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Heute oder nie!
  • Текст добавлен: 28 апреля 2021, 15:00

Текст книги "Heute oder nie!"


Автор книги: Valentin Krasnogorov



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DOKTOR: Noch nicht.

MARINA: Dann lasse ich ihn Ihnen noch hier. (Mit einem vielversprechenden Lächeln.) Bis bald.

Marina geht hinaus. Der Doktor bleibt alleine. Sein Gesicht drückt eine Mischung von Freude und Verwirrung aus. Nachdem er eine Weile hin und hergegangen ist, setzt er sich an den PC und beginnt die Datei mit der Krankengeschichte zu suchen. Anton tritt ein.

ANTON: Doktor…

DOKTOR: (Leidend.) Sagen Sie mir bloß nicht, dass Sie an Gedächtnisverlust leiden.

ANTON: Ich leide auch nicht an Gedächtnisverlust. Woher haben Sie das denn?

DOKTOR: Also, was wollen Sie dann von mir?

ANTON: Meine Frau hat mir aufgetragen, im Wartezimmer zu warten, aber mir ist dort langweilig. Kann ich hier sitzen?

DOKTOR: Lieber im Wartezimmer.

ANTON: Lieber hier.

DOKTOR: Nun, gut. Unter einer Bedingung: Sie werden schweigen.

ANTON: Ich werde kein Wort sagen.

DOKTOR: Vergessen Sie dieses Versprechen nicht.

ANTON: Ich vergesse nie etwas.

DOKTOR: (Aufatmend.) Na, wunderbar.

Anton setzt sich bescheiden in eine Ecke. Der Doktor sucht im PC die Krankengeschichte, offenbar erfolglos. Er wendet sich zur Absicherung an Anton.

DOKTOR: Erinnern Sie sich nicht zufällig, ob ich eine Krankengeschichte über Sie angelegt habe?

ANTON: Das haben Sie.

DOKTOR: Wann? Heute Morgen?

ANTON: Nein, schon lange. Vor einem oder zwei Jahren.

DOKTOR: Und Sie erinnern sich daran?

ANTON: Natürlich erinnere ich mich.

DOKTOR: Warum kann ich sie dann nicht im PC finden?

ANTON: Ich weiß nicht. Soll ich Ihnen helfen?

DOKTOR: Nein, danke. (Beginnt wieder im PC zu suchen.)

Eine Frau in einem tadellosen englischen Kostüm tritt ein. Ihre Bewegungen sind selbstsicher, die Sprache klar und deutlich, die Manieren entschieden.

FRAU: Guten Morgen.

ANTON: (Erfreut.) Du bist das?

FRAU: Wie du siehst, Lieber.

ANTON: Und ich langweile mich hier ohne dich. Wie gut, dass du gekommen bist. (Beide umarmen und küssen sich.)

FRAU: Bring das Hemd in Ordnung und kämm dich! Wie fühlst du dich?

ANTON: Ausgezeichnet.

DOKTOR: Gestatten Sie, wer sind Sie?

ANTON: Das ist meine Frau.

FRAU: (Reicht dem Doktor die Hand.) Ich heiße, wie Sie schon wissen Johanna Glöckner.

DOKTOR: (Verblüfft.) Sehr angenehm.

FRAU: Habe ich Sie nicht gestört?

DOKTOR: Nein, in keiner Weise. Entschuldigen Sie. Setzen Sie sich. (Nimmt Anton zur Seite.) Wer ist diese Frau?

ANTON: Das hab ich doch gesagt, meine Frau.

DOKTOR: Aber Sie haben doch vor kurzem an diesem selben Ort eine andere Frau umarmt und sie auch Ihre Frau genannt!

ANTON: Doktor, Sie haben Halluzinationen. Behandeln Sie sich! Hier war keine Frau.

DOKTOR: Vollkommen durcheinander, nimmt die nächste Dosis Medizin ein. Nachdem er die Gedanken geordnet hat, wendet er sich an Johanna.

DOKTOR: Ich hoffe, Sie sind nicht beleidigt, wenn ich Sie bitte irgendeines Ihrer Dokumente vorzuweisen.

FRAU: Seltsame Bitte. Aber, bitte. Hier ist mein Führerschein. (Reicht ihm das Dokument.) Johanna Glöckner. Zu Ihren Diensten.

DOKTOR: (Sieht sich den Führerschein aufmerksam an und gibt ihn zurück. Verständnislos.) Alles in Ordnung.

JOHANNA: Und Sie haben daran gezweifelt? Ich bitte nicht um Ihre Dokumente, weil ich weiß, wer Sie sind. Es würde natürlich nicht schaden, Ihre Lizenz zu prüfen, aber das ist Sache der Staatsanwaltschaft, und ich bin Anwalt. Hier, übrigens, meine Visitenkarte.

DOKTOR: Was verdanke ich Ihre Visite?

JOHANNA: Mich beunruhigt die Gesundheit meines Mannes.

DOKTOR: Mich auch. Aber ich würde bevorzugen, mit ihnen darüber unter vier Augen zu reden.

JOHANNA: (An den Mann gerichtet.) Lieber, warte ein bisschen auf mich im Wartezimmer, und danach fahren wir zusammen nachhause.

