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Heute oder nie!
  • Текст добавлен: 28 апреля 2021, 15:00

Текст книги "Heute oder nie!"


Автор книги: Valentin Krasnogorov



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DOKTOR: Warten Sie. (Freudig.) Sie denken, dass Sie mich betrübt hätten, aber tatsächlich haben Sie mich sehr erfreut.

JOHANNA: Womit?

DOKTOR: (Findet seinen Optimismus und seine Selbstsicherheit wieder.) Erstens damit, dass Sie gestanden und dadurch die Schuld von sich genommen haben. Zweitens, weil ich mich noch vor einer halben Stunde für einen Schwachsinnigen hielt, jetzt aber überzeugt bin, dass ich vollkommen gesund bin. Und die Hauptsache, Marina erweist sich nicht als verheiratet, sondern als frei!

JOHANNA: Ja, frei. Wenn man nicht berücksichtigt, dass man sie für etwa acht Jahre hinter Gitter bringt.

DOKTOR: (Erschreckt.)Wie, „acht Jahre“? (An Marina.) Ist das wahr?

Marina zuckt wortlos mit den Schultern.

JOHANNA: Morgen wird man sie verhaften.

DOKTOR: Das lasse ich nicht zu!

JOHANNA: Was werden Sie tun können?

DOKTOR: Ich weiß noch nicht, aber ich lasse das nicht zu! Ich werde protestieren! Ich… Ich werde Ihnen eine Bescheinigung ausstellen, dass Sie unzurechnungsfähig sind. Allen dreien. Und mir selbst auch, für alle Fälle.

JOHANNA: Doktor, seien Sie ernst. Die Bank fordert die sofortige Rückgabe des Gelds.

DOKTOR: Wer fordert? Dieser Vizepräsident, der mehr einem Schnüffler gleicht? Rufen Sie ihn hierher. Ich reguliere diese Sache.

JOHANNA: Doktor, das ist unmöglich.

DOKTOR: Kleinigkeiten. Rufen Sie Ihren Bankier.

Johanna und Marina tauschen Blicke aus. Marina geht schulterzuckend hinaus.

JOHANNA: Wie wollen Sie die Sache mit der Bank regeln?

DOKTOR: Sehr einfach. Ich bezahle ihr dieses lächerliche Geld.

JOHANNA: Sie stellen sich die Summe nicht ganz vor, um die es geht.

DOKTOR: Das interessiert mich nicht.

JOHANNA: Ich fürchte, dass Ihr Geldbeutel nicht ausreicht.

DOKTOR: Keine Angst. Ich bin ein sehr vermögender Mann.

JOHANNA: Aber um wessen Willen sein Geld verlieren, wegen unbekannter Leute, die Sie außerdem noch betrogen haben? Brauchen Sie denn kein Geld?

DOKTOR: Und wozu nützt es mir? Ich esse nichts Fettes, Salziges, Scharfes, Teures und Gutes. Wie alle reichen Leute halte ich Diät und arbeite die übrige Zeit.

Marina und der Vizepräsident treten ein. Der Doktor wendet sich an den Mann.

Mein Lieber, darf man denn wegen irgendwelchem Geld eine so reizende Frau verfolgen?

VIZEPRÄSIDENT: Geld ist natürlich Unsinn. Es gibt im Leben wichtigere Dinge: Liebe, Schönheit, Gesundheit, Güte…

DOKTOR: Ganz genau.

VIZEPRÄSIDENT: Andererseits, wenn Geld Unsinn ist, warum es dann nicht zurückgeben?

DOKTOR: Weil ihr Bruder es im Casino verspielt hat. Sie hat keinen einzigen Cent.

VIZEPRÄSIDENT: (An Marina.) Stimmt das? (Marina antwortet nicht.) Warum haben Sie das früher nicht gesagt?

MARINA: Was hätte das geändert?

VIZEPRÄSIDENT: Im Grunde nichts. Aber jetzt verstehe ich wenigstens Ihr Verhalten. Allerdings, das Geld muss trotzdem zurückgegeben werden.

DOKTOR: Sagen Sie, wie viel? (Zieht den Geldbeutel heraus.)

VIZEPRÄSIDENT: Die Summe ist armselig, man kann sagen ein Nichts, einfach lächerlich, eine völlige Kleinigkeit, es lohnt sich nicht, darüber zu reden.

DOKTOR: Können Sie die annähernde Summe nennen?

VIZEPRÄSIDENT: Zwei Millionen Euro.

DOKTOR: Zwei Millionen Euro?!

VIZEPRÄSIDENT: So etwa. Wie Sie verstehen, darf man das als Bank nicht als Verlust bezeichnen. Viel ernster ist die Tatsache der Entwendung und des Betrugs. Glauben Sie mir, mir wird es sehr schwer fallen, die Sache zu vertuschen.

DOKTOR: Ich verstehe und schätze das sehr. (Steckt den Geldbeutel ein. An Marina.) Ich fürchte, Liebe, ich bin nicht in der Lage, der Bank diese nichtige Summe zurückzugeben. Wie hat es denn Ihr Bruder fertig gebracht, so eine Unsumme zu verspielen?

