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Heute oder nie!
  • Текст добавлен: 28 апреля 2021, 15:00

Текст книги "Heute oder nie!"


Автор книги: Valentin Krasnogorov



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DOKTOR: Ich, nicht mögen?

MANN: Sie.

DOKTOR: Ich?!

MANN: Sie.

DOKTOR: Na und? Wer mag das?

MANN: Vielleicht veranstalten wir eine kleine Prüfung?

DOKTOR: Bitte. Meine Einkünfte weiß ich gut zu verbergen.

MANN: Und ich weiß sie gut zu finden.

DOKTOR: Hören Sie auf, mir zu drohen. Ich hab doch gesagt, dass ich keine Prüfung fürchte.

MANN: Weil Sie kein Bestechungsgeld nehmen?

DOKTOR: Nein. Weil ich es gebe. Alles Gute.

MANN: ndert den Ton.) Doktor, Sie wissen doch, dass ich jetzt eine äußerst private Angelegenheit habe, die weder Verbindung zur Medizin, noch zu Steuern hat. Ich brauche Marina.

DOKTOR: Auf Wiedersehen. Die Ausgangstür ist hier.

MANN: (Bleibt in der Türe stehen.) Doktor, warum kommt sie eigentlich zu Ihnen? Haben Sie etwas mit ihr?

DOKTOR: Sie betrifft das in keiner Weise.

MANN: Ist sie denn krank?

DOKTOR: Jegliche Einzelheiten bezüglich meiner Besucher, gesund oder krank, verlassen nicht die Grenzen dieses Kabinetts.

MANN: (Trocken, fast drohend.) Hervorragend. Obwohl ich spüre, dass es zwischen ihnen irgendeine Verbindung gibt, und ich halte es für meine Pflicht, Sie zu warnen: Seien Sie vorsichtig!

DOKTOR: Ich welchem Sinn?

MANN: In allen Sinnen. Sie ist verwirrt und weiß selbst nicht, was sie macht. (Wendet sich zum Gehen.) Wenn Sie sie trotzdem sehen, sagen Sie, dass ich versuche, sie zuhause anzutreffen und, falls ich sie nicht finde, wieder hierher komme.

DOKTOR: Ich glaube nicht, dass ich Sie hereinlasse.

MANN: Und ich glaube, dass ich Sie nicht fragen werde.

(Der Mann geht. Der Doktor setzt sich wieder an den PC. Marina tritt ein.)

MARINA: Gehe ich Ihnen noch nicht auf die Nerven?

DOKTOR: So schnell haben Sie ein Taxi gefunden?

MARINA: Ich hab´ keines gesucht… Ich habe beschlossen, meinen Mann in meinem Auto mitzunehmen. Es steht hier ganz in der Nähe, auf einem Parkplatz. Bewachen Sie ihn noch zwei Minuten, gut? (Schaut den Doktor aufmerksam an.) Was ist schon wieder passiert?

DOKTOR: Gerade eben hat wieder dieser… Nun… Ihr Mann nach Ihnen gefragt.

MARINA: Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich keinen Mann habe! Außer Anton versteht sich.

DOKTOR: Ich weiß nicht, ich weiß nicht… Er hat mich gewarnt, dass man mit Ihnen vorsichtig sein muss. Er hat sogar versucht, mir zu drohen.

MARINA: Hat er nicht erklärt, um was es geht?

DOKTOR: Nein, aber er hat gesagt, dass es sehr wichtig ist. Eine Frage auf Leben und Tod.

MARINA: (Sehr verwirrt.) Es scheint, ich kann mir vorstellen, von wem die Rede ist.

DOKTOR: Ist er tatsächlich Ihr Mann?

MARINA: Nicht ganz…

DOKTOR: Nicht ganz?

MARINA: Überhaupt nicht. Das ist mein Kollege… Genauer, sogar mein Vorgesetzter.

DOKTOR: Sagen Sie die Wahrheit?

MARINA: Ich schwöre.

DOKTOR: Und was will er so Wichtiges von Ihnen?

MARINA: Nichtigkeiten. Er ist einfach, wie soll ich Ihnen das sagen… leicht ungleichgültig gegenüber mir und ziemlich eifersüchtig. Er schüchtert alle meine Bekannten ein. Er will ewig mit mir etwas klären, etwas bereden… Und dabei immer dringend.

DOKTOR: Ich verstehe.

MARINA: Also, ich gehe, das Auto holen.

DOKTOR: (Hält sie fest.) Ich will Sie nicht weglassen.

MARINA: (Befreit sich sanft.) Ich komm´ schnell zurück. Wirklich in einer Minute.

DOKTOR: Und fahren wieder weg.

MARINA: (Küsst ihn auf die Wange.) Um uns abends zu treffen.

Marina geht. Der Doktor lächelt glücklich. Er geht zum Spiegel, besieht sich kritisch, bringt die Krawatte und die Frisur in Ordnung, nimmt aus dem Schrank ein anderes, helleres Jackett und zieht es an. Johanna tritt ein, noch entschiedener als vorher eingestellt. Der Doktor, darauf eingestellt, den Gast mit offenen Armen zu empfangen, ist unangenehm überrascht.