Anton geht gehorsam hinaus.

DOKTOR: Sagen Sie, wissen Sie, dass Ihr… äh… Mann krank ist?

JOHANNA: Wie könnte ich das nicht wissen!

DOKTOR: Und Sie wissen, an was er leidet?

JOHANNA: Er leidet an Gedächtnisverlust.

DOKTOR: Seit wann?

JOHANNA: (Verwundert.) Was heißt „seit wann“?

DOKTOR: Seit wann ist er krank?

JOHANNA: (Verwundert.) Wissen Sie das denn nicht?

DOKTOR: Weshalb sollte ich das wissen?

JOHANNA: Aber Sie behandeln ihn doch schon zwei Jahre, wenn nicht länger!

DOKTOR: Ich? Zwei Jahre??

JOHANNA: Doktor, was ist mit Ihrem Gedächtnis? Wie können Sie einen Kranken behandeln, wenn Sie sich selbst an nichts erinnern?

DOKTOR: Nun gut, mögen es zwei Jahre sein. Erzählen Sie von der Krankheit Ihres Mannes genauer. Haben Sie es schwer mit ihm?

JOHANNA: Welche Frau hat es leicht mit ihrem Mann?

DOKTOR: Vertiefen wir uns nicht in persönliche Probleme, reden wir über die medizinischen. Wie genau drückt sich seine Krankheit aus?

JOHANNA: Er erinnert sich an sehr komplizierte und lange zurückliegende Dinge und vergisst die einfachsten. Er kann sich, zum Beispiel, Kaffe eingießen und vergessen, ihn auszutrinken. Oder zweimal ein und dasselbe Medikament einnehmen.

DOKTOR: Das passiert mir auch.

JOHANNA: Hab´ ich mir schon gedacht.

DOKTOR: Wie halten Sie denn das alles aus?

JOHANNA: Ich bin ein Mensch der Pflicht. Ich mache nicht das, was mir gefällt, sondern das, was ich tun muss. Ich esse nicht das, was mir schmeckt, sondern das, was weniger Kalorien enthält. Ich treffe mich nicht mit denen, die mir sympathisch, sondern mit denen, die mir nützlich sind. Ich lebe nicht mit dem Mann, mit dem ich wollte, sondern mit dem, der mir zufiel. Sich zu beklagen und zu jammern ist zwecklos. Man muss arbeiten, den Gürtel enger schnallen und sein Kreuz tragen.

DOKTOR: Ich bewundere Sie.

JOHANNA: Danke. Aber letztendlich ist mein ehemaliger Mann auch kein so schlechter Mensch. Es gibt schlechtere. Ich wiederhole mir das hundertmal am Tag. Es gibt schlechtere. Es gibt schlechtere. Jede Frau sollte das wiederholen. Es gibt schlechtere.

DOKTOR: Warum haben Sie gesagt „ehemaliger Mann“? Haben Sie sich denn geschieden?

JOHANNA: In keiner Weise. Wir sind immer noch verheiratet. Aber was ist das für ein Ehemann, der das vergisst, was ein Mann und Ehemann nicht vergessen sollte. Sie verstehen mich?

DOKTOR: Hm… Und was machen Sie in solchen Fällen? Erinnern Sie ihn daran?

JOHANNA: Wenn man den Mann an solche Dinge erinnern muss, dann hilft da auch nichts mehr.

DOKTOR: Sie haben Recht.

JOHANNA: Wissen Sie, zu welchem Schluss mich meine juristische Praxis gebracht hat? Je mehr vergessliche Männer es gibt, desto mehr leidende Frauen gibt es.

DOKTOR: Zum gleichen Schluss kommt auch die ärztliche Praxis. Allerdings, sagen Sie, kam Ihnen nie in den Sinn, dass man seine Vergesslichkeit in diesen Dingen damit begründen kann, dass…

JOHANNA: …dass er eine andere Frau hat?

DOKTOR: Das haben Sie gesagt und nicht ich.

JOHANNA: Bringen Sie mich nicht zum Lachen. Das ist ausgeschlossen.

DOKTOR: Ja? Und wie würden Sie sich zu so einer Vermutung verhalten, dass nicht lange vor Ihnen mit ihm eine… Wie soll ich Ihnen das sagen… Versteht sich, das ist nur eine Vermutung…

JOHANNA: Verschleiern Sie die Sache nicht, Doktor. Spielen Sie mit offenen Karten. Ich habe keine schwachen Nerven.

DOKTOR: Sie dürfen ihn nicht verurteilen. Meiner Meinung nach erinnert er sich einfach nicht, wer seine Frau ist.

JOHANNA: Er erinnert sich ausgezeichnet. (Sie ruft den Mann, der hereinkommt.) Lieber, sag diesem Menschen, wie ich heiße.

ANTON: Weiß er das denn nicht?

JOHANNA: Er wusste es, hat es aber vergessen. (Ironisch.) Dieser Mensch leidet an Gedächtnisverlust.

ANTON: (Zum Doktor.) Sie tun mir aufrichtig Leid.

DOKTOR: Ich tu´ mir selbst Leid.