JOHANNA: (Beunruhigt.) Übrigens, wo ist er?

MARINA: Wirklich, wo ist Anton? (Sieht sich unruhig um.) Sieh nach, vielleicht ist er im Wartezimmer.

JOHANNA: (Johanna geht eilig hinaus und kommt schnell zurück. In ihrem Gesicht Verwirrung.) Dort ist er nicht.

MARINA: (Mit niedergeschlagener Stimme.) Wir haben ihn wieder weggelassen.

DOKTOR: Ich verstehe nicht, dass Sie so besorgt um ihn sind. Sie sagen doch, dass er absolut gesund ist!

JOHANNA: Ja, er ist gesund, aber…

DOKTOR: Was, aber?

MARINA: Verstehen Sie, er ist sehr besorgt, dass wir seinetwegen in Schwierigkeiten geraten sind.

DOKTOR: Na, und?

MARINA: Und er hat die Wahnidee, das ganze Geld wieder zurückzugewinnen. Und je mehr er spielt, desto mehr verspielt er. Deshalb haben wir in den letzten Wochen versucht, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

JOHANNA: Marina, beruhig´ dich. Ich glaube, er ist nicht im Casino. Jetzt hat er doch einfach gar nichts zum Spielen. Ich habe ihm alles Geld weggenommen, sogar das Kleingeld.

DOKTOR: Hm… Ich fürchte, ich habe einen Irrtum zugelassen.

Die Frauen sehen den Doktor fragend an, der fühlt sich in die Enge getrieben und bekennt. Ich habe ihm welches geliehen.

JOHANNA: Wie viel?

DOKTOR: Tausend Euro.

JOHANNA: Sie sind verrückt geworden!

DOKTOR: (Schuldbewusst.) Ja, seit heute Morgen.

MARINA: (Ein Mobiltelefon klingelt. Marina nimmt es aus der Handtasche.) Hallo!.. Ja, mein Lieber. Wo bist du? (Hört lange zu. Alle folgen ihr gespannt. Ihr Gesicht drückt abwechselnd Angst, Hoffnung, Enttäuschung und Freude aus. Diese Veränderungen spiegeln sich sofort in den Gesichtern der anderen wider. Marina beendet das Gespräch.)

JOHANNA: Und, was?

MARINA: Natürlich ist er sofort, nachdem er das Geld erhalten hat, ins Casino gerannt.

JOHANNA: (Enttäuscht.) Hab ich´s doch gewusst

MARINA: Und hat fast alles verspielt.

JOHANNA: Wie immer.

MARINA: (Feierlich.) Aber dann hat er zwei Millionen Euro gewonnen! Er hat schon ein Taxi gerufen und fährt hierher mit dem Geld.

Allgemeiner Jubel.

JOHANNA: (Umarmt Marina.) Was für ein Glück! (An den Vizepräsidenten.) Gleich jetzt geben wir Ihnen das Geld zurück. Um nicht in Versuchung zu geraten.

VIZEPRÄSIDENT: Glauben Sie mir, ich bin darüber mehr froh, als irgendjemand anderer. Der Skandal in der Bank, Marina auf der Anklagebank, die Schlagzeilen in den Zeitungen… Das hätte mich um den Verstand gebracht.

DOKTOR: Ende gut, alles gut. Lassen Sie uns aus diesem Anlass Champagner trinken! (Öffnet eine Flasche und gießt jedem ein.) Auf was trinken wir?

JOHANNA: Auf den glücklichen Zufall.

MARINA: Auf das Glück!

Anton tritt ein, mit einem Köfferchen in der Hand. Ihn trifft ein Schwall von Grüßen und Glückwünschen.

DOKTOR: Ich begrüße Sie, mein Lieber. Wirklich, Sie haben mich den ganzen Tag an der Nase herum geführt, und dafür sollte man Ihnen den Kopf abreißen, aber, wie man so sagt, die Sieger verurteilt man nicht. Ihrer Schwester zuliebe verzeihe ich Ihnen.

JOHANNA: (Umarmt den Ehemann.) Wenn du wüsstest, wie wir uns aufgeregt haben!

MARINA: Endlich machen wir ein für alle Mal Schluss mit diesem Wahnsinn. Gib ihm (Nickt in Richtung des Bankiers.) dieses verhasste Geld.

ANTON: (Verwirrt.) Welches Geld?

MARINA: Die Millionen, die du gewonnen hast.

ANTON: Welche Millionen?

MARINA: Die du mitgebracht hast. Wo sind sie? In dem Köfferchen? (Anton schweigt schuldbewusst. Marina, die plötzlich die Situation erkennt, öffnet mit einem Ruck den Koffer. Er ist leer.) Was bedeutet das? Hast du uns betrogen? Hast du nichts gewonnen?

ANTON: Doch, ich habe gewonnen! Ich habe zwei Millionen gewonnen. Stell dir vor, zwei Millionen!

MARINA: (Mit einem Seufzer der Erleichterung.) Nun, dann gib sie der Bank zurück. Wo sind sie?

