wohin sie reiten, wir haben keine Pferde, um uns an ihre Fersen zu heften. Und wenn wir welche hätten, würden sie uns bemerken und – ich hab’s!« Mit einem Schwimmfuß schlug er sich vor die Stirn. »Warum bin ich nicht vorher darauf gekommen? Adolphus, du musst aus dem Fenster fliegen und du musst mich mitnehmen! Wir fliegen ihnen einfach hinterher und retten den Prinzen selbst!«

»Genial!«, rief Olivia. »Adolphus kann dich in seinen Klauen tragen! Und wenn du bei ihm bist, hat er bestimmt auch keine Angst mehr, stimmt’s, Adolphus?«

»Äh, also, mmmh … vielleicht nicht ganz so große«, sagte Adolphus unsicher.

»Gute Idee, Max«, sagte Grimm und sprang selbst auf das Fensterbrett. »Ausgezeichnet. Und wenn du ihr Versteck erst gefunden hast, kannst du zu Adrian Hogsbottom hüpfen und ihn mit deinen Schwimmfüßen grün und blau schlagen.«

Max überlegte. »Vielleicht sollte ich den Prinzen nicht als Frosch retten«, gab er zu.

»Aber Max!«, rief Olivia aufgeregt. »Ich habe doch immer noch den Umkehrzauber! Du kannst dich zurückverwandeln, wenn du da bist!«

»Genial!«, sagte Max. »Obwohl ich einer körperlichen Auseinandersetzung vielleicht eher aus dem Weg gehen möchte, auch wenn ich zurückverwandelt bin. Bestimmt kann ich den Prinzen auch ohne einen richtigen Kampf retten …« Er hüstelte und mied Olivias Blick.

Olivia schluckte. »Schon in Ordnung«, sagte sie und dachte an Artus und wie besorgt er ausgesehen hatte. »Ich komme schon klar. Finde den Prinzen. Mich kannst du nachher befreien.«

»Also dann«, sagte Max. »Adolphus! Grimm! Es geht los! Olivia, wir werden dafür sorgen, dass dich jemand befreit, bevor etwas Schlimmes passiert. Versprochen!«

»Ja, Max«, sagte sie mit leiser Stimme und beugte sich zu ihm, um ihm einen Abschiedskuss zu geben.

»Niiiiiiicht!«, kreischte Max und gerade noch rechtzeitig hielt sie inne.

»Ach ja.« Sie lachte unsicher. »Das hatte ich vergessen. Viel Glück euch allen. Und jetzt macht besser schnell!«

Max spähte aus dem Fenster und sah Adrian und Jakob über die Zugbrücke traben und dann auf den Weg Richtung Fluss abbiegen. Er hüpfte zu Adolphus hinüber, der ihn in eine Klaue nahm, während Grimm sich auf den Rücken des Drachen schwang und dort festkrallte.

»Okay«, sagte Max. »Adolphus – Abflug!«

»Aaaaaaaaaarrrrghhh!«, kreischte Adolphus, als er sich mit geschlossenen Augen vom Fensterbrett abstieß und wie verrückt mit den Flügeln schlug, weil er wie ein Stein auf den Burggraben zustürzte.



Der entscheidende Schlag

Max, Grimm und Adolphus hockten unbequem in den oberen Ästen einer großen Eiche mitten im Düsterwald. Nach seinem spektakulären Sturzflug, der beinahe im Burggraben geendet hatte, war Adolphus doch noch rechtzeitig eingefallen, wie Flügel funktionieren. Es hatte gewaltig geruckt, und dann war Adolphus über die Köpfe der verdutzten Burgwachen hinweggerauscht. Max und Grimm kämpften heftig dagegen an, dass ihnen nicht übel wurde.

Danach waren sie eine Zeit lang über die Landschaft hinweggeglitten, Adrian und Jakob stets im Blick. Bis sie schließlich den Rand vom Düsterwald erreicht hatten. Es war finster zwischen den Bäumen, die dicht beieinanderstanden und die helle Mittagssonne aussperrten.

In der letzten Stunde ihrer Jagd hatten Max, Adolphus und Grimm den Reitern, von Wipfel zu Wipfel fliegend, dichter auf den Fersen bleiben müssen. Jetzt allerdings sah es so aus, als hätten Adrian und Jakob ihr Ziel endlich erreicht: eine kleine Hütte aus Stein, tief im Wald verborgen.