ANTON: Warum gehen Sie sich nicht in Behandlung? Ich kann Ihnen einen guten Arzt empfehlen. Hier ist seine Visitenkarte.

DOKTOR: (Sieht sich die Karte an.) Ich danke Ihnen, das ist meine Karte. Sagen Sie lieber, wie diese Dame heißt?

ANTON: Sie stellen seltsame Fragen. Denken sie, ich weiß nicht, wie meine eigene Frau heißt? Die Frau, mit der ich die Schule besuchte?

DOKTOR: Also, wie heißt sie, zum Teufel auch?

ANTON: Johanna. Und nun?

JOHANNA: Nichts, Lieber. Du kannst solange ins Wartezimmer zurückgehen. Geh aber nicht weg. (Anton geht hinaus.)

DOKTOR: Seltsam. Wenn das nicht seine Frau war, wer war sie denn dann?

JOHANNA: Wer?

DOKTOR: Die Frau, die vor Ihnen hier war.

JOHANNA: Wenn sie denn hier war, dann weiß ich wer sie ist.

DOKTOR: (Interessiert.) Ach was? Wer denn?

JOHANNA: Eine Hure und Abenteurerin.

DOKTOR: Sie sollten nicht so scharf sein. Mir erschien sie völlig anziehend.

JOHANNA: Leider sind Huren und Abentreurerinnen immer anziehend. Im Unterschied zu uns ordentlichen Frauen.

DOKTOR: Das stimmt. Sie kennen sie also, oder nicht?

JOHANNA: Natürlich kenne ich sie nicht und kann sie nicht kennen. Mit solchen Personen verkehre ich nicht. Außerdem war hier tatsächlich keine Frau, und das ist Ihnen ausgezeichnet bekannt.

DOKTOR: Die Frau war hier.

JOHANNA: War nicht.

DOKTOR: War. (Wischt sich die Stirn ab.) Aber vielleicht war sie wirklich nicht da?

JOHANNA: Entschuldigen Sie, ich will kontrollieren, ob mein Mann an seinem Platz ist. (Geht hinaus und kehrt zurück.)

DOKTOR: Am Platz?

JOHANNA: Ja. Wissen Sie, auf ihn muss man ein Auge haben. Lassen Sie uns das Gespräch über Frauen beenden und zur Sache kommen, und zwar zum Gesundheitszustand meines Mannes. Ich bin nicht hergekommen, um fantastische Erzählungen zu hören, sondern um eine Bescheinigung über seine Krankheit zu bekommen.

DOKTOR: Um eine Bescheinigung auszustellen, muss ich zuerst sein Leiden untersuchen. Deshalb will ich auch fragen, seit wann…

JOHANNA: (Unterbricht ihn.) Erstens, hab ich Ihnen schon zwanzigmal davon erzählt.

DOKTOR: Wann?

JOHANNA: (Hört nicht auf ihn.) Zweitens stellen Sie keine unnötigen Fragen und sehen Sie in seine Krankengeschichte. Sie ist in Ihrem PC. Dort steht alles.

DOKTOR: Ich habe keinerlei Krankengeschichte von ihm!

JOHANNA: Wie soll das verstehen? Sind Sie denn dermaßen nachlässig, dass Sie sie nicht führen? Sie wissen doch bestens, dass diese Nachlässigkeit an ein dienstliches Vergehen grenzt!

DOKTOR: Sie vergessen sich!

JOHANNA: (Hart.) Keinesfalls. Ich leide noch nicht unter Gedächtnisverlust. Und ich will Sie daran erinnern, dass die Krankengeschichte nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein juristisches Dokument ist. Im Fall einer gerichtlichen Klage gegen Sie, seitens des Kranken, kann sie die Richtigkeit oder Nichtrichtigkeit Ihrer verordneten Behandlung beweisen. Ich denke, dass Sie sie entweder nicht anlegten oder vorsätzlich löschten, um vor den Finanzbehörden die Zahlungen zu verbergen, die Sie von uns erhielten.

DOKTOR: Ich habe keinerlei Zahlungen erhalten!

JOHANNA: Regen Sie sich nicht auf, wir werden sie nicht zurückfordern. Das Einzige, das ich will, ist die Bescheinigung über den schweren Zustand meines Mannes und seine Krankengeschichte.

DOKTOR: (Er ist völlig verwirrt.) Die Bescheinigung kann ich Ihnen wohl geben, aber…

JOHANNA: (Unbeirrt.) Und die Krankengeschichte auch.

DOKTOR: Woher nehme ich die?

JOHANNA: Aus dem PC. Aus dem Schreibtisch. Woher Sie wollen. Finden Sie sie, stellen Sie sie wieder her – mich interessiert das nicht.

Der Doktor ist völlig verstört und weiß nicht, was er tun soll. Er nimmt das Fläschchen, sieht, dass die Tropfen aus sind, und geht hinter einen Wandschirm, wo er Medikamente aufbewahrt. Johanna ruft ihm zu.

JOHANNA: Und dass die Krankengeschichte in einer Stunde fertig ist! In genau sechzig Minuten komme ich sie holen!