ANTON: Verstehst du, ich habe sie in den Koffer gelegt, das Taxi gerufen und dich angerufen. Und dann dachte ich: Wenn ich heute schon so ein Glück habe, dann setze ich nochmal auf das Pferd. Um nicht nur die Schulden zu tilgen, sondern auch euch abzusichern.

JOHANNA: Und alles verspielt?

ANTON: Nein, nicht alles.

JOHANNA: (Atmet erleichtert auf.) Gott sei Dank.

ANTON: Nicht alles, sondern zweimal so viel. Versteht ihr, nachdem ich alles verspielt hatte, habe ich mich entschlossen, alles auf vabanque zu setzen. Nun, und… (Verstummt.)

VIZEPRÄSIDENT: Wie groß ist denn jetzt die Schuldensumme?

ANTON: (Verwirrt.) Vier Millionen.

Alle sind schockiert. Marina fällt kraftlos in den Sessel. Der Doktor trinkt das nächste Glas Cognac. Der Vizepräsident fasst sich an den Kopf..

JOHANNA: Wenn du nur nicht zurückgekommen wärst.

ANTON: Aber ich weiß einen Ausweg!

JOHANNA: (Müde.) Welchen?

ANTON: Gebt mir wenigstens noch tausend, und ich gewinne alles zurück! Ich schwöre es euch!

Alle schweigen. Als Erster erholt sich der Doktor vom Schock.

DOKTOR: Sagen Sie, Anton, schämen Sie sich nicht, so ein Leben zu führen?

ANTON: Und welches Leben wollten Sie, das ich führe? Ein langweiliges, graues Dasein eines kleinen Angestellten? Ein Leben, wo heute, wie gestern ist und morgen wie heute? Jeden Groschen zu zählen und jeden Cent zu sparen? Sich zu langweilen und das Wochenende zu erwarten, den Urlaub, die Rente? Ist es nicht besser zu riskieren, alles was du hast auf ein Pferd zu setzen, vabanque zu spielen?

DOKTOR: Und wenn du verspielst? Gehst du ins Gefängnis?

ANTON: Und wenn schon? Womit ist das Gefängnis schlechter, als dieses graue, tägliche erniedrigende Leben, ein Leben ohne Risiko, ohne Funken, ohne Schärfe, ohne Pfeffer?

DOKTOR: (Der Doktor nimmt langsam den Geldbeutel und zieht Geldscheine heraus. Anton streckt ihm erfreut die Hand entgegen, aber der Doktor weicht mit ihr zur Seite aus und wendet sich an Marina.) Geben?

MARINA: (Müde.) Wie Sie wollen. Zwei Millionen Schulden, vier, acht, sechzehn – was macht den Unterschied? Trotzdem absitzen.

DOKTOR: Aber es gibt doch trotzdem keinen anderen Ausweg. Und vielleicht klappt´s? (Er gibt Anton das Geld. Dieser ergreift es erfreut und macht sich auf den Weg zum Casino.)

ANTON: Ich komm´ bald zurück, und alles wird gut! Ihr werdet sehen! Ich gewinne! Ich gewinne auf jeden Fall!

ENDE

Leichte Bekanntschaft

Легкое знакомство

Theaterstück in zwei Akten

Aus dem Russischen von Albrecht D. Holzapfel

Inhaltsangabe

Ein Mann und eine Frau treffen spät abends im Restaurant eines Hotels aufeinander und lernen sich kennen, wobei die Initiative in diesem Bekanntwerden die Frau ergreift. Sehr schwer zu verstehen, wer diese seltsame Unbekannte ist: Eine Nachtschwärmerin oder eine elegante Glücksritterin. Der Mann kann nicht bestimmen, ob sie ihm gefällt, ob sie mit ihm spielt, oder einfach verdienen will. Das mündliche Duell dieser Figuren spiegelt ihre gegenseitige Anziehung und Abstoßung wider, ihre Einsamkeit und den Versuch, sie zu überwinden, ihre Sehnsucht nach Liebe und die Angst davor.

Zwei über dem Abgrund

Aus dem Vorwort des Regisseurs Leonìd Cheìfez zur Veröffentlichung des Stücks in der Zeitschrift „Zeitgenössische Dramaturgie“.

Ich habe das Lesen diese Stücks lange vor mir hergeschoben. Ich wollte es „mit nüchternem Kopf“ lesen. Es klappte nicht. Dann entschied ich mich für die einfachste Variante: Ich lese den Anfang und dann stückweise und nach Möglichkeit. Ich begann zu lesen. Der Funke sprang über. Ich musste eine Pause machen. Aber ich wollte noch ein Stückchen lesen… Und dann las ich alles „in einem Atemzug“ durch.

Für mich ist das ein Wunder. Vielmehr ein seltener Fall. Ich habe schon lange kein Stück mehr auf einmal bewältigt. Ich war wie berauscht. Ich unterrichte im Institut, probe im Theater… Und dann hat Valentin Krasnogorov so ein Stück geschrieben. Man kann sagen, eine meisterliche Arbeit. Blendend aus handwerklicher Sicht. Auch zu heutigen Zeiten eine seltene Sache. Wort für Wort „ins Schwarze“. Wo gibt es jetzt noch so eine Dramaturgie? Halloooo!?

