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Lauert
  • Текст добавлен: 26 апреля 2020, 11:30

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Автор книги: Блейк Пирс



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KAPITEL VIER

Jake klopfte nervös mit dem Fuß auf den Boden, als er dem leitenden Spezialagenten der Verhaltensanalyseeinheit gegenübersaß.

Es klingt auf jeden Fall nach einer Serie, dachte er.

Erik Lehl beschrieb gerade zwei ähnliche Mordfälle in Kentucky und Tennessee. Jake versuchte zu entscheiden, ob er gerade überhaupt darüber nachdenken wollte. Schließlich war er gestern erst in eine Schießerei im Staat New York verwickelt gewesen.

Lehl schloss seine Darlegung mit den Worten: „Agent Crivaro, der einzige Grund, wieso ich mit Ihnen darüber spreche ist, dass ich gerade keine anderen erfahrenen Verhaltensanalyseagenten habe, die ich dort hinschicken könnte.“

Jake kicherte und sagte: „Also bin ich der letzte Ausweg, wie?“

Lehl lachte nicht über Jakes kleinen Witz. Natürlich wusste Jake sehr gut, dass sein Boss nicht gerade für seinen Sinn für Humor bekannt war.

„Sie wissen, dass Sie das nicht sind“, sagte Lehl. „Ich will einfach keine Anfänger schicken. Aber ich weiß auch, dass sie womöglich eine Pause gebrauchen könnten, nach dem, was gestern vorgefallen ist. Wenn das so ist, dann ist das in Ordnung. Es ist nicht gerade ein öffentlich diskutierter Fall, noch nicht zumindest. Ich kann es auch die FBI Einheit vor Ort in Memphis übernehmen lassen. Aber der örtliche Sheriff ist in einer Art Panik und hat explizit die Verhaltensanalyseeinheit angefragt. Ich wäre entspannter, wenn ich wüsste, dass ich meinen besten Agenten auf den Job angesetzt habe.“

„Sie sollten mir nicht schmeicheln, Sir“, sagte Jake lächelnd. „Sonst steigt es mir noch zu Kopf.“

Agent Lehl lachte auch jetzt nicht. Der schlaksige Mann legte seine langen Finger zu einer Raute zusammen und blickte Jake erwartungsvoll an.

„Ich mach’s“, sagte Jake schließlich.

Lehl schien genuin erleichtert zu sein.

„Na dann ist ja gut“, sagte Lehl. „Ich bestelle ein Flugzeug, dass sie zum Dyersburg Regionalflughafen fliegen wird. Ich werde veranlassen, dass ein paar örtliche Cops Sie dort empfangen. Soll ich Ihnen einen Partner zuteilen?“

Jake rutschte auf seinem Stuhl herum.

„Nee, diesen hier bekomme ich alleine hin“, sagte er.

Lehl gab ein leises entrüstetes Stöhnen von sich.

Er sagte: „Agent Crivaro, wir haben doch darüber gesprochen.“

Lehls paternalistischer Ton amüsierte Jake, so als würde sein Boss ihn liebevoll ermahnen wollen.

„Ja, ich weiß“, sagte Jake. „Sie sagen immer wieder, es sei an der Zeit, dass ich lerne mit anderen klarzukommen. Aber ich bin alt und gefestigt in meinem Charakter, Sir. Wenn Sie mich mit einem Anfänger hinschicken, werde ich den armen nur terrorisieren. Ich könnte ihn ganz vergraulen. Das würden Sie nicht wollen.“

Dann stellte sich ein ziemlich ominöses Schweigen ein.

Ich nehme an, meine Antwort gefällt ihm nicht, dachte Jake.