Geht in Richtung Ausgang, und trifft in der Türe mit einem neuen Besucher zusammen. Das ist ein äußerst solider Mann, in einem klassischen, gut geschnittenen Anzug. Beide werfen sich einen aufmerksamen Blick zu. Johanna geht. Der Mann tritt ein. Er besieht sich vorsichtig den Raum und bemerkt nicht gleich den Doktor, der hinter dem Wandschirm hervorkommt. Als er ihn sieht, zuckt der Mann zusammen.

DOKTOR: (Hat sich wieder gefasst.) Mit was kann ich dienen?

MANN: Ich… Ich… Ich…

DOKTOR: Wer sind Sie?

MANN: Ich… Ich… Ich…

DOKTOR: Ja, Sie, Sie, Sie! Nicht ich, Teufel auch!

MANN: Ich… Ich denke nicht, dass mein Name für Sie irgendeine Bedeutung hat.

DOKTOR: Warum nennen Sie ihn dann nicht?

MANN: Wirklich, warum?

DOKTOR: Genau das sage ich auch: Warum?

MANN: Also, schauen Sie, wir sagen beide „warum“?

DOKTOR: Und warum nennen Sie ihn denn dann nicht?

MANN: Weil darin kein Bedarf besteht.

DOKTOR: Hören Sie auf, auszuweichen und sagen Sie es direkt: An was leiden Sie?

MANN: Kann ich mit Ihnen von Mann zu Mann reden?

DOKTOR: Selbst wenn wir es noch so wollten, wir können nicht von Frau zu Frau reden.

MANN: Sie haben Recht.

DOKTOR: Nun, packen Sie schon aus, zieren Sie sich nicht, was haben Sie?

MANN: Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll…

DOKTOR: Nur Mut, da gibt´s doch nichts zu schämen. Mit solchen Problemen, wie Sie, hat fast jeder Mann zu tun.

MANN: Woher kennen Sie meine Probleme?

DOKTOR: Ich kann sie mir denken.

MANN: Sie können sie nicht kennen. Sache ist die, dass… Wie soll ich sagen…

DOKTOR: Nun aber, werden Sie nicht rot. Sie sind beim Arzt. Und hier werden Geheimnisse gehütet.

MANN: (Schwankt.) Nun, gut. Ehrlich gesagt, ich hatte zuerst geplant, mich krank zu stellen. Aber jetzt denke ich, warum nicht alles so sagen, wie es ist?

DOKTOR: Sie sind also nicht krank?

MANN: Nein.

DOKTOR: Was machen Sie denn dann hier?

MANN: Ich suche eine Frau.

DOKTOR: Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten? Ich bin keine Frau.

MANN: Mir ist nicht nach Späßen zumute. Die Sache ist sehr ernst.

DOKTOR: Wer ist sie für Sie? Ehefrau, nicht wahr?

MANN: (Nach einigem Schwanken.) Ja.

DOKTOR: Und was habe ich damit zu tun?

MANN: Ich weiß, dass sie gerade erst hier war.

DOKTOR: Ich veröffentliche keine Informationen über meine Patienten.

MANN: Diesmal müssen Sie eine Ausnahme machen.

DOKTOR: Interessant. Und warum?

MANN: Weil ich sie bis zum Gedächtnisverlust liebe.

DOKTOR: Ihre Frau?!

MANN: Ja. Na und?

DOKTOR: Nichts. Sehr rührend.

MANN: Also, wo ist sie?

DOKTOR: Ihre Frau war nicht hier.

MANN: Sie war, und ich weiß das genau.

DOKTOR: Wie ist ihr Familienname?

MANN: Glöckner.

DOKTOR: (Betroffen.) Glöckner? Sind Sie sicher?

MANN: Sicher.

DOKTOR: Nicht Klingler?

MANN: Nein.

DOKTOR: Nicht Scheller? Und nicht Läuter?

MANN: Aber nicht doch!

DOKTOR: So-so… (Geht aufgeregt im Zimmer hin und her.) Das heißt, Ihre Frau heißt… Wie nochmal?

MANN: Glöckner.

DOKTOR: Großartig. Als Sie hereinkamen, scheint mir, haben Sie jemanden getroffen. Erinnern Sie sich?

MANN: Meinen Sie jene Frau, in dem taillierten englischen Kostüm, mit dunklen Augen, einem Muttermal auf der linken Wange, mit einem lilafarbenen Chiffonschal um den Hals und einem schwarzen Koffer in der Hand?

DOKTOR: Genau die. Was sagen Sie zu ihr?

MANN: Nichts. Ich hab ihr keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt.

DOKTOR: So-so… Keine Aufmerksamkeit geschenkt. Keinerlei. (Platzt aus sich heraus.) Hauen Sie von hier ab, und zwar sofort! Und lassen Sie sich hier nie mehr blicken!

MANN: Doktor, ich verstehe Sie nicht. Warum…

DOKTOR: (Unterbricht ihn.) Weil Sie gerade eben mit der Nase auf Madame Glöckner gestoßen sind. Angenommen, Sie haben ihr keine Aufmerksamkeit geschenkt. Aber sie ging ja auch völlig ruhig vorbei!

MANN: Aber ich habe keine Ahnung, wer sie ist. Ich habe sie nie vorher gesehen!