Ich wiederhole und bestehe darauf: Das Stück ist blendend gemacht… Hinter der meisterhaften Ausführung der Dialoge schlägt der Puls heißen Bluts.

Handelnde Personen:

Er

Sie

Immer wieder, ob wir der Liebe Landschaft auch kennen

und den kleinen Kirchhof mit seinen klagenden Namen

und die furchtbar verschweigende Schlucht, in welcher die anderen

enden: immer wieder gehn wir zu zweien hinaus

unter die alten Bäume, lagern uns immer wieder

zwischen die Blumen, gegenüber dem Himmel.

Aus: R.M.Rilke, Die Gedichte 1910 – 1922 (Ende 1914)

Erster Akt

Saal eines Hotelrestaurants. Spät abends, das Restaurant ist fast leer. An einem der Tischchen, isst ein Mann mittleren Alters, sich nicht beeilend, zu Abend und liest, scheinbar zerstreut, handschriftliche Aufzeichnungen.

Einige Tische weiter entfernt sitzt eine gut gekleidete, anziehende Frau im besten Alter. Sie trinkt gemächlich Kaffee. Mann und Frau achten scheinbar nicht aufeinander. Obwohl sie ihm unbemerkt einige Blicke zuwirft. Der Mann klopft mit dem Messer an sein Glas, nachdem er den Saal mit Blicken nach dem Kellner abgesucht hat.

Die Frau, offenbar einen Entschluss gefasst, steht auf und tritt an seinen Tisch.

SIE: Entschuldigen Sie, ist hier frei?

Der Mann hebt den Kopf, sieht sich im leeren Saal um und schaut erstaunt auf die Frau.

SIE: Ich frage, ist hier frei?

ER: Ja, frei.

SIE: Kann ich mich auf diesen Stuhl setzen?

Er räumt unwillig die auf dem Stuhl liegende Aktentasche weg.

ER: Ja, bitte.

Sie setzt sich. Er nimmt aus der Tasche ein Papier und vertieft sich demonstrativ darin, einige Korrekturen machend. Sie hängt ihr Täschchen an die Lehne des Stuhls, richtet ihre Frisur und setzt sich bequemer auf dem Stuhl zurecht. Man merkt, dass sie sich „auf längere Zeit einrichtet“.

SIE: Entschuldigen Sie, haben Sie Streichhölzer?

ER: (Sich vom Lesen abwendend) Was?

SIE: Ich frage: Haben Sie Streichhölzer?

ER: Ich rauche nicht.

SIE: Schonen Sie die Gesundheit?

ER: Ich rauche einfach nicht.

SIE: Recht so. Ich rauche auch nicht.

ER: Warum haben Sie dann um Streichhölzer gebeten?

SIE: Ich habe nicht darum gebeten. Ich wollte einfach wissen, ob Sie welche haben oder nicht.

ER: Angenommen, nicht. Was dann?

SIE: Nichts.

ER: Und wenn ich welche habe?

SIE: Auch nichts.

ER: Der Versuch, ein Gespräch anzufangen?

SIE: Vielleicht.

ER: Gehen Sie davon aus, dass er nicht geklappt hat.

SIE: Überhaupt, geht man davon aus, – und ich weiß nicht warum, dass ein Gespräch anzufangen, dem Herren zusteht.

ER: Wenn er das will.

SIE: Und Sie wollen nicht?

ER: Und ich will nicht.

SIE: Nun denn, dann werden wir eben gemeinsam schweigen.

Er bemüht sich erneut, das Dokument zu lesen. Sie schaut ihn schweigend an.

ER: (Wendet sich gereizt vom Lesen ab.) Warum starren Sie mich an? Was wollen Sie?

SIE: Nichts. Vielleicht Sie ein bisschen reizen.

ER: Weshalb?

SIE: Ich weiß nicht. Wahrscheinlich aus Langeweile.

ER: Gehen Sie, vergnügen Sie sich woanders.

SIE: Ist Ihnen denn nicht langweilig? Sie sind zugereist hier, in einer fremden Stadt können Sie nichts unternehmen…

ER: Warum gehen Sie davon aus, dass ich zugereist bin?

SIE: Wer kann denn noch spät abends in einem Hotelrestaurant mit der Aktentasche sitzen und irgendein tristes Schriftstück lesen?

ER: Und Sie schlagen mir vor, mich zu vergnügen?

Sie antwortet nicht. Er schaut sie zum ersten Mal aufmerksam an und schätzt sie von Kopf bis Fuß ab.

SIE: (Seinem Blick folgend richtet sie sich auf, rückt die Schultern zurecht und fragt leicht ironisch, dabei posierend.) Nun, gefällt´s?

ER: (Ungern zugebend.) Nicht schlecht.

SIE: Danke. Also, vielleicht machen wir uns endlich bekannt?

ER: Danke für den Vorschlag, aber ich bin kein Liebhaber von leichten Bekanntschaften.