Schließlich sagte Lehl: „Denken Sie einfach darüber nach, einen Partner mitzunehmen. Ich werde ihnen wegen des Fluges Bescheid geben.“

Das Gespräch war beendet und Jake ging wieder in sein eigenes Büro zurück. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, der mit Unterlagen überhäuft war, an denen er heute gearbeitet hatte. Er hatte sich mit dem „Nanny Killer“ Fall aus Maryland beschäftigt und versucht genug Beweise zusammenzubekommen, um den Kindermörder namens Larry Mullins zu verurteilen. Er und Riley hatten den Mann vor einigen Wochen verhaftet.

Der Prozess würde bald stattfinden. Obwohl Jake, Riley und das gesamte Ermittlungsteam mit fast absoluter Gewissheit wussten, dass Mullins schuldig war, machte Jake sich Sorgen, ob die Jury das auch so sehen würde.

Jake fragte sich, ob er Lehls Bitte vorhin hätte ausschlagen sollen. Lehl hätte es ihm nicht vorgehalten. Und es war nicht so, als hätte er nicht andere wichtige Dinge zu erledigen. Außerdem war er von den Ereignissen gestern immer noch mitgenommen.

Ich glaube, ich bin einfach ein Typ, der nicht nein sagen kann, dachte Jake.

Er fragte sich, ob er wohl süchtig nach der Arbeit im Außendienst war, und nach all der Action und den Gefahren, die sie mit sich brachte.

Oder vielleicht war es etwas anderes.

In letzter Zeit hatte er das Gefühl, dass sein Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten schwand. Seine Ungewissheit über den Mullins Fall verstärkte diese Zweifel nur. Vielleicht hatte er diesen Fall angenommen, weil er einen inneren Drang verspürte sich zu beweisen – zu beweisen, dass er immer noch seine Arbeit machen konnte, und das nicht nur gut sondern besser, als jeder andere in der Verhaltensanalyseeinheit.

Aber was, wenn diese Zeiten vorbei sind? fragte er sich.

Er dachte an etwas, was Agent Lehl eben gesagt hatte.

„Denken Sie einfach darüber nach, einen Partner mitzunehmen.“

Jake vermutete, dass es guter Rat war. Der Versuch Solo zu arbeiten, während er mit Selbstzweifeln kämpfte, war keine gute Idee. Aber Lehl hatte ihm soeben gesagt, dass er gerade keine anderen erfahrenen Agenten zur Verfügung hatte. Jake hatte keine Lust irgendeinem dummen, unerfahrenen Grünschnabel angewandten Unterricht zu geben – nicht, wenn wahrscheinlich ein Serienmörder auf freiem Fuß war und sich bereit machte erneut zuzuschlagen.

Natürlich gab es da eine junge Agentin, von der Jake nicht so dachte...

Riley Sweeney.

Seine junge Protegé war mehr als vielversprechend. Sie hatte jetzt schon bessere Fähigkeiten, als viele weitaus erfahrenere Agenten, auch wenn ihre Bewertungen der Situation oft noch erratisch waren und sie ein Problem damit hatte, Befehlen zu folgen. Eines Tages, das wusste er, würde sie genauso gut, wenn nicht noch besser, als er selbst sein. Ihm gefiel der Gedanke, dass sie seine Arbeit weiterführen würde, wenn er nicht mehr da war. Und es gefiel ihm, mit ihr zusammen zu arbeiten.

Doch darüber hinaus hatte er das Gefühl, dass er begann sich wirklich auf sie zu verlassen. Wenn es stimmte, dass seine eigenen Fähigkeiten nachließen, so beruhigte es ihn, Riley dabei zu haben.

Doch als Jake darüber nachdachte, seufzte er laut.

Ich kann sie nicht bitten, an diesem Fall mitzuarbeiten, dachte er.

Es war viel zu früh. Die arme Kleine war viel zu traumatisiert von den Ereignissen des gestrigen Tages. Seit der Schießerei auf diesem verschneiten Parkplatz wurde Jake von Rileys entsetztem Gesichtsausdruck heimgesucht, als sie auf Heidi Wrights toten Körper niederstarrte.