DOKTOR: Das heißt, sie – ist nicht Ihre Frau?

MANN: Natürlich nicht! Außerdem bin ich seit langem geschieden. Schon zwei Jahre.

DOKTOR: Wie „geschieden“? Sie lieben doch Ihre Frau bis zum Gedächtnisverlust!

MANN: Ja-ja, natürlich… Danach habe ich wieder geheiratet.

DOKTOR: Sie haben wieder geheiratet? Sehr gut. Und Ihre Frau heißt, wie sagen Sie…

MANN: Glöckner, Marina Glöckner.

DOKTOR: Wie sagten Sie? Marina?

MANN: Ja, Marina.

DOKTOR: Aber sie ist doch verheiratet! Mit Anton!

MANN: (Betroffen.) Mit welchem Anton?

DOKTOR: Mit ihrem Mann.

MANN: Das kann nicht sein! Sie ist nicht verheiratet! Ich will sagen, sie ist mit mir verheiratet.

DOKTOR: (Nachdenklich.) Nun denn, vielleicht erklärt das einiges… Also, was wollen Sie nun von mir?

MANN: Ich weiß, sie war hier. Vielleicht kommt sie nochmal her. Helfen Sie mir, sie zu treffen.

DOKTOR: Ich befasse mich nicht mit der Suche fremder Ehefrauen. Und ich bin mir nicht sicher, dass Marina Ihre Frau ist. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie Marina heißt. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie hierher kommt. Und noch weniger sicher bin ich mir, dass sie überhaupt existiert.

MANN: Sie existiert!

DOKTOR: Dann gehen Sie nachhause und warten Sie dort auf sie. (Schiebt ihn zum Ausgang.)

MANN: (Wehrt sich.) Doktor, ich flehe Sie an…

DOKTOR: Ich kann mit nichts helfen. Auf Wiedersehen. Nicht hier – das ist der Ausgang nur für Patienten. Hierher, bitte.

Er begleitet den Mann zur anderen Tür hinaus und bleibt dann alleine neben dem Tisch mit dem Beruhigungsmittel. In seinem Gesicht ist völliges Unverständnis zu lesen.

Zweiter Akt

Der Doktor ist in seinem Kabinett. Marina tritt ein, gekleidet in ein sehr schickes Kleid.

MARINA: (Fröhlich.) Guten Tag, Doktor! Hier bin ich wieder!

DOKTOR: (Äußerst kühl.) Wer sind Sie, eigentlich?

MARINA: (Verwundert, aber nicht ohne Charme.) Mein Gott, Was geht in Ihrem Kopf vor? Mich innerhalb einer halben Stunde zu vergessen? Ausreichend, mein Kleid zu wechseln, und Sie erkennen mich schon nicht mehr!

DOKTOR: Ich erkenne Sie hervorragend. Und genau deshalb würde ich gerne wisse, wer Sie sind. Weisen Sie ein Dokument vor.

MARINA: Weshalb?

DOKTOR: Deshalb, weil Sie nicht einmal Zeit dazu fanden, sich vorzustellen.

MARINA: Ich heiße Marina, das wissen Sie doch.

DOKTOR: Woher weiß ich, dass Sie tatsächlich Marina heißen? Übrigens, falls tatsächlich Marina, dann bedeutet das noch gar nichts. Einen Ausweis, bitte.

MARINA: Ich trage keine Dokumente bei mir.

DOKTOR: Und ich wiederhole noch einmal – Ausweis.

Marina öffnet ihre Handtasche und kramt darin, aber anstelle eines Ausweises bringt sie ein Taschentuch hervor, beginnt zu schluchzen und sich die Tränen abzuwischen..

DOKTOR: (Besorgt.) Was ist mit Ihnen?

(Marina antwortet nicht. Der Doktor gießt ihr aus der Karaffe Wasser ein und reicht es ihr.)

MARINA: (Weist das Wasser zurück.) Lassen Sie mich!

DOKTOR: Was ist los? Sind Sie mit mir beleidigt?

MARINA: Was denken Sie denn?

DOKTOR: Weshalb?

MARINA: (Unter Tränen.) Und Sie fragen noch, weshalb? Sie haben auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht, mehr noch – Sie gefielen mir. Mir schien, dass auch Sie mir zugetan waren… ich kam zu Ihnen mit offenem Herzen, und was erlebe ich in Wirklichkeit? Kälte, Misstrauen, erniedrigende Fragen… (Schluchzt.)

DOKTOR: Beruhigen Sie sich…

MARINA: Lassen Sie mich gehen.

DOKTOR: Sie kennen nicht alle Umstände. Sache ist die, es kam ohne Sie… Unwichtig.

MARINA: Wer kam? Eine andere Frau? (Der Doktor schweigt.) Und nannte sich auch seine Frau?

DOKTOR: Ja.

MARINA: Na, und? Haben Sie denn das geglaubt? Kommen denn zu Ihnen wenige Verrückte?

DOKTOR: Das Problem ist doch das, dass auch Anton sie seine Frau genannt hat.

MARINA: Und Sie wissen nicht, dass er kein Gedächtnis hat? Und kam sie tatsächlich hierher?

DOKTOR: Sie kam, natürlich.