SIE: Aber warum gehen Sie davon aus, dass die Bekanntschaft mit mir leicht wird? Ich verspreche, dass sie schwierig wird.

ER: Sie wird… überhaupt nichts.

SIE: Aber sie hat doch schon stattgefunden.

ER: Nichts dergleichen. Ich kenne Sie nicht und will Sie nicht kennen.

SIE: Warum denn so schroff?

ER: Um gleich den Punkt auf das I zu setzen. Geh und fang dir einen anderen Mann! (Steckt entschlossen das Papier in die Aktentasche.)

SIE: Und wenn ich ausgerechnet Sie fangen will?

ER: Vergeude keine Zeit, das klappt nicht. Zufällige Verbindungen sind nicht mein Stil. Außerdem liebe ich meine Frau.

SIE: (Mit gespielter Verwunderung.) Was Sie nicht sagen? Ein Mann wohnt im Hotel und gesteht einer Frau, dass er verheiratet ist! Und seine Frau auch noch liebt! Ein seltenes Beispiel von Aufrichtigkeit und Ordnungssinn.

ER: So oder so, ich bin verheiratet und damit Schluss.

SIE: Aber wen stört das? Habe ich denn mit einem Wort bemerkt, dass Sie mich heiraten sollten?

ER: Bisher nicht, aber deiner Eile nach, spielst du vielleicht bald darauf an. (Sieht sich im Saal um.) Wohin ist dieser verdammte Kellner verschwunden?

SIE: (Sich noch gemütlicher setzend.) Ich spüre, dass Sie nicht von Ihrer Standhaftigkeit überzeugt sind und mich deshalb vertreiben.

ER: Hören Sie zu, das beginnt mir lästig zu werden. Hier gibt es ausreichend freie Tische. Warum, haben Sie sich ausgerechnet zu mir gesetzt?

SIE: Weil ich das wollte.

ER: Ich sehe, so einfach lassen Sie nicht von mir ab, deshalb, lass uns eines klar stellen: Ich bin dagegen und habe mit Straßenmädchen nichts am Hut. Du hast keinerlei Chance.

SIE: Und Sie, versteht sich, bevorzugen ordentliche.

ER: Versteht sich.

SIE: Aber was ist denn nach Ihrer Meinung ein Straßenmädchen?

ER: Eine, die Liebe für Geld verkauft.

SIE: Das heißt, Sie bevorzugen ordentliche aus Sparsamkeit?

ER: Ärger´ mich nicht!

SIE: Das werd´ ich nicht. Das heißt, für Sie bin ich eine von der Straße?

ER: Was denn sonst?

SIE: Mache ich mich denn auf der Straße an Sie heran?

ER: Auf der Straße, im Restaurant – welcher Unterschied? Hauptsache, für Geld.

SIE: Habe ich Sie um Geld gebeten?

ER: (Unwillig.) Bisher nicht.

SIE: Sagen Sie, und wenn eine Frau ihren Mann kostenlos betrügt, ist sie dann ordentlich?

ER: (Weiß nicht, was er sagen soll.) Mach mich nicht an!

SIE: Und wenn ich mit Ihnen eine Nacht ohne Geld verbringe, werde ich ordentlich sein?

ER: Ich hab´ doch gesagt, mach mich nicht an!

SIE: Mit einem Wort, Sie lehnen mich ab.

ER: Ja.

SIE: Warum?

ER: Ich fürchte, dass ich nach dieser feurigen Nacht zum Arzt muss, und dann wird sie wirklich unvergesslich.

SIE: Fürchten Sie sich tatsächlich davor, oder wollten Sie mich beleidigen?

ER: Ich fürchte mich tatsächlich davor.

SIE: Aber ich dachte doch, dass Sie vor der Verführung die Ordentlichkeit bewahrt.

ER: Und Ordentlichkeit auch.

SIE: Sehr löblich. Wie hat Horazius noch geschrieben, „Fliehe vor aller Lust, der Preis der Lust ist Leiden“.

ER: (Kann seine Verwunderung nicht verbergen.) Zum ersten Mal treffe ich eine Frau, vom Leichten Gewerbe, die Horazius zitiert.

SIE: Treffen sie sich denn oft mit solchen Damen?

ER: Das geht nur mich an.

SIE: Haben Sie denn viele Ingenieure getroffen, die Horazius zitierten? Oder Ärzte?

ER: Ehrlich gesagt, nicht viele. Überhaupt keine. Woher haben Sie diesen Horizont?

SIE: Das hab´ ich bei den Kunden aufgefangen. Unter denen gibt es durchaus auch intelligente. (Betont.) Manchmal auch mit akademischen Grad.

ER: (Wirft ihr einen prüfenden Blick zu.) Wissen Sie irgendetwas über mich?

SIE: Kann sein.

ER: Ich sehe, bei Ihnen muss man auf der Hut sein. Und um Worte sind Sie auch nicht verlegen.

SIE: Verlegenheit ist meine Sache nicht.

ER: (Sieht sie wieder aufmerksam an.) Ich kann Sie einfach nicht durchschauen.