»Mir gefällt das nicht, Adrian«, sagte Jakob und sah nervös über die Schulter zurück. »Ich bin sicher, wir werden verfolgt.«

»Ach, hör mit dem Jammern auf, Jakob!«, sagte Adrian schroff. »Beim Zehennagel des Druiden! Erinnere mich daran, dass ich mich nie wieder in Gefahr und Dunkelheit wage, wenn du Weichei dabei bist. Und jetzt hilf mir mit dem Prinzen!«

Zögernd trat Jakob heran und fasste einen Zipfel des Bündels, das Adrian gerade von seinem Pferd zerrte. Gemeinsam wankten sie in die Hütte und schlossen die Tür.

»Grimm!«, zischte Max. »Verwandele mich zurück! Vielleicht kann ich ihnen die Pferde stehlen, während sie da drin sind!«

Schnell entkorkte Grimm mit seinen Zähnen die Flasche und schüttete ein paar Tropfen auf den orangefarbenen Frosch. Ein Blitz leuchtete auf, gefolgt von einem lauten Knacks. Der Ast, der Max als Frosch ohne Weiteres getragen hatte, zerbrach unter dem Gewicht eines elfjährigen Jungen und katapultierte ihn auf den Waldboden.

»Auuuu! So ein Mist!«, fluchte Max, rollte sich ab und rappelte sich auf. Schnell sah er zur Hütte hinüber, aber dort schien alles still. Er schaute zu den Ästen hoch.

»Grimm! Adolphus!«, rief er leise. »Kommt runter! Vielleicht brauche ich Hilfe.«

Es raschelte oben in den Zweigen. Dann streckten die beiden schließlich ihre Köpfe weiter unten aus dem Laub.

Grimm sprang auf Max’ Schulter und knabberte liebevoll an seinem Ohr.

»Als Junge bist du mir viel lieber«, sagte er zufrieden. »Als Frosch riechst du wirklich furchtbar.«

Max grinste und kraulte Grimm zwischen den Ohren, da, wo er es am liebsten hatte. »Komm«, sagte er. »Sehen wir zu, dass wir die Pferde fortschaffen …«

Auf Zehenspitzen näherte er sich den grasenden Pferden. Dann hielt er inne. Wenn es gut lief, machten ihn Pferde bloß nervös. Aber diese hier waren ziemlich groß.

Vorsichtig streckte er die Hand nach einem von ihnen aus. Es sah auf und schnaubte. Eilig trat Max einen Schritt zurück. Das Pferd folgte ihm und versuchte, an seiner Tunika zu knabbern.

»Braves Pferd«, sagte Max ohne innere Überzeugung. »Braves Pferd – äh – lauf einfach weg, ja? Husch!«

Gerade als Max beschloss, das Weite zu suchen, kam Adolphus aus dem Baum geschossen und stürzte sich Feuer spuckend auf die Pferde. Sie rissen die Köpfe hoch, wieherten vor Angst und preschten durch den Wald davon, so schnell sie nur konnten.

Triumphierend kreiste Adolphus über Max’ Kopf. »Habt ihr das gesehen? Seht ihr, wie sie laufen? Bloß ein bisschen Feuer und, wuuusch, weg sind sie! Hipp, hipp, hurra für Adolphus!«

»Toll, Adolphus, wirklich gut!«, sagte Max schnell. »Aber jetzt, um Himmels willen, versteckt euch!«

Und er warf sich hinter einen Busch. Genau in dem Moment, als Adrian und Jakob mit weit aufgerissenen Augen in der Hüttentür erschienen.

»Was war das?«, kreischte Jakob in schierer Panik. »Wo sind die Pferde hin? Ich hab dir doch gesagt, dass wir verfolgt werden!«

»Halt die Klappe!«, sagte Adrian grimmig. »Ich weiß nicht, was das war, aber die Pferde sind durchgegangen. Besser, wir fangen sie wieder ein. Sonst wird Vater sauer, wenn er herkommt. Mit ihr

»Aber ich will nicht …«, fing Jakob an, doch Adrian schnitt ihm das Wort ab.

»Du willst dir ganz bestimmt kein Pferd mit Lady Morgana teilen, Jakob. Glaub mir. Und wenn wir teilen müssen, reite ich mit Vater.«

Das reichte, um Jakob zum Schweigen zu bringen. Unsicher folgte er Adrian in den Wald, den Pferden hinterher.