Das tote Mädchen hatte noch jünger ausgesehen, als ihre tatsächlichen fünfzehn Jahre – wie eine traurige, kaputte kleine Puppe. Obwohl Riley nichts dergleichen gesagt hatte, wusste Jake, dass sie nicht anders konnte, als sich wie eine Art Mörderin zu fühlen. Die arme Kleine war immer noch in Schock gewesen, als er sie gestern zuletzt gesehen hatte.

Natürlich hatten Jake und Riley beide gewusst, dass sie früher oder später auf jemand schießen müsste. Doch Jake hätte nie gedacht, dass es unter so schrecklichen Bedingungen passieren würde – und natürlich, hätte auch Riley es nie gedacht.

Sie braucht eine Auszeit, dachte Jake.

Sie brauchte außerdem professionellen Beistand, den Jake ihr in keiner Weise leisten konnte.

Und doch fragte Jake sich, ob er wirklich das Recht hatte, so eine Entscheidung für sie zu treffen. Sollte sie nicht selbst entscheiden können, ob sie bereit war, wieder an die Arbeit zu gehen?

Eine andere Frage machte ihm außerdem Sorgen.

Kann ich diesen Job wirklich ohne sie machen?

Jake griff nach dem Hörer seines Telefonapparats und wählte ihre Nummer.

*

Riley betrat gerade ihre Wohnung, als ihr Handy klingelte. Frankie hatte sie soeben von Tiffin’s Grub & Pub nach Hause gefahren, wo die beiden Freundinnen sich ein leckeres Mittagessen gegönnt und ein gutes Gespräch gehabt hatten. Riley hoffte, dass der Anruf ihr nicht die Laune verderben würde.

Als Riley die Tür hinter sich schloss, schaute sie auf das Display. Der Anruf kam von Jake Crivaro. Sie nahm sofort ab.

Sie hörte die brummende Stimme ihres Mentors: „Riley – Crivaro am Apparat.“

Sein vertrauter Gruß brachte Riley zum Lächeln.

Sie antwortete beinahe: Ich weiß.

Stattdessen sagte sie: „Was gibt’s?“

Sie hörte, wie Crivaro unentschlossen grunzte. Dann sagte er: „Ähm, ich wollte nur... als ich dich gestern das letzte Mal gesehen habe, ging es dir nicht gut. Geht es dir besser?“

Riley verspürte einen Funken Neugierde. Sie war sich sicher, dass Crivaro wegen mehr anrief, als sich bloß nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen.

„Ja, es geht mir besser“, sagte sie. „Ich denke aber, es wird noch eine ganze Weile dauern. Gestern war... naja, irgendwie hart, wissen Sie?“

„Ich weiß“, sagte Crivaro. „Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist. Hast du bereits einen Therapietermin ausgemacht?“

„Noch nicht“, sagte Riley.

„Zögere das nicht hinaus“

„Das werde ich nicht“, sagte Riley, obwohl sie sich überhaupt nicht sicher war, dass sie es auch wirklich ernst meinte.

Es gab eine peinliche Pause.

Dann sagte Crivaro: „Naja, ich dachte, dass ich dich wissen lasse, dass ich in Kürze nach Tennessee fliege. Es gab dort ein paar Morde, einen in Kentucky und einen in Tennessee, und es sieht danach aus, als könnten sie das Werk eines Serienmörders sein. Lehl hat mir den Auftrag gegeben.“

Rileys Neugierde stieg an. Sie fand es komisch, dass Crivaro diese Begebenheit in genau diesem Moment mit ihr teilen wollte.

„Ich hoffe, es läuft gut“, sagte sie.

„Ja, naja...“

Eine noch längere Pause stelle sich ein.

Dann sagte Crivaro: „Lehl sagt, dass ich mit einem Partner an diesem Fall arbeiten soll. Er hat niemanden außer Anfänger anzubieten und ich dachte ich rufe an und frage... Nee, es ist eine schlechte Idee, vergiss, dass ich was gesagt habe.“

Riley spürte ein aufgeregtes Kribbeln.