DOKTOR: Sie sind das?

JOHANNA: Wen haben Sie denn erwartet?

DOKTOR: Eine andere Frau. Die Frau Ihres Mannes. Das heißt… Ich wollte sagen – Antons Frau. Das heißt…

JOHANNA: Antons Frau – das bin ich.

DOKTOR: Jetzt habe ich große Zweifel daran.

JOHANNA: Zum ersten Mal treffe ich einen Arzt, der sich anstatt mit Behandlung mit Ermittlung befasst. Ist die Krankengeschichte fertig?

DOKTOR: Nein. Und wenn sie es wäre, würde ich sie Ihnen nicht geben. Wer sind Sie eigentlich?

JOHANNA: Ich habe geahnt, dass Sie beliebige Ausflüchte suchen werden, nur um auszuweichen, und habe für diesen Fall das ganze Spektrum an Dokumenten der Reihe nach vorbereitet. (Zeigt einen ordentlich geführten Ordner.) Hier, mein Pass. Hier meine Heiratsurkunde mit Anton. Hier die Geburtsurkunden unserer Kinder, in denen übrigens die Namen der Eltern aufgeführt sind, das heißt meiner und der meines Mannes. Hier unser Hochzeitsbild, das hier auch, aber mit Gästen, und hier unsere Fotos mit den Kindern. Hier die Stromrechnung und andere auf unseren gemeinsamen Namen. Sind Sie jetzt zufrieden?

DOKTOR: (Völlig verblüfft sieht er die Papiere durch und gibt sie Johanna zurück.) Ich… Ich… (Will zu den Tropfen greifen, stellt aber das Fläschchen zur Seite und gießt sich eine großzügige Portion Cognac ein.) Das heißt, Sie sind trotzdem seine Frau?

JOHANNA: Wer denn sonst, Ihrer Meinung nach etwa die Großmutter?

DOKTOR: Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich denken soll. (Greift wieder zum Cognac.) JOHANNA: (Im Befehlston.) Stellen Sie das Glas zurück! (Schiebt die Flasche energisch zur Seite.) Ich beginne, mir ernsthaft Sorgen um die Gesundheit meines Mannes zu machen.

DOKTOR: Warum?

JOHANNA: Weil sein Arzt Alkoholiker ist.

DOKTOR: Ich trinke überhaupt nicht.

JOHANNA: Das sehe ich.

DOKTOR: Sind Sie wirklich seine Frau?

JOHANNA: Warum verwundert Sie das so?

DOKTOR: Ich würde mich nicht wundern, wenn… Wenn nicht die andere Frau gewesen wäre…

JOHANNA: (Hart.) Was die andere Frau betrifft, ist das ausschließlich das Ergebnis des Alkohols oder die Frucht Ihrer gestörten Wahrnehmung. Als Jurist weiß ich, dass Psychiater infolge dauernder Kontakte mit Verrückten nur schwer ihr seelisches Gleichgewicht bewahren. Vergessen Sie also diesen Wahn. Es war keine Frau da.

DOKTOR: Es war!

JOHANNA: (Unerbittlich.) Es war keine und kann keine gewesen sein. Sie kontrollieren sich nicht. Sie haben Probleme mit dem Gedächtnis. Sie haben sogar vergessen, dass Sie meinen Mann schon zwei Jahre behandeln. Sie haben seine Krankengeschichte verloren. Vielleicht haben Sie sie aus Unvorsichtigkeit oder Vorsatz vom PC gelöscht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als sie wieder herzustellen. Dem Gesetz nach waren Sie verpflichtet, die Kranken-geschichte zu führen. Es wird Ihnen sehr schwerfallen, dem Gericht zu erklären, warum Sie das nicht getan haben.

DOKTOR: (Nervös.) Welches Gericht?

JOHANNA: Das Gericht, an das ich mich wende. Ich beabsichtige, meinen Mann in einer Pflegeeinrichtung unterzubringen, und Sie wissen ausgezeichnet, dass dazu eine lange und überzeugende Krankengschichte nötig ist.

DOKTOR: Sie wollen den Mann in ein Irrenhaus stecken?

JOHANNA: Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise. Wenn ich jemanden in ein Irrenhaus stecken will, dann sind Sie das. Und, glauben Sie mir, das gelingt mir. Schauen Sie sich im Spiegel an, betrachten Sie Ihren wahnsinnigen Anblick, und Sie stimmen mir zu.

DOKTOR: Geben Sie zu, dass Sie es satt haben, sich um den Mann zu kümmern, und Sie beschlossen haben, ihn loszuwerden.

JOHANNA: Erstens ist das meine Privatangelegenheit. Und zweitens, wenn es so wäre, was dann? Er hat vielleicht das Recht, seine wichtigste Verpflichtung zu vergessen, aber ich bin nicht verpflichtet, mein wichtigstes Recht zu vergessen. (Verächtlich.) Verstehen Sie das wenigstens, Doktor?

DOKTOR: „Verpflichtung“, „Recht“… Gleich zu sehen, dass Sie Jurist sind.

JOHANNA: Und das, dass ich Frau bin, ist nicht gleich zu sehen?