SIE: Ich denke, das lohnt sich nicht. Sie würden es bedauern.

ER: Sie gleichen keiner gewöhnlichen Prostituierten.

SIE: Ich sehe, Sie haben eine reiche Erfahrung. Ungeachtet Ihrer Kälte, Standhaftigkeit und des Widerwillens wissen Sie von irgendwoher, wem Prostituierte gleichen.

ER: Aus dem Kino.

SIE: Seien Sie nicht bescheiden! Sagen Sie lieber, wie Nachtschwärmer aussehen und sich verhalten.

ER: Ich weiß nicht… Wahrscheinlich hemmungsloser.

SIE: Sie wollten wohl sagen, „aufreizender“. Sagen wir, so. (Schlägt die Beine übereinander, macht eine Schulter frei, streift den Saum des Kleids bis zur äußersten Grenze und steckt sich eine „virtuelle“ Zigarette an.) Ähnlich?

ER: (Unwillkürlich lächelnd/schmunzelnd.) Wahrscheinlich.

SIE: Gefällt Ihnen das?

ER: Ja und nein. Es stößt ab… aber zieht auch an.

SIE: Danke für das offenherzige Bekenntnis.

ER: (Gießt ihr aus einer Karaffe ein.) Etwas Wodka?

SIE: Was denn, trinken denn solche Mädchen in den Filmen immer Wodka? Ich geh´ selten ins Kino, aber ich dachte, dass deren eigentliche Beschäftigung eine ganz andere ist.

ER: Wenn Sie nicht wollen, trinken Sie nicht! Ehrlich gesagt, ich mag ihn {Wodka} auch nicht.

SIE: Also, und wie stehen Sie zu den Frauen des Freien Berufs.

ER: (Zuckt mit den Schultern.) Ich weiß nicht. Wenn sie schon existieren, werden sie wohl von jemandem gebraucht.

SIE: Aber nicht von Ihnen.

ER: Nicht von mir.

SIE: Womit haben die Sie denn so verärgert?

ER: Damit, dass sie sich allen und jedem hingeben.

SIE: Warum sollten sie denn nicht demjenigen Vergnügen bereiten, der daran Bedarf hat? Ich würde sagen, das ist sogar unsere weibliche Aufgabe. (Mit gespielter Feierlichkeit.) Schon Platon hat bestätigt, dass wir nicht nur für uns selbst leben sollten, sondern teilweise auch der Öffentlichkeit gehören, teilweise den Freunden.

ER: Sie sind aber gut beschlagen.

SIE: Das Leben ist der beste Schmied. Es schmiedet manchmal so hart, dass dir beim Ritt der Kopf dröhnt.

ER: Was immer du auch sagst, sich zu verkaufen ist unmoralisch.

SIE: Irgendwie verkaufen wir alle unsere Zeit, unsere Dienste, unsere Arbeit. Ist es Ihrer Meinung nach moralischer, wenn eine Frau am Fließband steht, sich das Kreuz auf dem Bau verbiegt oder Erde umgräbt? Und außerdem, die, die Sie so angreifen, faulenzen nicht, sondern arbeiten. In Amerika nennt man solche Damen „sexual workers”, sexuelle Arbeiter, und sie sind in einer Gewerkschaft organisiert. In Holland nennt man sie poetischer „Froelichsmädchen”, “ Freudenmädchen”. Bei uns dagegen verleiht man ihnen wer weiß was für welche Namen, von Schimpfworten ganz abgesehen.

ER: Verdienen sie denn nicht solche Bezeichnungen?

SIE: Welche verdienen dann die Männer, die deren Dienste in Anspruch nehmen?

ER: Nun, es gibt einen Unterschied.

SIE: Versteht sich, es gibt einen. Öffentliche Frauen, die machen das wenigstens wegen des Verdienstes. Aber Männer aus Wollust und Perversität.

ER: Ich hoffe, Sie meinen nicht mich?

SIE: Nein, nicht Sie. Natürlich nicht Sie. Sie sind tadellos. (Erhebt sich und nimmt ihre Tasche.) Ich werde Ihnen wohl nicht weiter mit meiner Gesellschaft lästig werden. Ich habe Sie ein bisschen gereizt, und damit Schluss. Ihre Aufzeichnungen sehnen sich nach Ihnen. Alles Gute.

ER: Warten Sie… Wohin gehen sie?

SIE: Ich hab´ Sie schon lange genug angehört.

ER: Ich vertreibe Sie eigentlich gar nicht.

SIE: Und wer hat den Punkt auf das I gesetzt und Klarheit geschafft?

ER: Nun, ich war ein bisschen schroff.

SIE: Sind Sie wirklich nicht böse?

ER: Nein. Weshalb? Und mir war zugegeben ziemlich einsam. Draußen ist eine abscheuliche Herbstnacht, Kälte und Wind…

SIE: Dann gehen Sie schlafen!

ER: Zu mir ins Zimmer? Dort herrscht tödliche Langeweile. Und ich schlaf´ trotzdem nicht ein.