„Wollen Sie, dass ich mitkomme?“, fragte sie.

„Nein, ich hätte nicht anrufen sollen, tut mir leid. Ich bin sicher, das ist das letzte, was du gerade tun möchtest. Du musst dich ausruhen, Zeit mit deinem Verlobten verbringen, den Kopf freibekommen. Du musst auch ein paar Therapiesitzungen machen, bevor du wieder an die Arbeit gehst. Du weißt, dass du früher oder später diese psychologische Evaluation machen musst.“

Aber nicht jetzt sofort, dachte Riley. Nicht, wenn ich bereits irgendwo anders an einem anderen Fall arbeite.

Es platze ihr heraus: „Ich mach’s.“

Sie hörte Crivaro seufzen.

“Riley, ich bin mir da nicht sicher.“

Riley sagte: „Tja, ich bin mir sicher. Mit wem könnten Sie sonst noch arbeiten? Sie brauchen jemand harten, jemanden der Sie kennt. Andernfalls würden Sie nur einen armen Anfänger terrorisieren.“

Crivaro kicherte und sagte: „Ja, das ist so ziemlich, was ich Lehl gesagt habe. Jedenfalls kümmert er sich gerade um einen Flug nach Tennessee. Soll ich nach DC fahren und dich abholen?“

„Nein, das müssen Sie nicht“, sagte Riley. „Mit dem Zug geht es schneller. Ich kenne den Fahrplan auswendig, es gibt einen Zug, der bald kommt. Wenn Sie mich am Quantico Bahnhof abholen, können wir direkt zur Landebahn fahren.“

Riley sagte ihm die Ankunftszeit und Crivaro antwortete: „Na gut.“

Er zögerte und stammelte: „Und, ähm...“

Riley spürte, dass er mit sich rang, um die richtigen Worte zu finden.

Schließlich sagte er einfach: „Danke.“

Riley wollte schon beinahe sagen: „Nein, danke Ihnen.“

Stattdessen sagte sie: „Ich bin bald da.“

Sie beendete den Anruf und starrte auf ihr Handy als sie sich auf die Couch setzte. Sie war überrascht, dass sie soeben diese Entscheidung getroffen hatte. Sie hatte wirklich kein bisschen überlegt.

Habe ich gerade einen Fehler gemacht? fragte sie sich.

Es fühlte sich nicht nach einem Fehler an. Eigentlich fühlte sie tiefe Erleichterung. Ihr Drang zurück an die Arbeit zu kehren verwunderte sie.

Doch was sie an dem Telefonat am meisten verwundert hatte, war Crivaros Ton gewesen. Er hatte beinahe wie ein Schuljunge geklungen, der ein Mädchen um ein Rendezvous bat.

Er will wirklich mit mir zusammenarbeiten, dachte sie.

Er will mit niemand anderem zusammenarbeiten.

Es gab ihr ein wohliges Gefühl, gewollt zu werden – und vielleicht sogar gebraucht.

Doch als sie sich von der Couch erhob, um ins Schlafzimmer zu gehen und ihre Reisetasche zu holen, fiel ihr etwas ein.

Ryan.

Sie musste ihn anrufen, und ihn informieren. Und sie bezweifelte, dass er es gelassen nehmen würde. Sie erinnerte sich an ihr Gespräch gestern Abend und wie er ihr Druck gemacht hatte die Verhaltensanalyseeinheit zu verlassen, und daran, was sie darauf geantwortet hatte.

„Ryan, müssen wir das wirklich jetzt besprechen?“

Natürlich hatten sie es bisher nicht geschafft, darüber zu reden. Sie hatten einfach keine Zeit dafür gehabt. Doch nun übernahm Riley trotzdem einen neuen Fall.

Sie nahm den Hörer des Festnetztelefons in die Hand und wählte nervös Ryans Nummer. Er klang fröhlich, als er sich am anderen Ende meldete.