DOKTOR: Nicht gleich. Sie gleichen mehr der „Freiheitsstatue“.

JOHANNA: Von einem Arzt habe ich mehr Verständnis erwartet.

DOKTOR: Was wollen Sie von mir?

JOHANNA: Bescheinigung und Krankengeschichte.

DOKTOR: Nun, gut, kommen Sie morgen, ich bereite alles vor.

JOHANNA: Bis morgen denken Sie wieder irgendeine Ausrede aus. Ich brauche es heute. Jetzt.

DOKTOR: Jetzt beginnt bei mir die Sprechstunde im Krankenhaus. Ich muss gehen.

JOHANNA: Für lange?

DOKTOR: Etwa zwanzig Minuten.

JOHANNA: Ich werde warten.

DOKTOR: Heute schaffe ich es sowieso nicht. Eine Krankengeschichte wird nicht so schnell gefertigt, wie Sie glauben. Ich bitte Sie, kommen Sie morgen.

JOHANNA: Nein, ich gehe hier nicht weg, bevor ich die Bescheinigung nicht bekomme. (Setzt sich demonstrativ, nimmt ein medizinisches Journal und vertieft sich in dessen Lektüre, damit zeigend, dass sie vorhat, lange zu bleiben, und es nicht gelingen wird, sie loszuwerden.)

DOKTOR: (Hoffnungslos.) Aber ich muss wirklich in die Klinik hinunter.

JOHANNA: Gehen Sie, ich halte Sie nicht auf.

DOKTOR: Und Sie?

JOHANNA: Ich gehe und gebe Anton ein Butterbrot, dann bringe ich ihn hierher, und wir werden zusammen hier sitzen, bis wir unsere Krankengeschichte bekommen.

DOKTOR: Nun, denn… Wie es Ihnen beliebt.

Der Doktor gießt sich Cognac ein, dann, überlegt er es sich und nimmt das Fläschchen mit den Tropfen, dann wendet er sich wieder dem Cognac zu, und findet einen Kompromiss: Er gießt einige Tropfen in den Cognac, trinkt aus und geht, sich abwechselnd an Kopf und Herz fassend. Johanna begleitet ihn mit zufriedenem Blick, dann geht auch sie hinaus. Nach einiger Zeit kommen Marina und fast gleichzeitig der Mann herein.

MANN: Endlich habe ich Sie gefunden.

MARINA: Aufgespürt.

MANN: Ja, aufgespürt. Warum haben Sie vor mir verheimlicht, dass Sie verheiratet sind?

MARINA: Ich habe nichts verheimlicht.

MANN: Aber auch nie etwas davon erwähnt.

MARINA: Meinen Sie, eine Frau sollte ununterbrochen in Zeitungen, im Radio und Fernsehen verkünden, dass sie verheiratet ist? Oder umgekehrt, dass sie nicht verheiratet ist?

MANN: Nicht verkünden, aber auch nicht verheimlichen.

MARINA: Ich verheimliche nichts.

MANN: Wirklich? (Und da Marina nicht antwortet, fährt er fort.) Sie sind eine gefährliche Frau.

MARINA: Danke für das Kompliment.

MANN: Warum sagen Sie mir nicht die ganze Wahrheit?

MARINA: Sind Sie hierhergekommen, um private Verhältnisse zu klären?

MANN: Nein. Unser Thema wird viel ernster…

Johanna und Anton treten ein.

MARINA: Nun, weiter, warum hören Sie denn auf?

MANN: Das ist kein Gespräch für Außenstehende.

MARINA: Gut, setzen wir es in ein paar Minuten fort.

MANN: Ein paar Minuten – einverstanden, aber nicht mehr. (Geht hinaus.)

JOHANNA: Wer war das?

MARINA: Unwichtig. Wo ist der Doktor?

JOHANNA: Er ist in die Klinik gegangen.

MARINA: Und, wie ist er?

JOHANNA: (Zufrieden.) Genau so, wie er sein soll.

MARINA: Ganz?

JOHANNA: Es scheint so.

MARINA: Ist er in die Klinik gegangen, um zu behandeln, oder sich behandeln zu lassen?

JOHANNA: Um zu behandeln.

MARINA: Ich an seiner Stelle, würde mich behandeln lassen.

JOHANNA: Ich sehe, er tut dir Leid.

MARINA: Und dir nicht?

JOHANNA: Mir tun wir alle Leid.

MARINA: Er ist ein sehr guter Mensch.

JOHANNA: Wir sind auch keine schlechten Leute.

MARINA: Bist du sicher?

JOHANNA: Du brauchst mich nicht mit Fragen zu löchern. Ich schlaf´ auch so nächtelang nicht.

MARINA: (Anteilnehmend.) Du siehst nicht besonders aus.

JOHANNA: Du auch.

MARINA: Glaubst du, mir fällt es leicht?

JOHANNA: Und du glaubst, mir ist lustig dabei zumute?

ANTON: Um die Wahrheit zu sagen, auch für mich ist es kein Zuckerlecken.

JOHANNA: (Beißend.) Für ihn ist es „kein Zuckerlecken“! Und wegen wem, glaubst du, befinden wir beide uns hier?