SIE: Quält Schlaflosigkeit?

ER: (Nickt.) Eigentlich, ja. Chronische.

SIE: Nun gut, dann werde ich noch ein bisschen bei Ihnen bleiben.

ER: Vielleicht bestellen wir etwas?

SIE: Kein Bedarf, danke. Ich will Sie nicht ruinieren.

ER: Mein Geldbeutel wird diesen Schlag verkraften.

SIE: Nein, ich danke Ihnen.

ER: Dann eine Tasse Kaffee?

SIE: Nein.

ER: (Ergreift die Karaffe.) Vielleicht trotzdem etwas Kräftiges? (Da sie ihn, statt zu antworten, nur schweigend ansieht, fährt er fort.) Wer sind Sie eigentlich?

SIE: Sie sehen selbst – eine Männerjägerin.

ER: Das ist klar. Und genauer?

SIE: Sag´ ich nicht. Ein Geheimnis verleiht einer Frau Anziehungskraft. Ein Mann will sie sofort verstehen.

ER: Glaubst du?

SIE: Ich weiß es. Andernfalls wird sie uninteressant, wie ein gelöstes Kreuzworträtsel.

ER: (Lachend.) Welche Geheimnisse kannst du haben?

SIE: Ehrlich gesagt, keinerlei. Deshalb muss ich sie mir ausdenken, um interessanter zu sein. „Dich habe ich gesehen, aber mein Geheimnis verdeckten die Züge“… Mein Geheimnis verdeckte die Züge?

ER: (Betrachtet sie aufmerksam.) Geheimnis oder nicht, aber ich kenne dich überhaupt nicht.

SIE: Sehr gut. „Wer bist du – ich kenne dich nicht. Aber unsere Liebe steht uns noch bevor“.

ER: Nun, bezüglich der bevorstehenden Liebe bin ich mir nicht sicher.

SIE: Ach ja, ich hab´ vergessen: Sie sind doch verheiratet. Liebe von einer Anderen, sogar für eine Nacht, ist für Sie unmöglich.

ER: Hat für dich Treue in der Ehe keine Bedeutung?

SIE: Wenn sie für Sie so wichtig ist, dann bin ich bereit, Sie für ein paar Stunden zu heiraten.

ER: Für ein paar Stunden?

SIE: Ja, und? Das ist angenehmer, als für das ganze Leben.

ER: Dir ist auch nichts heilig.

SIE: (Verächtlich.) Lassen Sie! Mit hohen Worten werden gewöhnlich niedrige Taten und schmutzige Absichten verdeckt. Und je unansehnlicher die Dinge, desto schöner die Worte. Männer reden angeregt von deinen schönen Augen, die Sternen gleichen, und zur selben Zeit fassen sie dir unter den Rock. Gezwungenermaßen wirst du Realistin.

ER: Denken Sie tatsächlich, dass alle Männer so sind?

SIE: Ich wäre froh, anders denken zu können, aber …

„Aber bedauernswert der, der alles vorhersieht,

Dessen Kopf sich nicht dreht,

Der alle Bewegungen, alle Worte

In ihrer Übersetzung hasst,

Dessen Herz der Verstand verurteilt

Und sich zu vergessen verbat“…

Kurze Pause.

ER: Sie kennen sogar Gedichte. Woher diese Gelehrtheit?

SIE: Ach, Sie wieder, was heißt denn da Gelehrtheit… Evgènij Onègin nimmt man in der Schule durch. Diese schönen Zeilen kennt jedes romantische Mädchen. (Ändert den Ton und lächelt.) Entschuldigen Sie, das war eine momentane Schwermut. Schon vorbei. Ich bin wieder bereit, Sie zu vergnügen, wie eine japanische Geisha.

ER: Wie heißt du?

SIE: Das ist nicht wichtig. Wir gehen trotzdem morgen früh auseinander und werden uns nie mehr wiedersehen.

ER: Ich sehe, du gehst davon aus, dass diese Sache schon entschieden ist.

SIE: Dass wir auseinandergehen

ER: Nein, dass morgen früh.

SIE: Und wann denn? Übermorgen?

ER: Nein, heute Abend. Wir stehen vom Tisch auf und winken uns mit der Hand zu.

SIE: Schlecht der Mann, der eine Frau zum Abendessen einlädt, nicht hoffend, mit ihr auch zu frühstücken.

ER: Aber ich hab´ dich nicht zum Abendessen eingeladen. Du hast dich selber eingeladen. Sag…en Sie, gehen Sie wirklich diesem Beruf nach?

SIE: Ich mag meinen Beruf und habe ihn lange studiert. Ich schäme mich kein bisschen. Und überhaupt, wer ich bin – ist für Sie schon lange klar, da gibt es nichts zu reden. Erzählen Sie lieber über sich.

ER: Nichts zu erzählen.

SIE: Warum denn nichts? Zum Beispiel haben Sie mit Stolz erklärt, dass Sie verheiratet sind. Hier, erzählen Sie über Ihre Frau.

ER: Weshalb?

SIE: Ich will Ihren Geschmack kennenlernen. Der Frau am Rand ist es immer interessant, über die Frau im Zentrum zu hören.