„Hallo Süße, ich freue mich, dass du angerufen hast. Ich habe heute Abend einen Tisch in diesem Restaurant reserviert, das wir beide so mögen, Hugo’s Embers. Klingt das nicht großartig? Du weißt wie schwer es ist, dort einen Tisch zu bekommen.“

Riley schluckte nervös.

Sie sagte: „Ja, das ist toll, Ryan, aber... das müssen wir auf einen anderen Abend verschieben.“

„Huch?“

Riley unterdrückte ein Seufzen.

„Agent Crivaro hat gerade angerufen“, sagte sie. „Er will, dass ich mit ihm an einem Fall in Tennessee arbeite. Ich mache mich jetzt auf, um noch einen Zug nach Quantico zu erwischen.“

Ein angespanntes Schweigen hing in der Leitung.

„Riley, ich kann nicht sagen, dass mir das gefällt“, sagte Ryan. „Bist du bereit wieder zur Arbeit zu gehen? Du warst gestern ziemlich fertig. Und außerdem...“

Es folgte erneutes Schweigen.

Dann sagte Ryan: „Riley, wir brauchen das. Einen romantischen Abend zu zweit, meine ich. Es ist schon lange her, dass wir... du weißt schon.“

Es dauerte einen Moment, bis Riley verstand, was er meinte.

Dann begriff sie: Oh mein Gott. Er spricht von Sex.

Wir lange war es her, dass sie Liebe gemacht hatten? Sie wusste es nicht und begriff, dass sie in letzter Zeit überhaupt nicht daran gedacht hatte. Zwischen den zwei Fällen, an denen sie diesen Monat bereits gearbeitet hatte, war sie erschöpft gewesen. Und dazu kam noch, dass sie sich auf den bevorstehenden Mullins Prozess vorbereitete.

Sie sagte: „Ich mache das wieder gut, versprochen.“

„Riley, darum geht es nicht. Du hast das beschlossen, ohne mit mir zu sprechen.“

Riley verspürte einen Stich von Wut.

Werde ich Ryan jedes Mal zu Rate ziehen müssen, wenn ich einen neuen Fall annehme?

Aber das letzte was sie wollte, war mit ihm in diesem Moment darüber zu streiten. Sie hatte einfach keine Zeit dafür.

Sie sagte: „Es tut mir leid. Wirklich. Wir reden darüber, wenn ich nach Hause komme.“

„Ich möchte nicht, dass du fliegst“, sagte Ryan mit flehender Stimme.

„Ich muss hinfliegen“, sagte Riley. „Es ist mein Job.“

„Aber – “

„Tschüss, Ryan. Ich muss den Zug erwischen. Ich liebe dich.“

Sie legte auf und sackte mit einem verzweifelten Seufzen zusammen.

Soll ich Crivaro zurückrufen? fragte sie sich.

Soll ich ihm sagen, ich kann den Fall doch nicht übernehmen?

Crivaro würde es sicherlich verstehen. Er hatte ihr das ja bereits so gesagt.

Doch dann spürte Riley eine Welle des Grolls in sich aufkommen. Ryan hatte kein Recht sie so unter Druck zu setzen, besonders nicht nach dem, was gestern passiert war. Sie hatte einen Job zu erledigen und sie konnte Ryan nicht für den Rest ihres Lebens um Erlaubnis bitten, ihn zu machen.

Sie eilte ins Schlafzimmer, holte ihre Reisetasche und verließ die Wohnung, um den Zug zu bekommen.

KAPITEL FÜNF

Das Leben begann sich für Riley wie ein einziger langer Flug mit Jake Crivaro anzufühlen. Gerade erst gestern Abend waren sie aus New York zurückgeflogen. Nun waren sie erneut im FBI Jet, auf dem Weg ins westliche Tennessee.

Es ist fast so, als wäre ich gar nicht zuhause gewesen, dachte sie.