ANTON: (Schuldbewusst.) Wegen mir.

JOHANNA: Gut, dass wenigstens du das begreifst. (Pause.)

ANTON: Eigentlich werde ich hier nicht mehr gebraucht. Kann ich gehen?

MARINA: Keinesfalls! Dich darf man nirgendwo allein hinlassen.

JOHANNA: Du weißt, dass wir dir das verbieten.

ANTON: Ich bin kein Kind.

MARINA: Hör auf! Wir haben auch so die ganze Zeit Angst, dass du wieder irgendetwas anstellst.

ANTON: Ich habe mich doch zu eurem Wohl bemüht.

JOHANNA: Danke, du hast uns schon viel Wohl bereitet.

ANTON: Ich will von hier weg.

JOHANNA: Wir wollen alle weggehen.

ANTON: Ich bin müde.

MARINA: Wir sind alle müde.

ANTON: Das ist alles ermüdend und unangenehm. Ich geh´.

JOHANNA: (Hält ihn fest.) Sitz!

MARINA: Hör auf, nervös zu sein, Lieber. Soll ich dir einen Kaffee machen?

JOHANNA: Lass das, du hast ihn auch so verwöhnt.

MARINA: Was soll ich tun? Ich liebe ihn.

JOHANNA: Ich liebe ihn auch. Aber man darf mit ihm doch nicht die ganze Zeit zu nachsichtig sein. Und woher nimmst du hier Kaffee?

MARINA: Aus der Thermoskanne des Doktors.

ANTON: Lasst uns lieber Cognac trinken. Er hat viel davon. (Öffnet die Bar.)

MARINA: Nein, Lieber, das dürfen wir nicht. Wir müssen in Form sein.

ANTON: Ihr liebt mich so, und ich verursache euch nur Unannehmlichkeiten. Glaubt ihr, dass mich das Gewissen nicht quält?

JOHANNA: Anstelle von Gesprächen über das Gewissen, solltest du dich lieber bemühen, gesund zu werden.

ANTON: Ich bemühe mich. Aber diese Anwandlung ist stärker, als ich.

JOHANNA: Nicht sie ist stärker, sondern du bist schwächer.

MARINA: Du solltest ihm nichts vorwerfen. Das ist nicht der Zeitpunkt dazu.

JOHANNA: Du beschützt ihn ewig.

MARINA: Und du willst, dass ich ihn angreife? (Pause.)

JOHANNA: Es ist Zeit, auseinanderzugehen.

MARINA: (An Johanna.) Gehen wir, ich will dir etwas sagen.

ANTON: Ich geh´ mit euch.

JOHANNA: Nein, bleib hier! So werden wir ruhiger sein.

Marina und Johanna gehen. Bleibt alleine im Sessel des Doktors. Der Doktor tritt ein.

ANTON: Zu wem möchten Sie?

DOKTOR: Ich? Zu niemandem.

ANTON: Der Doktor ist nicht da. Warten Sie im Wartezimmer.

DOKTOR: Der Doktor bin ich!

ANTON: Seit wann?

DOKTOR: Wie, „seit wann“?

ANTON: Seit wann sind Sie Doktor?

DOKTOR: Ich bin es schon immer. Und werde es sein, bis ich verrückt werde. Was dank Ihnen sehr bald passieren wird.

ANTON: Nun, wenn Sie Doktor sind, dann gestatten Sie mir, eine Frage zu stellen. Aber ärgern Sie sich bloß nicht… Erinnern Sie mich, wie ich heiße.

DOKTOR: Haben Sie das denn wieder vergessen?

ANTON: (In die Enge getrieben.) Ja, irgendwie… Ärgern Sie sich bloß nicht.

DOKTOR: Ich ärgere mich auch nicht. Ich bin außer mir. Man kann das Gedächtnis verlieren, aber doch nicht bis zu so einem Grad!

ANTON: (Schuldbewusst.) Zum letzten Mal, Ehrenwort. Ich werd´s nicht mehr vergessen.

DOKTOR: Nun, gut. Sie heißen… (Hält inne.) Sie heißen… (Ist verwirrt.) Und wozu wollen Sie das alles wissen?

ANTON: Nun, wie denn… Vielleicht fragen Sie plötzlich danach?

DOKTOR: Wozu sollte ich fragen? Ich weiß es auch so.

ANTON: Dann also, wie denn?

DOKTOR: Sie heißen… Sie heißen… Warten sie… (Blättert in seinen Aufschrieben.) Sie heißen… Aha. (Feierlich.) Marina Glöckner.

ANTON: Ich – Marina?

DOKTOR: Nein, warten Sie… Das ist offenbar nicht Ihr Name. Aber Sie heißen… Ich hab´s doch aufgeschrieben… (Stöbert wieder in Papieren.) Hier:. (Wiederholt mit zusammengebissenen Zähnen.) Anton Glöckner, und seien Sie verdammt! Und wie viele Frauen Sie haben, wissen Sie?

ANTON: (Denkt angespannt nach.) Ich weiß nicht.