MARINA: (Geht zur Tür und ruft den Mann.) Lieber, komm hierher. (Tritt ein.) Sag, kam während meiner Abwesenheit irgendeine Frau hierher?

ANTON: (Arglos.) Ich hab´ niemanden gesehen.

MARINA: Und hat sie sich deine Frau genannt?

ANTON: Wie kann sie sich so nennen, wenn sie doch gar nicht hier war?

MARINA: Und du – hast du sie nicht deine Frau genannt?

ANTON: Du bist die Einzige für mich auf der Welt und du weißt das sehr gut. (Küsst sie.)

MARINA: Danke, Lieber. (An den Doktor gewandt.) Nun, glauben Sie jetzt?

DOKTOR: Ich weiß nicht, was ich denken soll… Übrigens, es gibt noch einen Umstand… Außer der Frau kam auch ein Mann hierher…

MARINA: Na, und?

DOKTOR: Er behauptete, dass er… Dass er Ihr Mann ist.

MARINA: Mein Mann? (Lacht schallend.) Mein Gott, wie schwer ist es, Psychiater zu sein! Wer kommt nicht alles zu Ihnen! (Lacht immer noch.)

DOKTOR: Was ist hier so lächerlich?

MARINA: Und dieser Mann hat nicht behauptet, dass er Napoleon ist?

DOKTOR: Nein. Er behauptete nur, dass er Ihr Man ist. Warum haben Sie das vor mir verborgen?

MARINA: Aber hier ist doch mein Mann, vor Ihnen! Brauchen Sie noch Beweise? Bitte. (An den Mann gerichtet.) Mein Lieber, zieh das Hemd aus und zeig dem Doktor dein Muttermal unter dem linken Schulterblatt. (Zieht folgsam sein Hemd aus. Der Doktor besieht sich das Muttermal. Marina wendet sich an den Doktor.) Haben Sie sich überzeugt?

DOKTOR: Ja.

ANTON: Doktor, ist dieses Muttermal nicht gefährlich?

DOKTOR: Nein.

ANTON: (Hartnäckig.) Trotzdem, ich möchte Sie bitten, es zu entfernen. Ich fürchte, dass es sich in ein Krebsgeschwür verwandelt.

DOKTOR: Ich versichere Ihnen, es ist harmlos. Und, außerdem bin ich kein Chirurg.

ANTON: Wir könnten das gleich jetzt machen. (Zieht wieder das Hemd aus.)

DOKTOR: (Leidend.) Ich hab´ doch gesagt, ich bin kein Chirurg.

ANTON: Und was sind Sie, Urologe? Das trifft sich sehr gut. Gerade auf diesem Gebiet habe ich große Probleme. Wenn ich versuche zu…

MARINA: (Unterbricht ihn.) Stör den Doktor nicht, Lieber. Zieh das Hemd an. (Er zieht sich folgsam an.) Und jetzt zieh die Hosen aus und zeig dem Doktor… (Er macht sich am Gürtel zu schaffen.)

DOKTOR: Das muss nicht sein, ich glaube Ihnen.

MARINA: Ich wollte Ihnen nur noch ein Muttermal zeigen, auf dem…

DOKTOR: Ich verstehe. Das muss nicht sein.

ANTON: Also, Hosen ausziehen, oder nicht?

DOKTOR: Das braucht es nicht.

ANTON: Ich zieh´ sie trotzdem aus. Wenn Sie schon Urologe sind, dann will ich Ihnen auch gleich zeigen…

MARINA: (Unterbricht ihn.) Danke, Lieber, das muss nicht sein. Wart bitte im Wartezimmer auf mich. Aber geh nicht weg. (Eindringlich.) Hast du verstanden? Geh nirgendwo hin. Wir fahren bald zusammen nachhause. (Anton geht hinaus.)

DOKTOR: Entschuldigen Sie, dass ich mir erlaubt habe, an Ihnen zu zweifeln. Ich bekenne, dass mich jener Mann durcheinander gebracht hat.

MARINA: Und Sie sind sicher, dass er überhaupt hierher kam?

DOKTOR: Was heißt “sicher”? Natürlich kam er! (Erinnert sich an sein Leiden.) Obwohl… Denken Sie, dass er nicht kam?

MARINA: Das hat keine Bedeutung.

DOKTOR: Nein, mir scheint, er kam. Nun, gut. Angenommen, dass er, Ihren Worten nach, ein Verrückter ist. Aber jene Frau zeigte mir ihre Dokumente, und Sie, entschuldigen Sie, kenne ich nicht einmal dem Namen nach.

MARINA: Wie können Sie das nicht wissen? Nicht länger, als heute Morgen, haben Sie mir selbst zweimal angerufen und mich Marina genannt.

DOKTOR: (In die Enge getrieben.) Ach, ja, richtig… Das hab´ ich vergessen… Aber, verstehen Sie, ich bin nicht sicher…

MARINA: (Marina öffnet ihre Handtasche, steckt das Taschentuch hinein, nimmt die Puderdose heraus und bringt sich in Ordnung. Als sie die Puderdose zurück legt, ruft sie freudig aus.) Oh! Es scheint, ich hab` ein Dokument dabei. Und sogar mit Foto. Das ist mein Führerschein. Hier, bitte, schauen Sie.