Auf eine gewisse Art und Weise wünschte sie, dass es so gewesen wäre. Es wäre schön, glauben zu können, dass ihr Streit mit Ryan am Telefon heute morgen ein bloßer Traum gewesen war, dass alles gut war zwischen ihnen.

Leider wusste sie, dass all das wirklich geschehen war.

Und natürlich ging das auch die schrecklichen Ereignisse des gestrigen Tages an.

Mein ganzes Leben fühlt sich gerade wie ein böser Traum an, dachte sie. Wie ein Albtraum von endlosen Flügen, Gefahren und plötzlichem Tod.

Sie schüttelte ihre düsteren Gedanken ab und schaute zu Crivaro. Er saß neben ihr und schaute einige handschriftliche Notizen durch, die er zum bevorstehenden Fall gemacht hatte.

Er erklärte: „Vor ungefähr einer Woche wurde eine Leiche im Wald gefunden, in der Nähe von Brattledale in Raffel County, Kentucky. Das Opfer war ein junges Mädchen, Natalie Booker.“

„Wie wurde sie ermordet?“, fragte Riley.

„Erdrosselt“, sagte Crivaro. „Wenn es ein bloßer Einzelfall in nur einem Staat gewesen wäre, würde es uns nichts angehen. Aber gestern kam eine weitere Leiche dazu, ein weiteres junges Mädchen namens Kimberly Dent, auch erdrosselt, wahrscheinlich vom selben Mörder. Ihre Leiche befand sich am Waldrand in der Nähe von Dalhart, Tennessee – hinter der Staatengrenze.“

„Was es zu einem FBI Fall macht“, sagte Riley. „Wenn wir ihn übernehmen wollten.“

„Genau“, sagte Crivaro. “Außerdem hat Raffel County Sheriff, Ed Quayle, ausdrücklich um die Hilfe der Verhaltensanalyseeinheit gebeten, also sind wir auf jeden Fall dabei.“

Crivaro schloss sein Notizbuch.

„Das ist so ziemlich alles, was ich bisher weiß“, sagte er. „Sheriff Quayle wird uns am Flughafen empfangen, ich bin mir sicher, er wird mehr haben.“

Riley nickte zustimmend und sie schwiegen eine Weile lang. Während sie dasaß und aus dem Fenster starrte, begannen Rileys Gedanken sich erneut um die schreckliche Schießerei von gestern zu drehen.

Riley hörte wie Crivaro leise sagte: „Du siehst müde aus.“

Sie drehte sich zu ihm und sah, dass er sie besorgt anschaute.

„Ich nehme an, das bin ich auch irgendwie“, sagte Riley. „Ich habe gestern Nacht nicht viel geschlafen.“

„Bist du sicher, dass du es schaffst, an diesem Fall zu arbeiten?“

„Ich bin mir sicher“, sagte Riley.

Doch sie merkte, dass sie sich gar nicht so sicher war. Und sie konnte an Crivaros besorgtem Blick ablesen, dass er ihre Zweifel spürte.

Er sagte mit sanfter Stimme: „Es ist hart, was dir gestern wiederfahren ist.“

Riley zuckte mit den Schultern und sagte: „Ich nehme an, Sie wissen wie sich das anfühlt.“

„Nicht wirklich, nein.“

Riley war überrascht, das zu hören.

Hat er nie jemanden getötet? fragte sie sich.

Crivaro hatte während der Fälle, an denen Riley mit ihm bisher gearbeitet hatte, nie schießen müssen. Es wäre einmal beinahe so weit gekommen, als ein Verrückter kurz davor gewesen war Riley eine tödliche Dosis Amphetamine zu spritzen. Doch Crivaros damaliger Partner Mark McCune hatte damals den Schuss abgegeben, der den Mörder niedergestreckt hatte.

Nichtsdestotrotz war Riley sich sicher, dass Crivaro auf irgendjemanden geschossen haben musste während seiner mehr als zwanzigjährigen Karriere als FBI Agent – wahrscheinlich viele Male.