DOKTOR: Und ich weiß es auch nicht. Gehen Sie ins Wartezimmer und erinnern Sie sich. Und stören Sie mich nicht beim Arbeiten. Ich muss… schreiben… (Hält inne.) Verdammt nochmal, was muss ich schreiben?

ANTON: Meine Krankengeschichte.

DOKTOR: Richtig. Woher wissen Sie?

ANTON: Ich weiß nicht.

DOKTOR: Nun gut, gehen Sie mit Gott ins Wartezimmer und sitzen Sie dort ruhig.

ANTON: (Geht zum Ausgang, bleibt aber stehen. Scharf.) Doktor…

DOKTOR: (Fasst sich an den Kopf.) Was denn noch?

ANTON: Wissen Sie, welches mein Hauptproblem ist?

DOKTOR: Fehlendes Gedächtnis.

ANTON: Nein. Fehlendes Geld.

DOKTOR: Das ist für alle das Hauptproblem.

ANTON: Aber für mich besonders. (Unerwartet.) Leihen Sie mir etwas.

DOKTOR: Ich würde Ihnen leihen, aber Sie vergessen, es zurückzugeben.

ANTON: Ich vergesse es nicht. Ich unterschreibe eine Quittung.

DOKTOR: Und verschwinden.

ANTON: Wohin kann ich denn? Mein Pass ist doch bei Ihnen. Im äußersten Fall gibt Ihnen meine Frau das Geld zurück.

DOKTOR: Welche von beiden?

ANTON: (Vertraulich.) Versetzen Sie sich in meine Situation.

DOKTOR: Das würde ich mit Vergnügen machen, aber ich weiß nicht, worin sie besteht.

ANTON: Kommt es denn nicht vor, dass ein Mann zwei Frauen hat?

DOKTOR: (Mit großem Interesse.) Und Sie haben zwei?

ANTON: Eine.

DOKTOR: Welche denn?

ANTON: (Zweifelnd.) Ich weiß nicht.

DOKTOR: Ich verstehe nichts.

ANTON: Ich auch. Doktor, ich brauche dringend Geld. Eine Frage auf Leben und Tod. Leihen Sie mir welches. Ich gebe es Ihnen heute wieder zurück.

DOKTOR: Wie viel brauchen Sie?

ANTON: Wenigstens eintausend Euro.

DOKTOR: „Wenigstens“?

ANTON: Wenn Sie mit eintausend Probleme haben, geben Sie mir zwei.

DOKTOR: Um Sie loszuwerden würde ich sogar drei geben.

ANTON: (Erfreut.) Ich nehme auch vier.

DOKTOR: Vier gebe ich nicht. Drei auch. Aber tausend gebe ich. Unter der Bedingung, dass ich Sie hier nie mehr sehe.

ANTON: Abgemacht.

DOKTOR: (Nimmt Geldscheine aus dem Geldbeutel.) Nehmen Sie! Und – kehrt um, vorwärts Marsch!

ANTON: Zu Befehl!

Der strahlende Anton eilt davon. Der Doktor kehrt an den PC zurück. Aber die Arbeit klappt nicht. Marina tritt ein.

MARINA: (Beunruhigt.) Wo ist mein Mann?

DOKTOR: Er ist hier. Ich habe gerade erst mit ihm gesprochen.

MARINA: Sie sehen ziemlich betrübt aus. Ist etwas passiert?

DOKTOR: Ich muss zugeben, ich bin in eine teuflisch unangenehme Situation gekommen. In eine richtige Falle.

MARINA: Erzählen Sie, um was geht es? Vielleicht kann ich Ihnen helfen.

DOKTOR: Nein, das können Sie nicht.

MARINA: (Nimmt ihn sanft an der Hand.) Erzählen Sie trotzdem. Ihnen wird wenigstens leichter.

DOKTOR: (Wischt sich die Stirn ab.) Verzeihen Sie, aber wer sind Sie – Marina oder Johanna?

MARINA: Ich bin Marina.

DOKTOR: Ja, richtig. Wissen Sie, mit mir geht etwas unverständliches vor sich. Im Kopf verwirrt sich alles, ich begreife nichts. Von mir wird eine Krankengschichte gefordert, und ich, da können Sie mich umbringen, erinnere mich nicht, dass ich sie geschrieben habe. Und wenn ich sie nicht geschrieben habe oder aus Versehen gelöscht, dann kann ich große Schwierigkeiten bekommen.

MARINA: Dann schreiben Sie doch eine neue, worin besteht das Problem? Ist es das denn wert, den Kopf hängen zu lassen?

DOKTOR: Eine fiktive Krankengschichte mit unechtem Datum zu verfassen, ist ungesetzlich. Damit stolpere ich in noch größere Unannehmlichkeiten.

MARINA: Ach, wer erfährt denn davon?

DOKTOR: Wenn es eine Prüfung gibt, kann man das ganz leicht aufdecken. Der PC fixiert doch automatisch das Erstellungsdatum einer Datei. Übrigens, Sie werden wohl kaum etwas davon verstehen.

MARINA: Und darin besteht das ganze Problem?

DOKTOR: Im technischen Sinn, ja. Über Gewissensbisse und Berufsehre red´ ich schon gar nicht. Die interessieren in unserer Zeit niemanden.