DOKTOR: Das muss nicht sein, ich glaube Ihnen.

MARINA: Jetzt glauben Sie, nach fünf Minuten hören Sie wieder auf, zu glauben. Wie alle Männer. Schauen Sie trotzdem. (Der Doktor nimmt unwillig das Dokument in die Hand.) Was steht da?

DOKTOR: „Marina Glöckner“.

MARINA: Ist der Stempel in Ordnung?

DOKTOR: In Ordnung. (Er gibt ihr das Dokument zurück. Sie steckt es in die Handtasche und zieht Fotos hervor.)

MARINA: Mein Mann hat Ihnen erzählt, dass wir in derselben Schule gelernt haben?

DOKTOR: Welcher Mann? Anton? Er hat.

MARINA: Hier, schauen Sie, wie wir als Kinder waren. Lustig, nicht wahr?

DOKTOR: Sie haben sich fast nicht verändert.

MARINA: Danke. Und hier sind wir beide schon erwachsen.

DOKTOR: Das war wahrscheinlich kurz vor der Hochzeit?

MARINA: Ja.

DOKTOR: Wie schön Sie sind!

MARINA: (Verführerisch.) Wollen Sie sagen, dass ich jetzt nicht mehr so bin?

DOKTOR: Jetzt sind Sie noch besser.

MARINA: Danke. (Steckt die Fotos weg.) Ich sehe, Sie sind ein Frauenheld. Ich weiß nicht, ob eine Frau hierher kam, aber von was ich überzeugt bin ist, dass Sie auch sie zum Abendessen eigeladen haben.

DOKTOR: Ich schwöre Ihnen, ich habe niemanden eingeladen! Und überhaupt kam niemand hierher! (Verwirrt.) Oder kam doch? Verdammtes Gedächtnis… Es scheint, ich sollte die Praxis aufgeben. (Gießt sich die nächste Portion Tropfen ein.)

MARINA: (Nimmt ihm das Fläschchen weg.) Hören Sie auf, Tropfen zu nehmen. Sind Sie Arzt, oder kein Arzt?

DOKTOR: (Stöhnt.) Ich bin Arzt. (Verwirrt.) Oder kein Arzt? (Fasst sich.) Was rede ich da für Unsinn! Natürlich Arzt.

MARINA: Und wenn Sie Arzt sind, dann bringen Ihnen die Patienten auch Cognac. Bringen sie, oder bringen sie nicht?

DOKTOR: (Unsicher.) Natürlich bringen sie.

MARINA: Also, dann trinken Sie einen Doppelten. Das hilft sofort.

DOKTOR: Das prüfen wir sofort. ffnet die Bar.) So viel Cognac. (Erfreut.) Das heißt, ich bin Arzt. (Ergreift eine Flasche.) Schließen Sie sich an?

MARINA: Ich habe Ihnen noch nicht verziehen.

DOKTOR: Ach, lassen Sie doch. Trinken wir. (Gießt mit zitternden Händen Cognac in zwei Schwenker ein.)

MARINA: (Beobachtet ihn mitleidig.) Mein Lieber, schauen Sie sich im Spiegel an: Verwirrter Blick, zitternde Hände. Was geht mit Ihnen vor?

DOKTOR: Ich gebe zu, dass ich heute nicht ganz in Form bin. Müdigkeit, Gedächtnisverlust, verwirrte Gedanken, Schwindelgefühle… Ich fürchte, das alles nennt sich mit einem Begriff – Alter.

MARINA: Dummes Zeug. Sie brauchen bloß eine warme, fürsorgliche, weibliche Hand, das ist alles. Haben Sie eine Frau?

DOKTOR: Frau? Lassen Sie mich nachdenken… (Grübelt.) Ich bin jetzt in so einem Zustand, dass ich mich sogar daran nicht mehr erinnere. (Erinnert sich.) Was rede ich denn da? Natürlich erinnere ich mich. Ich bin Witwer, schon viele Jahre. Die Kinder sind erwachsen, leben einzeln, ich habe sie schon lange vergessen. Übrigens, um die Wahrheit zu sagen, haben sie mich vergessen. Ich bin völlig einsam… Ich verstehe nicht, was mit meinem Gedächtnis passiert ist? Das kam so unerwartet…

MARINA: Leiden Sie bloß nicht darunter.

DOKTOR: Ich leide auch nicht. Wenn Sie in der Nähe sind. Wissen Sie, ich beneide sogar Ihren Mann. Ich würde auch mit Freuden alles zum Teufel vergessen: Einsamkeit, ermüdende Arbeit, Steuerinspektoren, neidische Kollegen, streitende Nachbarn, beharrliche Patienten mit ihren dauernden Beschwerden und Krankheiten, und gleichzeitig meine eigenen. An nichts denken, sich an nichts erinnern, neben einer schönen Frau sitzen mit einem Cognac, vergessen, dass du alt für sie bist, oder bald alt wirst, alles vergessen und nur die momentane Minute genießen…

MARINA: Also dann lassen Sie uns doch für den Augenblick leben. Buße, Bedauern, Nachdenken, die kommen danach, aber jetzt lassen Sie uns des Lebens freuen. (Hebt ihr Glas.) Auf unsere Gesundheit und unsere Erfolge! Auf das Glück!