Aber es muss ein erstes Mal gegeben haben, dachte sie.

Vielleicht würde es ihr helfen, wenn er ihr davon erzählte.

Vorsichtig fragte sie: „Agent Crivaro... könnten Sie mir vom ersten Mal erzählen, als Sie auf jemanden schießen mussten?“

Crivaro zuckte mit den Schultern. Er schien nicht besonders beunruhigt von der Frage.

„Naja, das ist eine uralte Geschichte“, sagte er. „Hast du jemals von dem Magrette Bank Überfall von 1980 gehört?“

Riley machte große Augen.

„Natürlich habe ich davon gehört“, sagte sie. „Wir haben das an der Academy durchgenommen. Ich habe sogar mit anderen Kadetten Teile davon nachgestellt. Der Fall wird immer als Anti-Terrorismus– und Überlebenstraining genutzt. Hatten Sie etwas damit zu tun?“

Crivaro lächelte ein komisches Lächeln.

„Ja, zum Ende hin jedenfalls. Willst du davon hören?“

Riley nickte stumm.

Crivaro sagte: „Naja, erzähl mir, was zu bereits darüber weißt. Ich will dich nicht mit Details langweilen, die du bereits eine Millionen Mal gehört hast.“

Riley schnaubte beinahe auf. An der Geschichte des Magrette Überfalls gab es rein gar nichts Langweiliges.

Nichtsdestotrotz sagte sie: „Naja, ich weiß, dass das ganze Ding verrückt war – und extrem gewalttätig. Eine Gang aus sechs Bankräubern hat eine Bank in Magrette, Pennsylvania gestürmt, bewaffnet bis an die Zähne und in Kampfanzüge des Militärs gekleidet. Sie zwangen die Bankschalterbeamten $20,000 in Bar rauszugeben.“

„Das war damals viel Geld“, sagte Jake.

„Aber die örtliche Polizei hat Wind davon bekommen, während der Überfall noch im Gange war,“ sagte Riley. „Als sie am Tatort anrückten, brach eine Schießerei direkt dort vor der Bank aus.“

Jake schüttelte den Kopf.

„Diese armen Cops“, sagte er. „Sie hatten keine Ahnung, wie unterbewaffnet sie waren.“

Riley sagte: „Ein Deputy wurde getroffen – fünf Mal, wenn ich mich richtig erinnere.“

„Unglaublich, aber er überlebte es“, sagte Crivaro.

„Die Räuber bekamen es hin, zu ihrem Fluchtfahrzeug zu gelangen“, fuhr Riley fort. „Dann lieferten sie sich mit den Cops eine wilde Verfolgungsjagd. Die Räuber schossen auf die Polizeiautos, bewarfen sie sogar mit selbstgemachten Bomben. Alle möglichen Transportmittel wurden beschädigt, inklusive eines Polizeihubschraubers. Die Räuber schafften es, die Polizei für eine Weile abzuhängen.“

Crivaro grunzte leicht.

„Ja, das war der Moment, an dem das FBI eingeschaltet wurde – mich mit eingeschlossen“, sagte er. „Früh am nächsten Morgen hatte eins unserer Teams die Gang irgendwo in einem nahegelegenen Wald aufgespürt, doch es stellte sich als Falle heraus. Wir wurden mit einem Kugelhagel begrüßt. Unser Team Chief, Val Davidson, war sofort tot.“

Crivaro schauderte und sagte: „Er wurde von einer Kugel aus einem Sturmgewehr getroffen. Hat fast seinen gesamten Schädel weggeblasen. Ich hatte sowas noch nie erlebt.“

Einen Moment lang schwieg er und sein Blick kehrte ins Innere.