»Schnell!«, raunte Max den anderen zu. »In die Hütte!«

Kaum waren Adrian und Jakob zwischen den Bäumen verschwunden, schlichen sich Max, Adolphus und Grimm in die kleine Hütte. Im schwachen, gelblichen Licht einer Laterne an der Decke konnte Max einen kleinen Jungen erkennen. Er lag auf einem hölzernen Bett in einer Ecke des Raums und warf ihnen einen reichlich hochmütigen Blick zu. Er war ungefähr sieben Jahre alt, blass und ziemlich schmutzig, doch seine Kleider waren kostbar, und man konnte ihm ansehen, dass er es gewohnt war, seinen Willen zu kriegen.

»Wir sind gekommen, um dich zu retten«, sagte Max. »Kannst du dich bewegen? Wirkt der Lähmungszauber noch?«

»Ein sonderlich großer Retter bist du aber nicht«, sagte der Junge vorwurfsvoll. »Der Lähmungszauber hat ein bisschen nachgelassen, glaube ich, aber ich kann meine Beine nicht bewegen. Kannst du zaubern?«

»Ein bisschen«, sagte Max bescheiden. »Deshalb haben wir dich gefunden. Aber ich kann den Zauber nicht aufheben. Wir werden dir einfach so helfen müssen, bis er nachlässt.«

»Ich habe nicht meinetwegen gefragt«, sagte der Junge. »Ich dachte, du könntest einen Zauber für die da gebrauchen.« Er zeigte zur Tür.

Max fuhr herum. Da stand, dick und breit, Jakob und neben ihm Adrian, die Arme vor der Brust verschränkt und ein höhnisches Grinsen im Gesicht.

Adolphus stürzte sich Feuer spuckend auf Adrian, aber der lachte abfällig, trat einen Schritt zur Seite und warf eine Handvoll Puder auf den Drachen. Im gleichen Moment färbte sich der Feuerstoß rosa, war nur noch lauwarm und kitzelte seinen Gegner bloß etwas.

»He! Du schummelst!«, heulte Adolphus auf, doch Adrian verstand die Drachensprache nicht. Und wenn, wäre es ihm auch egal gewesen. Er kümmerte sich nicht weiter um den Drachen und kam breitbeinig auf Max zu. So konnte sich Adolphus, wie Max erleichtert erkannte, auf Jakob konzentrieren. Sein Feuerstrahl mochte nur noch lauwarm sein, aber Adolphus war immer noch ein Wirbelwind aus blaugrün schimmernden Schuppen und Zähnen und Klauen. Schreiend ergriff Jakob vor ihm die Flucht. Adolphus blieb ihm dicht auf den Fersen.

»Und was zur Hölle«, grollte Adrian und sah voller Verachtung auf Max herab, »tust du hier?«

»Dasselbe könnte ich dich fragen«, sagte Max und versuchte, tapferer zu klingen, als er war.

Adrian Hogsbottom grinste höhnisch.

»Ich erledige eine Aufgabe für eine hochstehende Persönlichkeit – die ganz bestimmt nicht wollen würde, dass du hier rumschnüffelst. Du bist Hackfleisch, Pendragon. Besser, du fängst schon mal an zu beten.«

Max schluckte.

Adrian war viel größer und schwerer als er. Und wenn Grimm sich in Adrians Hosenbeine verbeißen sollte, würde das seine eigenen Chancen auch nicht wesentlich verbessern. Doch er würde das Feld nicht kampflos räumen. Er versuchte, sich krampfhaft daran zu erinnern, was ihm sein Vater über Faustkämpfe beigebracht hatte. Hätte er doch beim Boxunterricht besser aufgepasst! Wäre er doch nicht so klein! Hätte er doch einen größeren Bizeps …

Max schätzte die Entfernung zu Adrians Gesicht ab. Einen einzigen Tipp von Sir Bertram hatte er behalten: Stracks auf die Nase, mein Sohn. Dann, wenn sie am wenigsten damit rechnen. Leg dein ganzes Gewicht in den Schlag!

Adrian griff in seine Jackentasche und war im Begriff, eine kleine Flasche hervorzuholen. Jetzt oder nie!