MARINA: Mir scheint, ich kann Ihnen helfen.

DOKTOR: Wie?

MARINA: Habe ich Ihnen denn nicht gesagt, dass ich von Beruf Programmiererin bin?

DOKTOR: Sie?!

MARINA: Und Ihr technisches Problem ist aus Sicht eines Programmierers nur ein Nichts. Setzen Sie sich neben mich.

Beide setzen sich an den PC. Marinas Finger fliegen schnell über die Tastatur.

Hier, schauen Sie… Wir öffnen eine Datei mit der Krankengeschichte Antons… Der PC zeigt an, dass sie heute geschaffen wurde. Richtig?

DOKTOR: Richtig.

MARINA: Jetzt eine kleine Korrektur… Schauen Sie jetzt – wann wurde die Datei geschaffen?

DOKTOR: (Schaut auf den Bildschirm.) Vor zweieinhalb Jahren. Einfach unglaublich! Wie haben Sie das geschafft?

MARINA: (Zitiert mit Ironie den Doktor.) Wissen und Arbeit.

DOKTOR: Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll!

MARINA: Danken brauchen Sie nicht. (Schwankend.) Und jetzt will ich Ihnen etwas sehr wichtiges sagen… (Verstummt.)

DOKTOR: Nun, was schweigen Sie denn?

MARINA: Es ist schwer, mich zu überwinden. Aber ich werd´s doch sagen.

Der Mann tritt ein. Marina verstummt. Sie ist sehr verwirrt.

MANN: (An Marina.) Jetzt verstecken Sie sich nicht vor mir. (An den Doktor. Sein Ton ist hart,) Lassen Sie uns bitte alleine.

Der Doktor blickt fragend auf Marina. Sie nickt ihm zu. Der Doktor geht hinaus. Pause.

MARINA: Nun, reden Sie.

MANN: Sie wissen hervorragend, um was es geht.

MARINA: Nicht ganz.

MANN: Dann führe ich die Sache so klar und kurz aus, wie möglich, zudem wenig Zeit übrig bleibt. Sie haben aus der Bank die Ihnen bekannte Summe entwendet. Das Geld ist zwar nicht auf Ihr Konto überwiesen, aber Sie wissen bestens, was darauf steht.

MARINA: Gefängnis.

MANN: Völlig richtig. Sie galten als gebildete Mitarbeiterin. Ehrlich gesagt, ich bewundere auch jetzt noch Ihre Kunstfertigkeit, mit der Sie diese Operation durchgeführt haben. Zwei Jahre hat die Bank nicht bemerkt, wie eine einzige Zeile im Computerprogramm zu dem Geldverlust geführt hat.

MARINA: Man muss noch beweisen, dass ich diese Zeile einfügt habe.

MANN: Experten werden das beweisen.

MARINA: Unklar, wer erfahrener ist – ich oder Ihre Experten. Was wollen Sie von mir?

MANN: Geben Sie das Geld zurück, und die Bank wird Sie nicht vor Gericht bringen.

MARINA: Woher diese Milde? Daher, dass Sie mir gegenüber nicht ganz gleichgültig sind?

MANN: Sie wissen, dass ich Ihnen gegenüber wirklich nicht ganz gleichgültig bin, aber in diesem Fall sind rein kommerzielle Gründe wichtiger. Die Bank braucht wirklich nicht, dass der Öffentlichkeit bekannt wird, dass unsere Mitarbeiter das Geld der Anleger stehlen. Dann verlieren wir tausende Kunden und hunderttausende Euro. Deshalb sind wir interessiert, diese Sache zu vertuschen.

MARINA: Wann muss man das Geld zurückgeben?

MANN: Heute. Andernfalls werden Sie morgen verhaftet.

MARINA: Heute kann ich nicht. Und morgen, übrigens, auch nicht. Und übermorgen.

MANN: Warum?

MARINA: Was macht den Unterschied?

MANN: Gut. Ich hab´ gesagt, was ich sagen sollte. Denken Sie nach. Ich wiederhole: Zeit haben Sie wenig. (Steht auf, geht zum Ausgang, bleibt stehen. Sein Ton verändert sich.) Marina, Sie wissen doch, wie ich zu Ihnen stehe.

MARINA: Ich weiß.

MANN: Weshalb haben Sie das gemacht?

MARINA: Weil… Weil ich es getan habe.

MANN: Und wo ist denn trotzdem das Geld?

MARINA: Ich habe es nicht für mich genommen.

MANN: Das habe ich vermutet. Dann soll eben jener Mensch sitzen! Letztendlich hat nämlich er sich das Geld von dem Konto angeeignet, und Sie sind formell fast nicht schuldig. Jene Zeile im Programm kann man als technischen Fehler erklären. Was sagen Sie dazu?

MARINA: (Nach einigem Schweigen.) Lassen Sie mich etwas nachdenken. Warten Sie unten im Café, ich werde Sie rufen. Und solange habe ich eine Bitte an Sie. In diesem Café sitzt eine Frau namens Johanna. Bitten Sie sie, heraufzukommen.

MANN: Gut.

Der Mann geht. Der Doktor tritt ein.

DOKTOR: Wer ist dieser Mann?