Dann sagte er: „Wir alle erwiderten das Feuer, auch ich, obwohl wir unsere Angreifer kaum richtig zu sehen bekamen in diesem Wald. Die Schüsse schienen von überall und gleichzeitig aus dem Nichts zu kommen. Ich habe aber den allerletzten Schuss gefeuert. Einen Bruchteil einer Sekunde nachdem ich geschossen hatte, hörte ich einen Aufschrei aus dem Wald. Dann war die Schießerei zu Ende und alles wurde still.“

Crivaro schlurfte nervös mit den Füßen über den Boden.

Er sagte: „Dann kamen uns fünf der Räuber mit erhobenen Händen entgegen. Sie stellten sich! Ich und ein weiterer Kerl gingen in den Wald hinein, um herauszufinden, was vor sich ging. Wir fanden Wallace Combs, den Anführer der Bande, tot auf dem Boden liegen. Erschossen, mit einer Kugel mitten in die Brust. Der Rest der Gang erzählte uns daraufhin, dass Combs sie überzeugt hatte bis zum Tode zu kämpfen. Doch wie sich herausstellte, konnten sie ohne ihn nicht weitermachen.“

Crivaro schielte, so als ob er erneut mit dem Unglaublichen kämpfte.

„Ich hatte ihn getötet“, sagte er. „Aber ich hatte ihn nicht einmal gesehen. Ich habe einfach in den Wald hineingeschossen. Es war der glücklichste verdammte Zufall auf der Welt.“

Crivaro verstummte für einen Moment.

„Ich kann nicht sagen, dass ich mich jemals schuldig dafür gefühlt hatte“, sagte er, „aber es hat mich verändert. Es hat mich härter gemacht, nehme ich an. Teilweise war das, weil ich meinen Chief hatte so sterben sehen. Seit diesem Zeitpunkt hatte ich nie ein Problem damit, meine Waffe einzusetzen.“

Dann schaute er Riley direkt in die Augen.

Er sagte: „Es ist für jedermann eine andere Erfahrung – dieses erste Töten, meine ich. Was mir damals wiederfahren ist – naja, es ist etwas ganz anderes, als das, was dir gestern wiederfahren ist. Ich habe den Mann, den ich erschossen hatte, nicht gesehen, bis er tot war. Es hat sich nicht so persönlich angefühlt, so... naja, ich habe keine wirkliche Ahnung, wie es sich für dich anfühlt.“

Bei diesem Worten zuckte Riley zusammen.

Einen Augenblick lang sah sie wieder dieses unschuldige junge Gesicht mit toten Augen in den Schneefall hinaufstarren. So gut es ihr auch getan hatte vorhin mit Frankie darüber zu sprechen, wusste Riley, dass sie immer noch mit vielem zu kämpfen hatte.

Und es wird seine Zeit brauchen, dachte sie.

Crivaro tätschelte ihre Schulter.

„Na, willst du darüber sprechen?“, sagte er.

Riley dachte einen Moment lang nach und schüttelte dann den Kopf.

„Das ist vielleicht auch besser so“, sagte Crivaro. „Ich bin nicht der Typ, der dir da weiterhelfen kann. Ich habe nicht das richtige Feingefühl. Du musst wirklich mit einem Therapeuten sprechen, genau wie Lehl dich angewiesen hat. Versprich mir, dass du einen Termin ausmachst, sobald wir wieder in Quantico gelandet sind.“

„Ich verspreche es“, sagte Riley.

Doch sie spürte eine akute Angst, als sie diese Worte sagte.

Sie fragte sich, wie sie über diese schrecklichen Dinge mit einem Unbekannten sprechen sollte. Wie sollte ihr das helfen?

Und wieso geht es überhaupt irgendjemanden etwas an?

Kann ich mich da nicht irgendwie rauswinden?

Doch natürlich wusste sie, dass sie es nicht konnte. Ein Befehl war ein Befehl, und ein Versprechen ein Versprechen.

Und überhaupt, sie und Crivaro waren kurz davor einem möglichen Serienmörder nachzujagen.

Ich habe wahrscheinlich schlimmere Dinge vor mir, als einen Arztbesuch, dachte sie sich mit einem bitteren Lächeln.


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