Mit den Beinen drückte Max sich ab, mit vorgestreckten Armen flog er heran, mit der Faust zielte er genau in die Mitte von Adrians überraschtem Gesicht.

WUMM!

Der Schlag ging total daneben. Max’ Faust berührte Adrian nicht einmal.

Die Wucht, mit der Max aber auf Adrian fiel, holte den größeren Jungen von den Füßen. Adrian stürzte rücklings gegen die Hüttenwand, krachte mit dem Kopf gegen die Steine und sackte wie ein Beutel Schweineschmalz zusammen.

Max rappelte sich auf und sah auf Adrian hinab. Adrian war komisch grün im Gesicht und offensichtlich komplett außer Gefecht gesetzt. Aber immerhin atmete er noch.

»Wow!«, sagte der Prinz voller Ehrfurcht. »Das war Klasse!«

»Ja, gut gemacht, Max«, sagte Grimm, hockte sich auf Adrians Bauch und putzte seelenruhig seine Barthaare. »Ohne meine gezielte Knabberei an seinen Knöcheln hättest du es natürlich nicht geschafft. Aber trotzdem – dein Vater wäre stolz auf dich!«

Max holte tief Luft. Er konnte es kaum glauben. Er hatte Adrian einfach so k.o. geschlagen und Adolphus hatte Jakob Gott weiß wohin gejagt. Wie es aussah, hatte er den Prinzen tatsächlich gerettet. Er führte das Kommando! Auf einmal wurde Max ganz anders zumute. Er musste sich setzen, bevor seine Knie nachgaben.

In diesem Augenblick kam Adolphus durch die Tür geflogen. Das Feuer, das er ausstieß, hatte wieder die richtige Farbe. Glücklich und aufgeregt flatterte der Drache über ihren Köpfen umher.

»Habt ihr das gesehen? Ich habe ihn verjagt! Am Ende hat er eines der Pferde wiedergefunden und ist in die völlig falsche Richtung galoppiert. Weg von der Burg! Das hat vielleicht Spaß gemacht! Und habt ihr meinen gewaltigen Feuerstoß gesehen? Gerade eben? Jippie!«

»Toll, Adolphus, ganz toll«, sagte Grimm schnell. »Aber beruhig dich, bevor du noch die Hütte abfackelst. Das würde uns jetzt noch fehlen – die Helden der Stunde von ihrem hirnlosen Kameraden kross gebraten.«

Adolphus landete auf dem Boden und faltete die Flügel zusammen, hüpfte aber weiter herum. »Und jetzt, Max? Was soll ich jetzt tun? Sag schon, Max! Soll ich noch mal Feuer spucken? Komm, sag!«

Max atmete tief ein und sah sich in der Hütte um.

»Hm, also, vielleicht könntest du ja hier ein bisschen Feuer spucken, Adolphus«, sagte er und zeigte auf die Feuerstelle, wo Adrian und Jakob schon Äste und Zweige aufgeschichtet hatten. »Ich fessele jetzt Adrian, nur für den Fall, dass er zu sich kommen sollte. Aber ich glaube, wir alle könnten jetzt ein bisschen Wärme gebrauchen. Und außerdem knurrt mir der Magen. Keine Ahnung, wie es euch geht, aber mich macht Angst hungrig.«

»Kein Problem!«, sagte Adolphus und ließ einen derart langen Flammenstrahl auf die kleine Feuerstelle los, dass die Flammen bis hoch hinauf in den Rauchabzug leckten. Die Zweige glühten gleich rot und knisterten lustig. Währenddessen schnürte Max Adrian wie ein Brathähnchen zusammen und Grimm schnüffelte in Adrians und Jakobs Satteltaschen nach Essen und Trinken.

Im Handumdrehen saßen der Prinz und seine Retter am Feuer, tranken heißen, gewürzten Apfelsaft und aßen Brot und Käse. Der Prinz war viel freundlicher als am Anfang. Zwar konnte er kein Wort von dem verstehen, was Grimm und Adolphus sagten, doch Max übersetzte, und der Prinz bedankte sich feierlich bei jedem von ihnen.