DOKTOR: Danke. Mir ist so leicht mit Ihnen. Von Ihnen geht irgendein Licht aus. Sie sind wahrscheinlich sehr glücklich.

MARINA: Denken Sie nicht, dass ich es leicht habe. Ich weiß, was Einsamkeit ist.

DOKTOR: Sie haben Anton.

MARINA: Apropos, ich muss kontrollieren, ob er nicht gegangen ist. (Geht und kehrt schnell wieder zurück. Der Doktor besieht sich derweilen kritisch im Spiegel.)

DOKTOR: Alles in Ordnung?

MARINA: Ja. Es erscheint Ihnen wahrscheinlich seltsam, dass ich mich um ihn sorge, aber ich liebe ihn sehr. So sehr, dass ich bereit bin, ihm zuliebe große Dummheiten zu machen. (Kurzes Schweigen.) Aber das befreit mich nicht von Einsamkeit.

DOKTOR: Ich verstehe. (Nimmt sie an der Hand.)

MARINA: (Ohne die Hand zurückzuziehen.) Es ist Zeit für mich, zu gehen.

DOKTOR: Beeilen Sie sich nicht.

MARINA: Ich muss Anton heim bringen. (Will gehen.)

DOKTOR: (Hält sie fest.) Dann treffen wir uns heute?

MARINA: Wenn Sie es sich nicht anders überlegen oder vergessen.

DOKTOR: (Ereifert sich.) Ich – anders überlegen? Vergessen? Ja, ich… (Erinnert sich plötzlich wieder an die über ihn gekommene, seltsame Vergesslichkeit und unterbricht sich selbst.) Ich schreibe es auf. Für alle Fälle. (Macht einen Vermerk in seinem Tagebuch.)

MARINA: (Erhebt sich.) Und vergessen Sie nicht, die Krankengschichte und die Bescheinigung vorzubereiten.

DOKTOR: Für Sie mache ich alles, was Sie wünschen. Soll ich Sie begleiten?

MARINA: Nein, danke. Ich bitte Sie, sorgen Sie dafür, dass mein Mann nicht weg geht, solange ich ein Taxi suche.

Marina geht hinaus. Der Doktor, nachdem er lebhafter geworden ist und vor sich hin pfeift, setzt sich an den PC. Der Mann tritt ein. Er verhält sich völlig anders, als beim ersten Besuch. Seine Manieren sind selbstsicher und entschlossen.

DOKTOR: Sie wieder?

MANN: Wie Sie sehen.

DOKTOR: Was wollen Sie denn eigentlich?

MANN: Ich führe eine kleine private Nachforschung durch.

DOKTOR: Ich habe gleich begriffen, dass Sie ein Schnüffler sind.

MANN: Ich bin kein Schnüffler. Ich bin Finanzist.

DOKTOR: Falls Sie Steuerinspektor sind, zeigen Sie einen Ausweis vor.

MANN: (Hart.) Wo ist Marina?

DOKTOR: Haben Sie etwa sie verfolgt?

MANN: Kann sein.

DOKTOR: Leider kann ich mit nichts helfen. Sie ist, wie Sie sehen, nicht hier.

MANN: Ich habe doch gesehen, wie sie vor zwanzig Minuten hier herein kam.

DOKTOR: Aber Sie haben nicht gesehen, wie sie vor einer Minute hinaus ging.

MANN: Kommt sie zurück?

DOKTOR: Ich weiß nicht. Was wollen Sie von ihr?

MANN: Ich habe nicht das Recht, Ihnen das zu sagen.

DOKTOR: Kein Recht, dann sagen Sie auch nichts. Alles Gute.

MANN: Ich bin dringend verpflichtet, sie zu finden, verstehen Sie? Eine Frage auf Leben und Tod.

DOKTOR: Hier ist keine Detektei. Suchen Sie sie also auf der Straße. Und, bitte, halten Sie mich nicht auf. Übrigens, Besuche bei mir sind sehr kostspielig.

MANN: Ich bin bereit zu zahlen, wenn Sie helfen, sie zu finden.

DOKTOR: Ich nehme kein Bestechungsgeld.

MANN: Wirklich?

DOKTOR: Ich nehme Honorare.

MANN: Also bin ich bereit, Ihnen ein Honorar zu bezahlen.

DOKTOR: Ich nehme es nur für Behandlung und nicht für die Bereitstellung von Information. Ich wünsche Ihnen Erfolg, und stören Sie mich nicht bei der Arbeit. Zu mir kommt man nur nach vorheriger Anmeldung. (Schiebt den Mann höflich zum zweiten Ausgang.) Ich bitte Sie. Nein, durch diese Tür. Durch diese kommen nur meine Kranken herein.

MANN: Nun denn, dann schicke ich Ihnen tatsächlich einen Steuerinspektor. (Schaut den Doktor aufmerksam an.) Nun, erschreckt?

DOKTOR: Nicht sehr.

MANN: Umsonst. Ich bin sicher, dass Sie es nicht mögen, Steuern zu zahlen.


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