ER: (Unwillig.) Was ist hier zu sagen? Ehefrau ist Ehefrau.

SIE: „Ehefrau ist Ehefrau“… Direkt nach Tschechov. „Drei Schwestern“. Ist sie Blondine, brünett?

ER: Was ist schon der Unterschied?

SIE: Nichts. Einfache Neugier. Haben Sie ein Foto?

ER: Nein. Und wenn ich eins hätte, würde ich´s nicht zeigen.

SIE: Das versteht sich. Weshalb das reine Angesicht einer Ehefrau-Schönheit irgendeinem Mädchen vorführen? Gefällt sie Ihnen?

ER: Sie gefällt.

SIE: In allen Beziehungen?

ER: In allen Beziehungen.

SIE: In der intimen auch?

ER: In der intimen besonders.

SIE: Und Sie wollen sogar keine Abwechslung, manchmal?

ER: Nein, keine.

SIE: Lüge! Das widerspricht der Natur des Mannes. Das sollten Sie aber wissen, Sie sind doch Biologe. Oder Psychologe?

ER: (Erstaunt.) Woher weißt du, dass… (Verdacht schöpfend.) Du spürst mir nach, nicht wahr? Das gefällt mir nicht.

SIE: (Über seinen verdutzten Anblick lachend.) Ich kann im Gesicht lesen.

ER: Nein, ernsthaft.

SIE: Ernsthaft – im Gesicht. Und noch auf dem Schildchen, das an Ihrem Jackett hängt. „Vierte Internationale Konferenz für biologische Psychologie”. Sie sind doch hierher zur Konferenz gekommen?

ER: Ja, richtig.

SIE: Sind dabei mit einem Vortrag aufgetreten?

ER: Aufgetreten.

SIE: Nun also, was spricht denn Ihre biologische Psychologie? Will der Mann Abwechslung oder nicht?

ER: (Verstimmt.) Jedenfalls nicht mit solchen, wie dir.

SIE: Danke, Sie sind sehr freundlich.

ER: Ich sag´ einfach, wie es ist.

SIE: Und wenn Sie sagen, wie es ist, dann geben Sie auch zu, dass Ihre Ehe nicht zu glücklich ist.

ER: Wie kommst du denn darauf?

SIE: Ich hör´s am Ton, in dem Sie darüber reden, oder besser, nicht reden wollen. Außerdem sind Ehen selten glücklich. Also ist Raten nicht schwer.

ER: (Trocken.) Behalt dein Raten für dich!

SIE: Ich hab´ in s Schwarze getroffen, deshalb empören Sie sich.

ER: Du irrst dich.

SIE: Ich irre mich? Da bin ich aber froh für Sie. Nun, und wie leben Sie so mit Ihrer „Ehefrau ist Ehefrau“?

ER: Wie alle.

SIE: Wie alle? Klar.

ER: Was ist dir klar?

SIE: „Wie alle“. (Zitiert schmunzelnd.)

„Meine Kameraden lebten mit Schwiegermüttern

Und Ehefrauen, diesen Schwiegermüttern ähnlich,

Zu dicken, zu hageren,

Müden, gewöhnlichen, wie Regen“…

ER: (Erregt.) Du, allerdings, geh nicht zu weit und misch dich nicht in mein Familienleben!

SIE: (Ironisch.) Das ist heilig.

ER: Heilig oder nicht heilig, aber dich geht es nichts an.

SIE: Warum sind Sie denn beleidigt? Ich habe bloß ein Gedicht zitiert. Und nicht mal mein eigenes.

ER: Schreibst du auch eigene?

SIE: Kann sein.

ER: (Grob.) Also, ich hätte nicht vermutet, dass Huren so romantisch-poetisch sein können.

SIE: Ihrer Meinung nach können nur Ehefrauen romantisch-poetisch sein? Das wusste ich nicht.

ER: Weißt du, was? Du redest zu viel. Schweig lieber und trink!

SIE: Ich will nicht. Ich mag keinen Wodka.

ER: Hast du etwa mit Champagner gerechnet?

SIE: (Den Ton ändernd.) Ich rechnete wenigstens mit einfacher Höflichkeit. Höflichkeit eines Mannes in Beziehung zu einer Frau. Eines Menschen in Beziehung zu einem anderen Menschen. Ich habe Ihnen noch nicht meinen Preis genannt, aber Sie haben mich schon als Hure beschimpft. Dazu duzen Sie mich noch, obwohl ich Sie höflich anrede. (Erhebt sich.) Und nun, leben Sie wohl. Ich werde Sie nicht länger langweilen. (Lässt ihn alleine und geht zu ihrem Tischchen zurück.)

Pause. Sie trinkt langsam ihren kalt gewordenen Kaffee. Er steht auf, setzt sich aber wieder, nimmt wieder ein Papier zur Hand, aber er kann sich offenbar nicht konzentrieren. Das Papier zur Seite werfend geht er mit entschlossenen Schritten zu ihr und setzt sich neben sie. Sie bremst ihn.


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