»Ihr könnt mich Carl nennen, wenn ihr wollt«, sagte er vornehm. »Ihr habt mich ja schließlich gerettet.«

»Also, genau genommen haben wir dich wohl erst gerettet, wenn du wieder in der Burg bist«, sagte Max – und plötzlich überlief es ihn eiskalt. Olivia! Olivia war immer noch in der Burg, immer noch in Sir Richards Zimmer eingesperrt und womöglich in diesem Augenblick Morgana le Fay ausgeliefert! Wo hatte er nur seinen Kopf gehabt?! Dass er Adrian k.o. geschlagen hatte, hatte ihn derart benebelt, dass er Olivia ganz vergessen hatte! Gar nicht zu reden von Sir Richard und Lady Morgana, die bald zur Hütte kommen würden! Was war er nur für ein Idiot!

»Adolphus!«, rief er. »Wir müssen eine Botschaft zur Burg schicken. Jemand muss den Prinzen holen kommen. Am besten Merlin. Und vor allem müssen wir Olivia befreien. Du musst die Botschaft überbringen. Du bist der Einzige, der schnell genug ist!«

»Oh ja! Okay! Auf zur Burg! Aber, äh, wohin genau da?«, sagte Adolphus verwirrt.

Max stöhnte. Vor einer Minute war er sich noch wie ein Held vorgekommen. Jetzt brach die ganze tollkühne Rettungsaktion in sich zusammen. Wohin sollte er Adolphus schicken, wo der sich doch wahrscheinlich nicht einmal den Weg würde merken können? Und wie sollte sich der junge Drache jemandem verständlich machen? Und was sollte er, Max, tun, wenn Sir Richard und Lady Morgana in der Zwischenzeit hier auftauchen würden? Sollte er versuchen, den Prinzen fortzuschaffen?

»Äh, Eure Hoheit? Glaubst du, du kannst laufen?«

»Was? Oh nein. Nein, ausgeschlossen«, sagte Carl sorglos. »Meine Beine fühlen sich noch ganz taub an.«

»Ah«, sagte Max mit schwerem Herzen. Daraus würde also nichts. Er musste den Tatsachen ins Auge sehen: Sie würden noch hier sein, wenn Sir Richard und diese alte Hexe einträfen. Doch Olivia brauchte ebenso dringend Hilfe wie der Prinz. Plötzlich hatte Max wieder die kleinlaute, angsterfüllte Stimme im Ohr, mit der sie gesprochen hatte, als sie aufgebrochen waren. Er traf eine Entscheidung.

»Grimm, du gehst mit Adolphus. Ihr beide zusammen, das macht einen Kopf und ein Paar Flügel. Das sollte reichen, um euch bis in Merlins Zimmer zu bringen. Wenn er nicht da ist, seht zu, dass ihr Papa findet. Merlin wird euch wahrscheinlich verstehen, aber Papa wird eine Nachricht brauchen. Wartet, ich schreibe eine und binde sie an Adolphus’ Bein.«

In einer von Adrians Satteltaschen fand Max ein Stückchen Pergament. Mithilfe eines verrußten Zweigs kritzelte er eine Nachricht darauf: Olivia – Hogsbottoms Zimmer. Beeil dich!

»Ich hoffe, man kann es noch lesen, wenn ihr ankommt«, sagte er, die Stirn in Falten. Dann rollte er das Pergament zusammen und knotete es an Adolphus’ Bein. Der Drache gab sich redlich Mühe, stillzuhalten. »Grimm? Bist du bereit?«

Die schwarze Ratte stupste ihn liebevoll an. »Mach dir keine Sorgen. Wir finden den Weg und wir finden Merlin. Sosehr ich deinen lieben Vater auch schätze, ich glaube kaum, dass er es schaffen würde, dieser Fay-Hexe länger als zehn Sekunden lang standzuhalten. Du bleibst bei Carl, und wenn sie vor uns hier ankommen, dann, also – spuck sie für mich an, ja, Max?«

Max lachte nervös und Grimm grinste. »So ist es richtig! Komm, Adolphus! Auf zur Burg, so schnell uns deine Flügel tragen!«

Er hüpfte auf Adolphus’ Rücken und krallte sich fest. Wie eine Rakete schoss der Drache in die Luft, ein blaugrünes Brausen in der Abendsonne, das einen verhallenden Schrei hinter sich herzog: »Doch nicht soooo schnelllllll!«

Max lächelte und wandte sich wieder dem Feuer zu. Die Arme um die Knie gelegt, blieb er dort sitzen und fragte sich, wie viele Sekunden lang eres schaffen würde, gegen diese Fay-Hexe anzukommen, wenn er müsste.


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