MARINA: Der Vizepräsident der Bank.

DOKTOR: Was wollte er von Ihnen?

MARINA: Unwichtig. Doktor, ich will Ihnen etwas gestehen.

DOKTOR: (Versucht zu scherzen.) Ich hoffe, Ihre Liebe?

MARINA: Nein, einfach ein Geständnis. Obwohl, ich verberge nicht, dass Sie mir sehr sympathisch sind. Deshalb muss ich Ihnen auch etwas gestehen. (Verstummt.)

DOKTOR: Sie wollten mir auch davor etwas sehr wichtiges sagen, aber die Ankunft dieses Mannes störte dabei.

MARINA: Ja.

DOKTOR: Dann gestehen Sie doch endlich!

MARINA: Sie werden mich verachten.

DOKTOR: Unsinn. (Und da Marina schweigt, fährt er fort.) Wenn Sie sich nicht entschließen, zu gestehen, dann erlauben Sie mir das zu tun. Sie sind die Frau, von der ich schon lange geträumt habe. Wenn Sie nicht verheiratet wären, würde ich Ihnen einen Antrag machen. Lachen Sie mich nur nicht aus.

MARINA: Ich möchte weinen und nicht lachen.

DOKTOR: Überlegen Sie: Wenn es nicht gelingt, Ihren Mann zu heilen, dann müssen Sie sich trotzdem von ihm trennen. Und dann werde ich mich um ihn und um Sie kümmern. Ich bin nicht jung und nicht hübsch…

MARINA: (Unterbricht ihn.) Sie sind nicht alt und sehr wohl anziehend.

DOKTOR: Danke. Aber ich wollte sagen, dass ich dafür völlig versorgt bin und mich bemühe, Sie glücklich zu machen. Und, die Hauptsache, ich verhalte mich Ihnen gegenüber gut.

MARINA: Das ist wirklich die Hauptsache.

DOKTOR: Und jetzt sagen Sie, was Sie mir sagen wollten.

MARINA: Aber nun fällt es mir noch schwerer, mich dazu durchzuringen. Sache ist die, dass…

Johanna tritt ein. Überrascht davon, Marina mit dem Doktor zusammen zu sehen, bleibt sie abrupt stehen.

JOHANNA: Du hast mich gerufen?

MARINA: Ja.

DOKTOR: (Verwundert.) Wie, Sie kennen sich?!

MARINA: Wie Sie sehen.

DOKTOR: Ich verstehe gar nichts.

MARINA: Bald werden wir alles erklären. Lassen Sie uns nur zuerst alleine miteinander reden. Ich werde Sie rufen. (Pause. Der Doktor geht hinaus.)

JOHANNA: Was ist passiert?

MARINA: Alles ist aufgeflogen. Die Bank fordert Geld.

JOHANNA: (Erschüttert.) Schon?

MARINA: Irgendwann musste das passieren.

JOHANNA: Und trotzdem ist es so unerwartet. Und so schrecklich. (Fasst sich wieder.) Wir müssen handeln.

MARINA: Du meinst die Sache mit dem Doktor?

JOHANNA: Ja. Heute noch, gleich jetzt müssen wir ihn bis zum Ende bringen.

MARINA: Ich will nicht.

JOHANNA: Warum?

MARINA: Überleg selbst, welche verhassten Rollen wir spielen. Wirst du dich denn danach noch selber achten können?

JOHANNA: Lieber sich selbst nicht achten in Freiheit, als sich achten im Gefängnis.

MARINA: Wir verhalten uns unwürdig.

JOHANNA: Wir kämpfen nur für uns selbst.

MARINA: Und vernichten ihn dabei.

JOHANNA: Ich verstehe nicht – hast du dich etwa in den Doktor verliebt?

MARINA: Und wenn es so wäre, was dann?

JOHANNA: Na das, dass sich Frauen in einem bestimmten Alter eben nicht mehr verlieben.

MARINA: So ein Alter gibt es für Frauen nicht.

JOHANNA: Verlier den Verstand nicht. Wir haben trotzdem keinen anderen Ausweg.

MARINA: Es gibt einen Ausweg: Alles gestehen.

JOHANNA: Und unser Leben zerstören.

MARINA: Keine Sorge, ich nehm´ alles auf mich.

JOHANNA: Du hältst das für Heldentum, aber es ist Dummheit.

MARINA: Das ist Berechnung. (Sanft.) Überleg selbst. Wenn wir unseren Plan umsetzen, dann sitzen wir höchstwahrscheinlich alle vier: Wir drei wegen Betrugs, und der Doktor wegen der gefälschten Krankengeschichte. Aber im Fall eines Geständnisses sitze nur ich alleine, und ihr bleibt in Freiheit. Ihr werdet mir Päckchen bringen. Außerdem habt ihr Kinder, und ich bin alleine. Nicht zu reden vom reinen Gewissen.

JOHANNA: (Nach langem Schwanken.) Wahrscheinlich hast du Recht. (Weint.) Was bin ich nur für ein Mensch: Die Dummheiten haben wir zusammen gemacht, aber ausbaden musst du sie alleine. Verzeih mir. (Umarmt Marina.)

MARINA: Na, na, wer wird denn gleich? (Beide weinen sich an den Schultern der anderen aus.) Also, nun, rufen wir den Doktor?

JOHANNA: Ruf ihn, wenn du willst.

MARINA: (Geht zur Türe und ruft den Doktor.) Sie können eintreten. (Der Doktor kommt herein. Die Frauen trocknen ihre Tränen ab.) Setzen Sie sich. (Er setzt sich.)

MARINA: Jetzt erklären wir Ihnen alles. Sache ist die, dass… (Zu Johanna.) Erzähl besser du.

JOHANNA: Gut. (Zum Doktor.) Nehmen Sie zuerst Ihre Tropfen. (Er nimmt sie gehorsam ein.) Sind Sie bereit, zuzuhören?

DOKTOR: Ja.

JOHANNA: Beginnen wir damit, wer wer ist. Ich bin die Frau von Anton, er ist mein Mann, Marina ist seine Schwester und er ihr Bruder. Klar?

DOKTOR: (Völlig überrascht.) „Er ist mein Mann, Marina seine Schwester…“ (Klarheit bekommend.) Aber das ist doch wunderbar! Das verändert die Sache vollkommen. Wir heilen ihn und dann…

JOHANNA: Warten Sie. Ihn braucht man überhaupt nicht zu heilen, denn er ist absolut gesund.

DOKTOR: Gestatten Sie, aber sein Gedächtnisverlust…

MARINA: Simulation, alles nur gespielt. Er hat ein hervorragendes Gedächtnis. Nicht von ungefähr gilt er als der beste Kartenspieler in der Stadt.

DOKTOR: Warum haben Sie denn dann…

JOHANNA: (Im Ton eines Rechtsanwalts.) Doktor, wenn Sie dauernd Fragen stellen, kommen wir nie zum Ende.

DOKTOR: Entschuldigen Sie.

JOHANNA: Jetzt hören Sie. Vor zwei Jahren hat Anton im Casino eine erhebliche Summe Geld verspielt. Er fleht Marina an, ihm die Summe zu besorgen und verspricht, sie schnell zurückzugeben. Andernfalls, sagte er, würde man ihn erschießen. Marina besorgt ihm über die Bank Geld, und ich habe sie leider nicht von diesem Schritt abgebracht. Ich hatte Angst um den Mann und die Kinder.

DOKTOR: Und was war dann weiter?

JOHANNA: Weiter hat Anton, anstatt die Summe zurückzugeben, auch dieses Geld verspielt. Die Schulden verdoppelten sich. Er rennt wieder zur Schwester und fleht sie an, ihn zu retten. Marina liebt den Bruder bis zum Gedächtnisverlust und gibt nach. Und so versanken wir langsam aber sicher in einem Loch, aus dem wir nicht mehr herauskommen. Sie stellen sich nicht vor, wie schwer das ist: Zu wissen, dass der Mann ein Spieler ist, dass er auf der schiefen Bahn ist und die ganze Familie mit sich zieht, ihn zu lieben und retten zu wollen und nicht in der Lage zu sein, irgendetwas zu ändern…

DOKTOR: So… Aber was habe ich mit all dem zu tun?

JOHANNA: (Verwirrt geworden.) Ehrlich gesagt, diesen Teil der Geschichte zu erzählen ist besonders unangenehm, aber wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen. Uns an Sie zu wenden, das ist meine eigene Idee.

DOKTOR: Und worin bestand die Idee?

JOHANNA: Wir begriffen, dass man uns dicht auf den Fersen ist und aufdecken wird, und in mir reifte der Plan, schnellstens dafür zu sorgen, dass Anton für unzurechnungsfähig erklärt wird. Dann könnte er Gericht und Urteil überstehen. Aber dazu brauchte man die Bescheinigung eines kompetenten und ordentlichen Arztes. So eines, wie Sie.

DOKTOR: Ach, so liegt die Sache…

JOHANNA: Wir begriffen, dass auf gewöhnlichem Weg von Ihnen eine Bescheinigung zusammen mit der Krankengeschichte zu bekommen unmöglich ist.

DOKTOR: Richtig.

JOHANNA: Und so habe ich mir ausgedacht, einen massierten Angriff gegen Sie zu starten, um Sie durcheinanderzubringen, in völlige Verwirrung, um auf diese Weise zu bekommen, was wir brauchten. Wir studierten die Symptome der Krankheit aus einem Fachbuch und haben Ihnen zu dritt dieses Spektakel vorgespielt. (Schuldbewusst.) Ich gestehe, dass das nicht klug war, unordentlich und grausam. Wir bedauern das sehr.

Marina sitzt die ganze Zeit mit gesenktem Kopf.

DOKTOR: Was weiter?

JOHANNA: Nichts. Aus.

DOKTOR: Marina, wollten Sie mir das gestehen?

MARINA: (Ohne den Kopf zu heben.) Ja.

JOHANNA: Jetzt können Sie uns hinaus werfen. Aber wir werden auch selbst gehen. Wir bitten nicht um Verzeihung – wir verdienen sie nicht. (Nimmt Marina an der Hand und geht mit ihr zum Ausgang.)


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